FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Marlon Brando als "Der Pate"

Paramount

Das erste Mal: „Der Pate“

„Der Pate“ ist ein Klassiker, der ein gesamtes Genre definiert. Für viele gehört „The Godfather“ sogar zu den besten Filmen aller Zeiten. Wenn man allerdings glaubt, Mafiafilme einfach nicht zu mögen, ist es leicht, ihm ein Leben lang auszuweichen.

Von Barbara Köppel

Natürlich kommt niemand so einfach an „The Godfather“ vorbei. Sein Einfluss auf die Film- und Popkultur ist auch Jahrzehnte nach seinem Erscheinen im Jahr 1972 ungebrochen. Ohne je eine Szene gesehen zu haben, kann selbst ich das heisere Murmeln des alten Mafioso imitieren. Erst vor Kurzem ist mir in der U-Bahn ein Teenager im Godfather-T-Shirt über den Weg gelaufen. Und irgendwo habe ich mal gehört, dass sich Marlon Brando während des gesamten Drehs Watte in die Wangen gestopft hat, um wie eine Bulldogge auszusehen.

In der FM4 Sommerserie Das erste Mal stellen sich Redakteur*innen jenen berühmten Streifen, die sie bislang immer verpasst haben.

Was ich nicht wusste, ist, dass der Film knappe drei Stunden dauert, was dazu führt, dass ich ihn mir in Etappen ansehe. Ist aber in Ordnung, denke ich. Francis Ford Coppola hat Mario Puzos Romanvorlage bestimmt auch nicht am Stück gelesen. Zweitens war mir neu, dass er im Jahr 1946 spielt, daher all das Gerede darüber, dass niemand mehr Blutvergießen möchte. Drittens fällt mir auf, dass dauernd in irgendeiner Blechtonne ein Feuer brennt.

Wie aber komme ich überhaupt dazu, mir diese düstere Familiensaga anzuschauen, wenn ich glaube, mit Machos, Maschinengewehren und fragwürdigen Vorstellungen von Moral auf der Leinwand nichts anfangen zu können? Nein, nicht, weil ich für diese launige Sommerserie angefragt wurde, sondern weil C. - Mari Kondo und mir zum Trotz - die alte DVD auch nach dem dritten Umzug nicht aussortiert hatte. Klassiker gibt man nun einmal nicht weg, und so hat es der erste Teil der Trilogie eines Abends in den Player geschafft, als das Kind wie durch ein Wunder früh und gut schlief.

Dirty business

Marlon Brando mit den ausgestopften Backen spielt also Vito Corleone, den Don, der in einem Hinterzimmer seiner protzigen Villa Audienzen hält, während seine Tochter im Garten Hochzeit feiert und am Parkplatz schon das FBI lauert. Dieses Setting, der Pate lauschend hinterm Schreibtisch, der Bittsteller davor, in Anwesenheit von noch zwei, drei Hintermännern und Leibwächtern, das kenne ich. Allerdings von den Sopranos, die ja vor Pate-Referenzen nur so strotzen. Ich habe alle sechs Staffeln gesehen, ohne auch nur eine einzige davon tatsächlich zu verstehen, und fand sie trotzdem grandios.

Orangen als Symbol des Todes: Auf Don Corleone wird geschossen, während er Orangen kauft. Tony Soprano entgeht nur knapp einem Attentat nachdem er eine Flasche Orangensaft gekauft hat.

Tony Soprano heißt nicht nur wie Vito Corleones Enkelsohn, sondern ist als moderne Version des Paten zwar um Welten skrupelloser und brutaler als der alte Don, aber wie er ein Mann, dem die Familie über alles geht. Aus heutiger Sicht erscheint es fast putzig, wenn der Pate seine Machenschaften auf Gewerkschaften und Glücksspiel beschränken will, weil ihm das Drogengeschäft zu schmutzig ist. Dennoch kann er nicht leugnen, dass es für ihn Zeit wird, das Zepter weiterzugeben.

Al Pacino als Michael Corleone und Simonetta Stefanelli als Apollonia

Paramount

Al Pacino als Michael Corleone

Er hat drei Söhne. Da ist Sonny, der Impulsive, der sich vor dem aufsteigenden Drogenbaron verplappert und damit das Attentat auf den Don auslöst, das Fredo, der Taugenichts, nicht verhindern kann. Die einzige Hoffnung ist Michael, der Jüngste im Corleone-Clan: ein Kriegsheld, gespielt von Al Pacino, für den sich der Don eigentlich eine politische Karriere gewünscht hätte, ein Leben außerhalb der Mafia. Ausgerechnet er rächt seinen Vater und sichert seine Position im New Yorker Gangstermilieu auf die hinterhältigste Art und Weise. Von wegen kein Blutvergießen...

2 von 3 Punkten im Bechdel-Test

Kriterien des Bechdel-Tests:
Im Film müssen 1.) mindestens zwei Frauen vorkommen, die 2.) miteinander reden 3.) über etwas anderes als einen Mann.

Die Frauenfiguren spielen wenig überraschend keine große, aber entgegen meiner Vermutung eine wesentliche Rolle in der Geschichte. Zwar ist es fast unerträglich mitanzusehen, wie Kay – erst Michaels Freundin und nach seiner kurzen Ehe im sizilianischen Exil seine zweite Frau – sich um den Finger wickeln lässt und tatsächlich glaubt, dass ihr Mann die Corleone-Geschäfte eines Tages legal führen wird. Es erleichtert mich zutiefst - ja, ich habe mittlerweile weitergeschaut - dass sie sich im zweiten Teil emanzipiert.

Diese Entwicklung kündigt sich bereits Ende des ersten Teils an, im Dialog mit ihrer Schwägerin Connie, Michaels Schwester. Sie ist die Einzige, die Tacheles redet und ihren Bruder konfrontiert. Sie weiß, dass er ihren Ehemann auf dem Gewissen hat, und zwar weniger, weil der sie wiederholt geschlagen hatte, sondern weil er ihren gemeinsamen Bruder Sonny verraten hat.

Diane Keaton als Kay Adams

Paramount

Diane Keaton als Kay Adams

„You lousy cold-hearted bastard", wirft sie Michael an den Kopf. Und dann zu Kay: „Wanna know how many men he killed with Carlo? Read the papers! Read the papers! That’s your husband!“ Diese Zeilen verschaffen The Godfather 2 von 3 Punkten im Bechdel-Test. Das ist zwar per se kein Zeichen von Qualität, wenn Michael sie aber gleich darauf als hysterisch bezeichnet und alle wissen, dass er lügt, ist es doch ein Indikator dafür, dass Frauen hier auf Augenhöhe handeln.

Wahrhaft großes Kino

Mein Resümee nach drei Abenden mit dem Paten? I get it. The Godfather ist wahrhaft großes Kino: der Gestus und das Charisma des Don, der Spannungsaufbau, allein die Montage während der Taufszene, in der Michael Corleone Satan abschwört, während seine Handlanger die Oberhäupter der vier anderen Mafiafamilien meucheln, die Unmöglichkeit, das richtige Leben im Falschen zu führen.

Was mich allerdings wirklich erstaunt, ist, dass der Pate – Marlon Brando, der alte originale Pate – eigentlich kaum Screentime hat. Für etwa zwei Drittel des Films ist er auf der Leinwand gar nicht zu sehen, bleibt bloß im Hintergrund präsent und hat damit trotzdem eine derart ikonenhafte Performance in der Filmgeschichte hingelegt.

Die Sache mit der Watte ist übrigens ein Gerücht. Brando hatte die nur beim Vorsprechen im Mund. Für den Dreh wurde für ihn extra eine Prothese angefertigt, die heute im Museum of the Moving Image in Queens, NY ausgestellt ist.

Aktuell: