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Woodstock heute

Christian Lehner

Am Festivalgelände von Woodstock

Vor 50 Jahren fand am Höhepunkt der Hippie-Bewegung das legendäre Woodstock-Festival statt. Eine Erinnerung an die Erinnerung in Wort und Bild.

Von Christian Lehner

Ich war in Woodstock! Aber Woodstock war nicht da, weil Woodstock nicht in Woodstock stattfand. Das weiß mittlerweile eh jeder. Ich war also in Bethel ca. 70 Meilen entfernt von Woodstock. In Bethel passierte vom 15. bis 17. August 1969 etwas, das den Lauf so einiger Dinge verändern sollte; es passierte “Woodstock Music & Art Fair presents An Aquarius Exhibition – 3 Days of Peace & Music” – ein Name, so lang wie die Haare der meisten Teilnehmer*innen vor, auf, hinter und unter dieser einen großen Holzbühne, die im nicht minder legendären Woodstock-Film wirkt, als würde sie jeden Moment in sich zusammenbrechen.

Ich war in Woodstock! Aber das ist schon 10 Jahre her. Ich lebte damals in New York, interviewte ebendort den Woodstock-Veranstalter Michael Lang zum 40. Jubiläum des Festivals und beschloss anschließend bei einem Urlaubstrip nach Upstate New York spontan einen Abstecher zum Austragungsort der Mutter aller Festivals zu machen. Es ist der 14. August 2009 und es ist ein herrlicher Tag.

Das Salzkammergut New Yorks

Ich war davor bereits öfter in der Gegend – auch schon ein paar Mal in Woodstock, also dem echten, das schon lange vor der Hippie-Zeit eine Künstlerkolonie war.

Upstate New York mit seinen malerischen Catskill-Mountains und den einsamen Seen war für mich so eine Art Ersatzsalzkammergut. Und ich war nicht allein. Jahrzehntelang zog es viele New Yorker*innen über das Hudson Valley raus aus der Stadt zur Sommerfrische in den sogenannten „Borscht Belt“. Verewigt wurden das in Filmen wie Dirty Dancing und Serien wie „The Marvelous Mrs. Maisel”. Mitte der 1960er Jahre setzte mit dem Aufkommen der Flugreisen der Niedergang des Tourismus ein.

Um die Gegend für Besucher*innen wieder attraktiver zu machen, erwarb der Geschäftsmann und Philanthrop Alan Gerry Mitte der Neunzigerjahre das Woodstock-Festivalgelände. Nach und nach wurde es zum Bethel Woods Center for the Arts umgestaltet, das ein Museum und ein Amphitheater für Veranstaltungen beherbergt.

Und da stehe ich also auf der legendären Wiese, die flach zu einem Steinhaufen mit grünen Plastikzelten abfällt. Links davon befand sich 1969 die Bühne, auf der Jimi Hendrix seine Gitarre jaulen ließ und eine dekonstruierende Version der US-amerikanischen Hymne in den grauenden Montagmorgen hineinspielte. Die meisten Hippies waren zu diesem Zeitpunkt bereits wieder auf dem Weg nach Hause, das Gelände glich einer einzigen Müllhalde.

Woodstock-Veteranen und Batik-Shirts

Heute sieht das Areal fast wie ein Golfplatz aus, so sauber und fein ist der Rasen geschnitten (Ich denke, dass sich daran in den vergangenen 10 Jahren nicht viel geändert hat). Um den 1984 errichteten Gedenkstein gruppieren sich Woodstock-Veteranen und posieren mit Peace-Zeichen für Erinnerungsfotos.

Die meisten von ihnen sind zum 40. Jubiläum angereist, am Folgetag sollte Richie Havens, der seinerzeit das Festival eröffnete, ein Konzert am Gelände spielen. Viele der heute Anwesenden sind das erste Mal seit 1969 da. Einer zeigt mir sein Original-Ticket, das er damals umsonst gekauft hatte, weil die Veranstalter angesichts des Besucheransturms Woodstock bald zum Free-Festival erklärten. Ein anderer deutet auf die Stelle vor der Bühne, wo er während des Auftritts von Country Joe & The Fish gestanden hatte und beschloss, nicht in Vietnam zu kämpfen.

Woodstock heute

Christian Lehner

Autor am „Field of Dreams“ (Michael Lang)

Apropos: Die Woodstock-Veteranen wirken wie Soldaten, die gemeinsam eine Schlacht ohne Waffen geschlagen hatten. Sie umarmen sich, tauschen Erinnerungen aus, Tränen fließen. Ihre Uniformen sind T-Shirts aus Batik, sie tragen Stirnbänder und Amulette. Frauen und Männer kurz vor dem Pensionsantrittsalter. Die Haare oft noch voll, aber nicht mehr ganz so toll.

Sendungsbild Interview Podcast

Radio FM4

Das Interview mit Woodstock-Veranstalter Michael Lang zum 40er des Festivals im FM4 Interviewpodcast

Es habe sich angefühlt, als hätte er das Feld seiner Träume erblickt, als er das erste Mal auf dem Hügel stand, sagt Woodstock-Veranstalter Michael Lang im FM4-Interview. Das damals vom mittlerweile ebenfalls legendären Milchbauern Max Yasgur zur Verfügung gestellte Areal wirkt auch Jahrzehnte nach dem Ur-Woodstock magisch und schön, auch wenn es mittlerweile der kommerzialisierten Erinnerungskultur übergeben wurde (den Sell-Out-Vorwurf gab es übrigens auch schon beim Originalfestival).

Ich atme tief durch, schieße noch ein paar Fotos und schlendere vorbei an einem freakigen VW-Käfer und den in die Jahre gekommenen Blumenkindern zurück zum Parkplatz.

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