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Albumcover "Voodoo von D'Angelo"

Virgin Records

Sonic Essay

„Voodoo“ von D’Angelo ist ein Album, das ewig brennt

Das epochale Album „Voodoo“ von D’Angelo, erschienen 2000, bildet das Finale der Sonic-Essay-Reihe in diesem Jahr.

Von Natalie Brunner

Für die letzte Folge der Sonic Essays auf FM4 im Sommer 2019 hat Daniel Haaksman ein Album aus dem Plattenschrank geholt, das zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. „Voodoo“ von D’Angelo aus dem Jahr 2000.

FM4 Sonic Essay

Zu hören am Sonntag, 25. August 2019, im FM4 Zimmerservice ab 19 Uhr und anschließend im FM4 Player

Hört man aber nur ein paar Takte aus dem 13 Cuts umfassenden Werk, dann ist das elektrifizierende Fieber, das vor zwei Dekaden Schauer durch den Körper gejagt hat, sofort wieder da. Welten und Reiche können untergehen, „Voodoo“ bleibt, ist außerhalb unserer Zeitrechnung, und es macht Sinn, das D’Angelo diesem Manifest von einem Album den Namen einer Religion und Kultur gegeben hat, die im Untergrund alle Gräueltaten der westlichen Welt überlebt hat und immer noch spirituelles Rückgrat von Millionen von Menschen ist.

Für D’Angelo war das, was die kapitalistische Verwertungsindustrie zum Millenniumswechsel aus R’n’B gemacht hatte, oder besser, was sie zu dem Massenpublikum durchdringen ließ, ein schlechter Witz. Er und seine Soulquarians-Weggefährt*innen starteten in dem von Jimi Hendrix kurz vor seinem Tod gebauten und von ihnen in jener Epoche übernommenen Electric Lady Studio eine Renaissance. Zur gleichen Zeit, als D’Angelo mit Questlove an „Voodoo“ arbeitete, nahm Erykah Badu dort ihr Album „Mama’s Gun“ auf.

„Voodoo“ ist eine Tabula Rasa des Genres

Das Album ist eine kathartische Auferstehung von Soul und R’n’B und völlig zeitlos. D’Angelo hat 2000 mit ausschließlich analogem Equipment gearbeitet und das Album auf 120 Rollen Magnetband aufgenommen. D’Angelo vermeidet auch konventionelle Songstrukturen.

Gemeinsam mit seinem Freund und Mitmusiker auf „Voodoo“, dem Poeten, Dichter, Schauspieler, Filmemacher und politischen Aktivisten Saul Williams hat D’Angelo seinen inhaltlichen Ansatz in Worte gefasst. Die liner notes von „Voodoo“ sind ein spirituell politisches Manifest in acht Absätzen, das es verdient, wieder und wieder gelesen zu werden. Hier ein kurzer Auszug, der zweite Absatz:

“We have come in the name of Jimi, Sly, Marvin, Stevie, all artists formerly known as spirits and all spirits formerly known as stars. We have come in the tradition of burning bushes, burning ghettos, burning spliffs, and the ever-burning candles of our bedrooms and silent chambers. We have come bearing instruments and our voices: Falsetto and baritone, percussion and horns. We have come adorned in the apparel of the anointed: leather and feathers, jeans and t-shirts, linen and cashmere, and even polyester. We have come to seduce and serenade the night and the powers of darkness. We speak of darkness, not as ignorance, but as the unknown and the mysterious of the unseen.”

Albumcover "Voodoo von D'Angelo"

Virgin Records

Erykah Badu, Questlove, DJ Premier und natürlich D’Angelo selbst erzählen uns in dieser „Voodoo“ gewidmeten Ausgabe des Sonic Essays die sich über zwei Jahre erstreckende Entstehungsgeschichte des Albums. Zwei Jahre, in denen D’Angelo nicht quasi, sondern tatsächlich im Studio gewohnt hat, teilweise mit seiner damaligen Partnerin, der Sängerin Angie Stone, und ihrem gerade geborenen Sohn, der laut D’Angelo eine der wichtigsten Inspirationen zu „Voodoo“ gewesen ist.

Erschreckend ist, dass D’Angelo, während er an diesem großen musikalischen Manifest und Befreiungsschlag arbeitete, seine Familie vor der Öffentlichkeit geheim hielt. Heute ist zu lesen, dass dies auf Drängen von Management und Label geschehen sei. Um sein Image als Sexsymbol nicht zu gefährden, war er offiziell Single, obwohl er und die um 13 Jahre ältere Angie Stone bereits seit vier Jahren ein Paar waren. Vielleicht geschah es aber auch aus dem Wunsch, das Privatleben privat zu halten.

Erschreckend prophetisch ist, welches der Welt heute mehr denn je zusetzende Monster in den liner notes von Saul Williams auftaucht:

„Whoa! Why am I attacking hip hop? ‚Cause I’m a lyricist, son, a lyricist that has had to serve as his own inspiration when most of my peers seem to idolize Donald Trump more than Sly Stone, when they don’t seem to realize that Jimi Hendrix was and is a sonic Bill Gates. Oh shit, don’t make me call no names.“

Tracklist zu FM4 Sonic Essay: D'Angelo - "Black Voodo"

Skit #1 Phoenix on Rhapsody TV
D’Angelo “Playa Playa”
Skit #3 D’Angelo on Voodoo, from “Couch Wisdom”
Skit #4 DJ Premier on Devil’s Pie, from “Off The Record”
D’Angelo “Devil’s Pie”
D’Angelo “Devil’s Pie” (A cappella)
Skit #5 Amir Thompson/Questlove, from RBMA talk
D’Angelo “Left + Right” ft
Skit #6 Amir Thompson/Questlove, from RBMA talk
D’Angelo “Send It On”
D’Angelo “Chicken Grease (Instrumental)”
Skit #6 Erykah Badu, from “Couch Wisdom”
Skit #7 Russell Elevator On Mixing + Mastering D’Angelo’s Voodoo, from RBMA talk
D’Angelo “One Mo Gin”
Skit #8 Benj B On Mixing + Mastering D’Angelo’s Voodoo, from RBMA talk
D’Angelo “The Root”
Skit #9 Russell Elevator On Mixing + Mastering D’Angelo’s Voodoo, from RBMA talk
D’Angelo “Spanish Joint” (Instrumental)
Skit #10 Russell Elevator On Mixing + Mastering D’Angelo’s Voodoo, from RBMA talk
D’Angelo “Spanish Joint”
Skit #11 Paul Hunter + D’Angelo on Making Of How Does It Feel Video, MTV
D’Angelo “How Does It Feel?”

Sonic Essays auf FM4

„Sonic Essay“ ist eine von Daniel Haaksman erdachte Serie, die Hörspiel, Feature, Radioessay und DJ-Leistungsschau verbindet. Die Entstehungsgeschichte eines bestimmten Albums durch einen Mix zu erzählen, nachzustellen oder sogar neu zu erzählen, ist die Idee dahinter.

Daniel hat tief in digitalen und analogen Archiven gegraben und B-Seiten, Remixe, Edits, Interviews und natürlich die prägnantesten Tracks des Albums in einen Mix verflochten. So werden die Entstehungsgeschichte, soziokulturellen Umstände, der musikalische Kontext wie die Ideengeschichte der einzelnen Stücke, aber auch des Sounds des Albums nachgezeichnet.

Die Sonic-Essay-Mixes sind auch eine Liebeserklärung an das Format Album und arbeiten die Charakteristika des jeweiligen Longplayers heraus. Es wird empfohlen, beim Hören ein Auge auf die Tracklist zu haben. Denn die Sonic Essays sind nicht nur „Just Another DJ Mix“, sondern sie pendeln auch im Koordinatensystem zwischen Radiodoku, Hörspiel und Audiocollage. Sie sind eine Form des musikalischen Neu-Erzählens der Geschichte eines Albums und nur in einem Zeitalter möglich, wo uns das babylonische Archiv mit einem Mausklick zu Füßen liegt. Sonic Essays sind Liebeserklärungen an die identitätsstiftende Bedeutung musikalischer Meilensteine.

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