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Jakob Schubert ballt die Faust

KVÖ / Moritz Liebhaber

Die Kletter WM 2019 bringt neue Erkenntnisse für Olympia

Janja Garnbret ist zum zweiten Mal Weltmeisterin im Olympischen Kombinationsformat, Tomoa Narasaki setzt eine imposante Duftmarke und Jakob Schubert erklettert trotz durchwachsener Kombi seine dritte Medaille bei dieser WM. Was kann man jetzt schon für die Olympischen Spiele in Tokyo 2020 ableiten?

Von Simon Welebil

„Vor allem die Olympia-Quali war das große Ziel.“ Diese Worte von Jakob Schubert galten wohl für die meisten Spitzenkletter*innen bei den Kletter-Weltmeisterschaften 2019 in Hachioji, Japan, die sich die erste Chance auf die Qualifikation für die Olympische Premiere des Sportkletterns nicht entgehen lassen wollten.

Nach der Kletter WM in Innsbruck habe ich erste Erkenntnisse für das Klettern bei den Olympischen Spielen 2020 gezogen. Nachzulesen gibt’s die hier.

Jeweils sieben von 20 Quotenplätzen für Tokyo 2020 wurden in Hachioji vergeben, je einen davon haben sich die Niederösterreicherin Jessica Pilz und der Tiroler Jakob Schubert sichern können, beide bereits vor den Finali der Kombination. Die drei Medaillen, die Jakob Schubert bei dieser WM erklettert hat, waren für ihn nur Zugabe. Die Kombi-Finali werden wir in dieser Zusammensetzung wohl nicht mehr sehen, mehr dazu später, aber sie haben doch einige Erkenntnisse für die Olympischen Spiele im nächsten Jahr gebracht.

Wer sind die FavoritInnen?

Im Moment kann man sagen, dass es zwei ganz klare Favorit*innen auf Olympiagold gibt. Bei den Frauen ist das die Slowenin Janja Garnbret, die sich zum zweiten Mal zur Kombinationsweltmeisterin gekrönt hat. In den letzten Jahren hat sie die Wettkampfszene dominiert und ist heuer auch im Lead und Bouldern Weltmeisterin geworden. Wenn sie dieses Level halten kann, und diese beiden Disziplinen auch in der Kombi gewinnt, dann kann ihr niemand gefährlich werden. Doch diese WM hat auch gezeigt, dass die Japanerin Akiyo Noguchi nicht weit von Garnbrets Niveau entfernt ist. Im Kombi-Bouldern hat sie Garnbret geschlagen und hätte sie im Lead den letzten Griff festhalten können, wäre sie Kombinationsweltmeisterin geworden.

Bilder von der Kletter WM 2019

KVÖ / Moritz Liebhaber

Akiyo Noguchi, Janja Garnbret und Shauna Coxey

Bei den Männern hat sich Tomoa Narasaki mit einer Machtdemonstration im Kombi-Finale den Weltmeistertitel gesichert. Mit Platz 2 im Speed, Platz 1 im Bouldern und Platz 2 im Lead hat er nach Multiplikation dieser Ergebnisse den unglaublich niedrigen Wert 4 zu Buche stehen. Besser geht’s fast nicht und Narasaki hat gezeigt, dass der Weg zu olympischem Gold nur über ihn führt. Jakob Schubert hatte als Zweiter eine Wertung von 35 aufzuweisen (Platz 7 im Speed, Platz 5 im Bouldern und Platz 1 im Lead). Doch so ein Wert wird für Narasaki wohl unmöglich zu halten sein, was auch mit der Zusammensetzung des Finalfeldes zu tun hat.

Die Tücken des Olympischen Kombinationsformats

Die Kombination beim Klettern aus den drei Disziplinen Lead, Bouldern und Speed ist im Klettern eigentlich unüblich. Bei Weltmeisterschaften vor 2018 hat es zwar auch schon eine Kombinationswertung gegeben, die war aber nur von geringer Relevanz und Wertigkeit gegenüber den einzelnen Disziplinen.

Das ändert sich mit der Aufnahme von Klettern ins Programm der Olympischen Spiele von Tokyo 2020. Dem Klettersport ist nämlich nur eine einzige Medaillenentscheidung zugesprochen worden und weil der internationale Kletterverband keiner Disziplin den Vorrang gegenüber den anderen geben wollte und auch mit dem strategischen Hintergedanken, eine Olympiade später vielleicht wieder alle unterzubringen, hat er sich für die Kombination aus allen dreien ausgesprochen, wenn auch in einem neuen Format.

Das Olympische Kombinationsformat wird nun in einem Tag ausgetragen. Die Disziplinen werden gleich hintereinander in der Reihenfolge Speed, Boulder und Lead geklettert. Die Platzierungen aus den drei Einzeldisziplinen werden dabei multipliziert und der- bzw. diejenige mit der geringsten Punktzahl gewinnt.

Für diejenigen Kletter*innen, die bei Olympischen Spielen teilnehmen wollen, bedeutet dies, dass sie ihre bisherigen Spezialisierungen teilweise aufgeben müssen und alle drei Disziplinen trainieren. Um eine Chance auf den Sieg oder überhaupt für die Qualifikation zu haben (je 20 Frauen und Männer können sich für Tokyo 2020 qualifizieren) muss man mindestens in zwei Disziplinen Weltklasseleistungen abliefern können. Das gelingt am ehesten in der Kombination Bouldern und Lead, beides Schwierigkeitsklettern, Speed kann aber das Zünglein an der Waage sein.

Olympia bringt andere Voraussetzungen

Nächsten Sommer wird sich das Feld ganz anders zusammensetzten. Bei dieser WM haben wir sowohl im Männer-Finale als auch bei den Frauen jeweils vier Japaner*innen gesehen. Bei Olympia dürfen aber aus jedem Land nur zwei Kletter*innen antreten. Wenn statt ihnen andere Kletter*innen reinkommen, kann sich das Resultat total drehen. Mit Alexander Megos, Adam Ondra und Jakob Schubert in einem Finale hätte Narasaki wohl keine Chance auf eine niedrige Platzierung im Lead und alle drei können ihn an einem guten Tag auch im Bouldern forden. Und vielleicht schaffen es durch die Quotenregelungen für einzelne Teilnehmerländer auch mehr Speed-Spezialist*innen ins Finale, die zwar wenig Chancen auf Medaillen, aber Einfluss auf das Ergebnis haben können. Da kann noch viel passieren.

Siegerbild Männer-Kombi

KVÖ / Moritz Liebhaber

Jakob Schubert, Tomoa Narasaki und Überraschungs-Dritter Rishat Khaibullin

Haben Änderungen im Format die Kombi besser gemacht?

Nach der Premiere des Wettbewerbsformats bei der Kletter-Weltmeisterschaft in Innsbruck hat es in Hachioji einige Adaptierungen gegeben, die sich vermutlich stärker im Ergebnis niedergeschlagen haben, als erwartet. Im Kombi-Bouldern müssen statt vier nur mehr drei Boulder bewältigt werden. Das spart zwar Zeit im Wettbewerb (der insgesamt mehr als drei Stunden dauert), und wohl auch Kraft und Haut an den Fingern im sehr kräftezehrenden Wettbewerb, macht die Tür aber auch weiter auf für Zufallsergebnisse. Bei nur drei Boulderproblemen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich die Routensetzer*innen bei der Schwierigkeit verhauen uns somit entweder kein klares Ergebnis oder gar überrraschende Ergebnisse herauskommen können. Für die Athlet*innen wird Bouldern somit ein Stück mehr zum Glücksspiel.

Im Vorstieg hingegen ist der verstärkte Fokus auf die Kletterzeit Anlass zur Diskussion. Bei gleicher erkletterter Höhe wird die Person mit geringerer Kletterzeit besser gewertet, was manchmal zu überraschenden Ergebnissen führt. Ein Ausweg liegt hier allerdings nicht auf der Hand.

Und einmal mehr wurde bei dieser WM klar, dass man den früheren Speed-Spezialist*innen mit dem Kombi-Format keinen Gefallen getan hat. Im Frauen-Finale bekam man das eindrucksvoll vor Augen geführt. Nach der Überraschung, dass sich Speed-Weltmeisterin Aleksandra Miroslaw für das Kombi-Finale qualifizieren konnte, hat sie dann dort ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. Die Speed-Kombi hat sie natürlich gewonnen, im Bouldern allerdings keine einzige Zonenwertung erreicht, einmal sogar nicht einmal die Startposition einnehmen können und im Lead-Klettern hatte sie aufgrund der geringen erreichten Höhe fast einen Bodensturz. Das war hart anzusehen und sicher nicht im Sinn der Formatschöpfer*innen und des Publikums.

Bilder von der Kletter WM 2019

KVÖ / Moritz Liebhaber

Wie geht’s nach dieser Kletter WM weiter?

Die je sieben Athlet*innen, die sich bereits in Hachioji für die Olympischen Spiele in Tokyo 2020 qualifiziert haben, können sich nun schon relativ entspannt zurücklehnen und gezielt an ihren Schwächen arbeiten, ohne die Stärken zu vernachlässigen. Jessica Pilz hat etwa das Kombi-Finale verpasst, weil sie in ihrer stärksten Disziplin, dem Vorstieg, nur Sechste geworden ist.

Doch einige Spitzenkletter*innen haben ihr großes Ziel Tokyo 2020 noch nicht gesichert. Kletter-Superstar Adam Ondra etwa ist nach einem technischen Fehler (er ist im Lead anscheinend auf eine Bolt gestiegen) zurückgereiht worden und hat dadurch als einer der großen Favoriten das Finale verpasst. Obwohl es noch mehrere Chancen zur Qualifikation geben wird, kann das durchaus Konsequenzen haben, wie er selbst ausführt:

„Unfortunately, I will have to change my training plans for the upcoming months. During the months of October and November, I was planning to focus on my weakest discipline, speed, but instead, I will have to prepare for Toulouse to insure potential Olympic qualification.“

In Toulouse werden von 28. November bis 1. Dezember 2019 nochmals je sechs Quotenplätze für Männer und Frauen vergeben. Wer es dort auch noch nicht schafft, für den oder die bleibt dann noch die Mini-Chance über die Kontinentalmeisterschaften 2020.

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