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Woodstock Festival

dpa/dpaweb/dpa/A0001

A Summer of love and hate

Ein umfassender Rückblick auf den legendären Sommer des Jahres 1969, inklusive Interview mit der Journalistin Frances Schoenberger, die damals in Woodstock dabei war und u.a. Charles Manson interviewt hat.

Von Stefan Elsbacher

Hörtipp

Podcast

FM4

Das ausführliche Gespräch mit Frances Schoenberger gibt es im FM4 Interview Podcast.

Der Sommer 1969 hatte kein Sommerloch zu bieten. Es wurde der Weltraum erobert, neue Freiheiten erkämpft, Love & Peace gehuldigt und bestialisch gemordet. Und da ist der Vietnamkrieg noch gar nicht mitgemeint.

Vor genau 50 Jahren, vom 9. bis 17. August, erlebt Amerika innerhalb einer Woche den Höhepunkt der Hippie-Bewegung und den Anfang vom Ende der amerikanischen Unschuld. Am Woodstock-Festival feiern fast 500.000 Menschen im Zeichen von Love and Peace, während der Sektenguru Charles Manson mit seiner „Family“ in Hollywood auf Menschenjagd geht. Zwei konträr zueinanderstehende Groß-Ereignisse, die die nach Freiheit gierende amerikanische Gesellschaft aus dem Gleichgewicht bringt und auch die Medienwelt vor neue Herausforderungen stellt.

Die deutsch-amerikanische Journalistin Frances Schoenberger war als Festival-Besucherin in Woodstock live dabei und hat 15 Jahre später Charles Manson im Gefängnis interviewt. 2 gute Gründe, 50 Jahre später die heute 74-jährige Frances Schoenberger zu interviewen.

Frances Schoenberger

Die mittlerweile 74-jährige Filmjournalistin Frances Schoenberger ist in Niederbayern geboren und lebt und arbeitet heute in Hollywood.

Frances Schoenberger

Frances Schoenberger

Sie ist Mitglied der Hollywood Foreign Press Association und bestimmt dort über die Vergabe der Golden Globes mit. Sie war die Privat-Sekretärin von Hildegard Knef, berichtete für die Jugendzeitschrift BRAVO und interviewte unter vielen anderen Clint Eastwood, David Bowie, Johnny Depp, oder auch John Lennon. Ihre Autobiographie „Barfuß in Hollywood – Mein Leben inmitten der Stars“ ist im Fischer-Verlag erschienen.

With a Little Help from my friends

Sie war dabei: am Morgen des 15.8. stieg Frances Schoenberger mit ihrer Freundin Inge, die ein Ticket übriggehabt hat, rechtzeitig (!) in ein Auto und fuhr ca. 170km nordwestlich von New York in Richtung Freedom.

Dass das „Woodstock Music & Art Fair presents An Aquarius Exhibition – 3 Days of Peace & Music”, wie es offiziell geheißen hat, nicht auf einer Farm bei Woodstock, sondern nach Anwohnerprotesten im 70km weiter gelegenen White Lake nahe der Kleinstadt Bethel stattgefunden hat, weil dort ein konservativer Milch-Bauer namens Max Yasgur, der übrigens Vietnam-Krieg-Unterstützer war, seine Weiden zur Verfügung gestellt hat, ist bekannt. 
Die eigentliche Zusage kann aber von dessen Vater, der wusste, dass es ein schlechtes Erntejahr wird und er sich daher vom Festival mehr Einnahmen erwartet hat, als es die Ernte je einbringen könnte. That calculated quickly..

Archivaufnahmen von Woodstock 1969

ANNIE BIRCH / AFP / picturedesk.com

Aber zurück zur Auto-Kolonne von Frances Schoenberger und ihrer Freundin Inge:

„Eine Kollegin hatte ein Haus außerhalb von New York und die hatte ein Ticket über für das Woodstock-Festival und die hat mich mitgenommen. Das stand zwar in der Zeitung, aber dass es so ein großes Ereignis wurde, wusste da noch niemand…“

Sie waren also eine der wenigen, die mit Kaufticket aufs Festival gefahren ist? Weil die meisten sind ja dann gratis reingekommen.
„Ja, weil die haben eigentlich nur 200.000 Leute erwartet, also sie haben schon Tickets verkauft, (186.000, Anm.) aber dann wurden es mehr und mehr Leute (fast 500.000, Anm.) und die Veranstalter, glaub ich, waren klug genug, dann den Zaun niederzureißen und deswegen ist es auch friedlich abgelaufen, dass sich niemand ausgeschlossen fühlte.“

Der offizielle Name auf den Tickets lautete: „Woodstock Music & Art Fair presents An Aquarian Exposition – 3 Days of Peace & Music“. Wir erinnern uns an das Lied aus dem Musical Hair: „This is the dawning of the age of aquarius..“ also das Wassermannzeitalter, das unter Okkultisten, New Ager und Hippies die zweite Hälfte des 20 Jahrhunderts bezeichnet und ein neues Zeitalter voller Liebe und Frieden eingeläutet hat. Die Hoffnung starb zuletzt.

Für heutige Verhältnisse waren die Tickets übrigens jetzt aber auch nicht sooo supergünstig, hier die inflationsbedingte Umrechnung: 
Tagesticket: 1969: $8 USD, 2019: $56 USD (50€), 
3-Tagesticket: $24 USD, 2019: $168 USD (150€) (man merkt schon, ich hätte das erste Facebook-Hate-Post abgesetzt.)

Auch die gebuchten Acts haben für damalige Verhältnisse sehr hohe Gagen erhalten. Da war nichts mit Verzicht im Sinne von Frieden und Harmonie: 
Jimi Hendrix $18.000 (2019: $125.000) 
Joan Baez $10.000 (2019: $65.000) 
The Who $11.200 (2019: $73.000) usw..

Nachdem schon 2 Tage vor Beginn des Festivals über 30.000 Menschen am Gelände campiert haben, als noch gar keine Zäune aufgestellt waren, geschweige denn Kassahäuschen, mussten sich die Veranstalter schnell etwas überlegen. Die Diskussion belief sich schließlich, ca. 1 Tag vor Festivalbeginn, darauf: Bauen wir mit dem vorhandenen Material und der noch zur Verfügung stehenden Zeit Begrenzungs-Zäune auf, 
oder die Bühne?
 Man entschied sich für die Bühne. Und entschied sich, nicht das letzte Mal im Laufe der nächsten vier Tage, richtig.

Archivaufnahmen von Woodstock 1969

ANNIE BIRCH / AFP / picturedesk.com

"Ich erinnere mich, wie es anfing zu regnen und ich da saß im Schlamm. Auf einer Decke und die Amerikaner beobachtet habe. Es waren halt alle stoned und waren sehr nett zueinander. 
Ich kann mich nur an Durchsagen erinnern, übers Mikrofon, dass man nach Ärzten gesucht hat, oder Durchsagen, dass man bestimmte Drogen vermeiden soll, weil die nicht rein seien.

Man hat es genossen, miteinander zu sein. Es war einfach auch noch eine andere Zeit. Da war noch nicht so viel Stress da, unter den Leuten. Es war halt die Hippie-Kultur, die damals noch funktioniert hat. Liebe deinen Nächsten! Es war eine gute Zeit für Menschen, für einander da zu sein."

Meanwhile beim The Who-Konzert: “The next fucking person that walks across this stage is gonna get fucking killed, alright?”

Breakfast in bed for 400.000

Die Hog-Farm und andere Freiwillige versorgen die Hunderttausenden mit Lebensmittel und mit viel Liebe für Leute auf schlechten Trips:

Diese Durchsagen gabs zwischen jedem Auftritt, Organisatorisches, Hinweise und Tipps. Die haben ein bisschen Ordnung ins Chaos gebracht. Orientierung ist alles. Die Menschen wollen wissen, warum es ihnen gerade nicht so leiwand geht. Oder eben schon. Und wo es, nachdem am 2. Tag die Verpflegung ausgegangen ist, noch was zu Essen gibt. Bei der Hog-Farm zum Beispiel, einer Hippie-Kommune, die extra zur Versorgung der Festivalbesucher angereist kam, oder bei freundlichen Anrainern von Bethel, die sich ebenfalls teilweise sehr liebevoll um die Menschenhorde gekümmert hat, die ihre Straßen, Gärten und Felder überrannt hat. 
Die Hippies der Hog Farm übernahmen auch die Betreuung der vielen Drogen-Horror-Trips. Sobald einer dieser Trips auskuriert war, musste sich der Patient selbst um den nächsten Drogenkranken kümmern. So war die Regel. Sharing is caring.

Schlechte, gestreckte Drogen waren tatsächlich das größte Problem auf der ganzen Veranstaltung. Meidet „brown acid“, hat es geheißen. Blöd, dass es irgendwann fast überall drinnen war. Auch im Eis für die Getränke. Und von einer Checkit-Box war noch weit und breit keine Spur.

Es war schon ein großes Chaos, das alles, oder?
„Ja, aber ein friedliches Chaos. Das war ja das faszinierende dabei. Wenn man bedenkt, 400.000 Menschen und keiner wurde umgebracht, wie dann später in Altamont. (s.u.) Was mich damals auch noch beeindruckt hat, als dann so ein Guru aus Indien auf die Bühne kam. Der hatte so eine Pieps-Stimme. Das hat so richtig reingepasst und das war auch überhaupt nicht geplant. Die hatten halt niemanden, der auf die Bühne ging, und dann, da ist ein Guru, der würde gerne sprechen und dann haben sie ihn hochgelassen. Das war ein neues Erlebnis.“

Unsere kleine Farm

Ein anderer „Guru“ hat eine Woche zuvor für ein Gemetzel gesorgt und damit ganz Amerika erschüttert: Der Sektenführer Charles Manson, der seine „Manson-Family“ in der Spahn Movie Ranch, ein ehemaliges Western-Film-Set (u.a. Bonanza!, Anm.), um sich sammelte. Leute, vor allem junge Frauen, aus „problematischen“ Familienverhältnissen, unzufriedene, frustrierte, die beim ebenso aus zerrissenen Familienverhältnissen stammenden, schon als Kind misshandelten und dauernd mit Kriminalität in Berührung gekommenen, aber manipulativen Charismatiker „Charlie“ Manson ein neues Zuhause gefunden haben. Gefügig gemacht mit LSD und Sex und psychischer Abhängigkeit, das hat er gekonnt. Die etwas andere Hippie-Kommune. 
Sozialisiert hat sich Manson diesbezüglich dort, wo sich alle Hippies und Underdogs in den 60ern getroffen haben. In Haight-Ashbury, eine Straßen-Kreuzung und ein Stadtteil von San Francisco. Inklusive musikalischer Gehversuche. Es blieb ein Gehumpel, trotz namhafter Unterstützung.

Zwischen Gefängnisaufenthalten und erfolgreicher Erweiterung seiner Sekte nahm sein Teilzeitfreund und muskalischer Mentor Dennis Wilson von den Beach Boys mit ihm sogar Songs auf und ein Demo-Album, das weiteren Musikern (Brian Wilson) und mehreren Produzenten (siehe Interview unten) präsentiert wurde. Das Interesse an Mansons musikalischen Ergüssen blieb enden wollend. Die Beach Boys fladerten einen seiner Tracks und texteten ihn um, Fans wie Neil Young steigerten nur sein Frustpotential, weil es dann ja doch nicht klappen wollte, mit der Karriere.

Egal ob Musiker oder Postkartenmaler, wenn labile, kreative Menschen nicht die Anerkennung bekommen, die sie ihrer Meinung nach verdient haben, rächen sie sich irgendwann.

Helter Skelter

Manson blieb ein „verkannter“ Künstler. Er wollte Musiker sein, so berühmt wie die Beatles. In ihrem Song „Helter Skelter“ und anderen Tracks auf dem „Weißen Album“ vernahm er geheime Botschaften, der Pseudo-Prophet fürchtete einen bevorstehenden Rassenkrieg, die „schwarze Rasse“ wolle die „weiße“ auslöschen, und nannte diesen „Chaos-Zustand“, „Helter Skelter“. 
Die zwanghafte Missinterpretation der Songs macht den Anschein einer wachsenden paranoiden Schizophrenie, unterstützt von einem Haufen LSD.

10050 Cielo Drive

Und dann kam die Nacht vom 8. auf den 9. August 1969. Der zu diesem Zeitpunkt 35 Jahre alte Manson schickte vier seiner „Kinder“ zur Villa am Cielo Drive, die gerade von Roman Polanski und seiner im neunten Monat schwangeren Frau Sharon Tate bewohnt wurde. Polanski weilte gerade in London, Tate war mit drei Freunden im Haus. Vier der „Mansons“, Susan Atkins, Patricia Krenwinkel, Linda Kasabian und Charles Watson, verschafften sich Zutritt und metzelten in weiterer Folge alle Anwesenden mit Messer und Pistole rituell nieder. Sharon Tate hat man sich für den Schluss „aufgehoben“, sie und ihr ungeborener Sohn wurden mit 16 Messerstichen getötet, beim Verlassen des Hauses schrieb ihre Mörderin das Wort „PIG“ mit Tates Blut an die Haustür.

Charles Manson

HO / AFP / picturedesk.com

Charles Manson

Dieselben Vier ermordeten in der folgenden Nacht Leno und Rosemary LaBianca in Hollywood. In Lenos Bauchdecke war das Wort „War“ eingeritzt, in seiner Kehle steckte ein Brotmesser, am Nabel eine Gabel. Auf dem Kühlschrank in der Küche stand mit Lenos Blut „Healter Skelter“ (falsch) geschrieben. Auf den Wänden standen die ebenfalls mit Blut geschriebenen Wörter „Rise“ und „pigs“.

Erst im Oktober darauf wurde Charles Manson nach einer Razzia auf der Spahn Ranch verhaftet und wegen Anstiftung zum Mord zum Tode verurteilt, ebenso die anderen vier Ausführenden. Das Urteil wurde auf Grund der vorübergehenden Aussetzung der Todesstrafe in Kalifornien (wurde kurzfristig für Verfassungswidrig erklärt, seit März 2019 ist die Todesstrafe in Kalifornien erneut ausgesetzt) in eine lebenslange Haftstrafe umgeändert. Manson starb 2017 83jährig an Darmkrebs.

Der Image-Schaden für die Hippie-Kultur war enorm. Wasser auf den Mühlen der anständigen amerikanischen rechts-konservativen Kritiker.

Sympathy For The Devil

Warum wird ein brutaler Guru und diabolischer Anti-Hippie zu einer der größten Ikonen der Popkultur? Weil das Böse halt interessanter ist als das Gute, das Verbotene in der Pop-Rezeption halt mehr Sex hat als das Erlaubte. Beim braven, unbescholtenen Konsumenten zumindest, der sich insgeheim lieber mit den Bösewichten identifiziert und sich so abreagieren kann. Der Mörder ist immer der Coole. Muss man nicht selber böse werden. Angenehm. Die ganze Goth-Culture funktioniert so. Hippies in Schwarz. Außerdem sind Bösewichte kreativ verwertbarer. 1 wahnsinniger Sektenführer am Voldemort-Trip? Boah, geil. Auffe aufs Cover. We Are All Stars Now In The Dope Show.

Marilyn Manson

HERBERT P. OCZERET / APA / picturedesk.com

Besorg mir eine Gitarre!

14 Jahre nach ihrem Besuch am Woodstock-Festival bemühte sich Frances Schoenberger um ein Interview mit Charles Manson in seinem Gefängnis. Im Jänner 1984 läutete ihr Telefon.

"Und da war ein R-Gespräch von Charlie Manson. Da dachte ich zuerst, das ist ein Witz, aber das war er dann. Der Gefängnis-Pfarrer hatte ihm erlaubt, das Telefon zu benutzen. Und dann sagte er, okay, du willst mich interviewen, aber was hab ich davon? Sag ich: Ja, was willst du denn? Dann sagte er, ich möchte eine klassische Gitarre. Dann sag ich, ja, da muss ich erst mal die Redaktion fragen. Die haben dann gesagt, ja, klar. Und dann bin ich in einen Gitarren-Laden gegangen und hab eben eine Gitarre gekauft. Und was ich auch nicht wusste ist, dass man das nicht einfach ins Gefängnis mitbringen darf, das muss man schicken. Und behördlich war das alles sehr kompliziert, aber irgendwer hat dann gesagt, das geht und dann wurde ihm die Gitarre zugeschickt.

Und dann bin ich hochgefahren nach Nord-Kalifornien, zum Gefängnis und da stand ich dann in der Schlange mit anderen Frauen, die ihre Männer besucht haben im Gefängnis. Und ging so durch die Gittergänge und wurde durchsucht und dann war so ein riesiger Wächter neben mir und dann „ah da isser!“ und da stand dann so ein kleines altes Männchen mit einem Hakenkreuz auf der Stirn. Und so hab ich ihn kennengelernt."

Frances Schoenberger

Frances Schoenberger

Frances Schoenberger

Und das Gespräch selbst, wie ist das verlaufen, worüber haben Sie gesprochen?
„Wir sind dann in die Kapelle gegangen von der Kirche und da gab’s auch einen kleinen Garten und wir sind immer rundum gegangen, immer rundum. Was ich auch nicht wusste, wenn man so lange im Gefängnis ist, will man nicht stehen bleiben, also hat er das ausgenutzt. Und ich erinnere mich, dass ich 50% sehr beeindruckt war, wie weltoffen er ist, wie viel er von der Umwelt versteht. Er war damals schon sehr umweltbewusst. Und dann halt auch gesehen, dass er manchmal nicht richtig tickt und damals war er um die 50. Und kein Wunder, dass er nicht richtig tickt, weil er hat 35 Jahre von seinem Leben im Gefängnis verbracht, er war eigentlich nur 15 Jahre frei.“

Also Sie haben Ihn auch als Charismatiker in Erinnerung?`
„äh.. Charismatiker würd ich nicht sagen. Interessant würd ich sagen, faszinierend! 
Ich hab dann auch Briefe gekriegt von eifersüchtigen Frauen - Charlie Manson hat ja nicht viele Interviews gegeben - und Psychologen haben mich auch kontaktiert.“

Und können Sie das verstehen, dass sich um Charles Manson auch so ein Mythos entwickelt hat? Dass er so eine populäre Persönlichkeit geworden ist?
"Ich kann auch nicht verstehen, warum Trump interessant ist. Das ist genau Charles Manson. Die Persönlichkeit wurde benutzt und wie gesagt, heutzutage kommen viel mehr Geschichten raus und vielleicht mehr Verständnis.. Ich seh das auch sehr an der Presse. Es war halt auch eine faszinierende Geschichte. Ich hab ja damals schon in New York gelebt und jeder von den Journalisten wollte jetzt aufdecken, wer hat die nun umgebracht? 
Das mit Sharon Tate und Hollywood.. Das war ja vorher alles nicht gefährlich. Die Leute haben plötzlich Angst gehabt, sie wussten ja nicht, was ist das? Wieso werden die umgebracht?

Und man erfuhr ja auch später: Es war ja nicht beabsichtigt! Sharon Tate und Roman Polanski haben das Haus ja nur gemietet. Das Haus gehörte nämlich Terry Melcher, das war ein Plattenproduzent (The Byrds, Anm.) und der Sohn von Doris Day. Und Charlie Manson wollte ja immer Musiker sein und auch eine Platte rausbringen. Und es hat ihn dann einer der Beach Boys (Dennis Wilson, Anm.) mit Terry Melcher zusammengebracht, oder vorgeschlagen, aber Terry Melcher war nicht interessiert. Also es handelte sich eigentlich um Rache und hatte nix mit Sharon Tate und Roman Polanski zu tun, sondern es war lediglich das Haus. Und man sagt heute auch noch, dass es auch eine Drogensache war, weil der Friseur, der Ex-Freund von Sharon Tate (Wojtyck Frykowski, Hollywoods Promi-Frisör und Drogenbeschaffer von MDA, dem Vorläufer von Ecstasy - und Schulfreund von Roman Polanski, Anm.), hat auch mir Drogen gedealt und Charlie Manson war unter anderem auch ein Drogen-Dealer."

Zum Mord-Motiv gibt es unterschiedliche (Verschwörungs-)Theorien und Erklärungsversuche. Das sind zwei davon. 
Die nachvollziehbarste ist aber, dass die Villa abgeschieden lag und man dort ungestört und nachhaltig in der Hollywood-High Society Angst und Schrecken verbreiten konnte. Auch sollte man den Mord an den „reichen Weißen“ den revolutionären und mittlerweile militant agierenden „Black Panther“ in die Schuhe schieben. Damit der Rassenkrieg doch bitte endlich starten würde, der bis dato ausgeblieben ist...

Freedom’s just another word for nothin’ left to lose

Glauben Sie, dass diese Morde auch einen Einschnitt in der Friedens- und Hippie-Kultur bedeuteten?
„Es war halt dieser Sommer. Es waren die Kontraste. Die friedlichen 400.000 Menschen, dann werden plötzlich in Hollywood auf brutalste Art und Weise Menschen in Blutlachen gefunden und niemand weiß, wer sind die Mörder... Es war ein Sommer, wo sich vieles geändert hat.“

Was hat sich geändert?
„Dass die Leute misstrauischer miteinander wurden. Dass plötzlich die Hippie-Kultur nicht mehr funktioniert hat. Dass plötzlich die Hässlichkeit der Menschen wieder in den Vordergrund geraten ist.“

Glauben Sie hat sich das verbessert, oder ist das immer schlimmer geworden, hat sich was verändert?
„Wir müssen ja nur schauen, in welcher Zeit wir jetzt leben. Also es hat sich nix verbessert. Irgendwie werden wir alle wieder rückfällig. 
In Los Angeles gibt es 50.000 Obdachlose. Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer, die Mieten gehen hoch. Das Schulsystem, das Gesundheitssystem… Nichts funktioniert mehr. 
Wir haben einen Präsidenten, der sagt, „make America great again“… Der Rassismus war noch nie so deutlich. Und in dieser Zeit leben wir gerade und ich glaube, das ist eine sehr schwierige Zeit. Vor allem für junge Menschen. Der Druck ist wahnsinnig groß.“

Archivaufnahmen von Woodstock 1969

ANNIE BIRCH / AFP / picturedesk.com

Wenn es beim Woodstock-Festival schon Social Media gegeben hätte Facebook, Twitter.. Glauben Sie, es hätte einen Shitstorm gegeben?
„Facebook verherrlicht ja auch alles. Das geht ja in beide Richtungen. Es ist ungesund. Es verherrlicht alles und dann können sich die hässlichen Menschen hinter der Anonymität verstecken. Und alles was nun gepostet wird, wenn was nicht funktioniert, heißt ja nicht, dass es so war!
 Einer der Veranstalter von damals, es gab vier, wollte Woodstock ja heuer, zum Jubiläum, wieder auf die Beine stellen und es hat von vornherein nicht geklappt.“

Haben Sie den Film „Once Upon a Time in Hollywood“ schon gesehen?
„Natürlich, ich hab grad Leonardo DiCaprio und Brad Pitt interviewt, ich kenn die seit ihrem Kariere-Anfang. 
Ich kann die Hollywood-Szene schon wiedererkennen. Es tut einfach gut, 1969 wieder zu sehen. Die Mode… Und es gibt ja auch ein Restaurant, das „Musso & Frank“, das im Film vorkommt und das gibt es immer noch. Und einfach L.A. zu sehen, wo der Verkehr noch nicht so schlimm war wie jetzt. Das hat Spaß gemacht, das zu erleben, im Film. Es ist eine schöne Reise in die Vergangenheit.“

No Future

Das “Altamont Free Concert” in Kalifornien machte am 6. Dezember endgültig Schluss mit Love and Peace. Das ebenfalls Gratis-Festival wurde von den Rolling Stones-Managern als Westküsten-Gegenstück zu Woodstock veranstaltet. Aus Woodstock wollte man aber nicht lernen, organisatorische Fehlplanungen standen von Anfang an an der Tagesordnung, mit dem Unterschied, dass diesmal keine richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Das Publikum quittierte es mit dem für die damalige Zeit üblichen Shitstorm: Schlägereien.

Während des Konzertes der Rolling Stones stürmt der unter Drogeneinfluss stehende Fan Meredith Hunter mit einer Schusswaffe Richtung Bühne. Einer der Hells Angels, die für Gratis-Bier die Security bei diesem Festival stellten (schwerer Fehler), sticht den 18-jährigen nieder, er stirbt noch vor Ort und vor den Augen seiner Freundin. Auf der Bühne wird der Song „Under my Thumb“ kurz unterbrochen. Auf dem Festival sterben noch drei weitere Menschen.


Hier ein Auszug aus dem Dokumentarfilm „Gimme Shelter“, der sich mit den Vorfällen auseinandersetzt:

Hollywoodstock-Altamont

Waren die Manson-Morde der Anfang vom Ende der amerikanischen Unschuld und Woodstock der Höhepunkt der Friedensbewegung, gilt Altamont als der endgültige Totengräber der Hippie-Bewegung.

Dass der Vietnamkrieg noch 6 Jahre dauern wird und der kalte Krieg erst in den Kinderschuhen steckte, damit mussten sich dann die Punks auseinandersetzen. Der bewusstseinserweiterte Optimismus wich einem resignierenden Pessimismus, statt „Love & Peace“ war „No Future“ angesagt. Der Feind blieb mit Eltern und Eliten aber derselbe.

Woodstock, so wie es der Mythos erzählt und wie es in etwas verklärter Erinnerung geblieben ist, war so nicht geplant. Woodstock war, sowohl für Veranstalter als auch für alle teilnehmenden Bands und infrastrukturell Beteiligten ein rein kommerzielles Festival, wo es schlicht darum ging, Geld zu verdienen. Das ist zuerst nicht so ganz gelungen. Später dann mit der Rechteverwertung des Dokumentarfilms „Woodstock“ von Michael Wadleigh und der Musik umso mehr, und ein Woodstock-Musical gibt es selbstverständlich auch.

Was alle Beteiligten inklusive Publikum aus dem organisatorischen Chaos dann gemacht haben, war aber einzigartig und blieb es auch. Diese Form der friedlichen Gemeinschaft, der Zusammenarbeit an einer Idee in dieser Größenordnung, wurde zurecht zum Mythos. Woodstock war so nicht geplant, Woodstock ist passiert.

Ob so etwas heute auch wieder möglich wäre? „Nein. Zu viel Stress überall“, wie Frances Schoenberger richtig meint.

Peace!

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