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Rammstein live in Wien

APA/AFP/dpa/Christophe Gateau

Rammstein in Wien

Rammstein haben im Bewerb „größte deutsche Band aller Zeiten“ die Konkurrenten Kraftwerk und Scorpions längst abgehängt. Im Wiener Ernst Happel Stadion wurden ein paar Lieder davon gesungen.

Von Martin Pieper

Für alle, die etwas für Schaumparties, Hüpfburgen und Feuerwerk übrig haben, war das Stadionkonzert von Rammstein die pure Freude. Die beiden Konzerte im Ernst Happel Stadion waren innerhalb des Wimpernschlages einer Libelle komplett ausverkauft. Es sind die beiden letzten Shows des ersten Teils ihrer aktuellen Tournee, die Rammstein durch die Arenen Europas, von Moskau bis Dublin, Oslo bis Barcelona führt. Nach dem Konzert am Freitag in Wien ist dann erst einmal Pause mit der „Europe Stadium Tour“, wie das Mammutunternehmen offiziell heißt. Erst Ende Mai 2020 wird dann ausgerechnet in Klagenfurt die Europareise wieder aufgenommen. Ist natürlich auch schon ausverkauft. Eh klar. Die sechs auch schon etwas älteren Herren von Rammstein waren bei ihrem Wien-Konzert vielleicht auch wegen der Aussicht auf ein paar Monate Urlaub gut gelaunt und nein, die gehen zum Lachen auch nicht in den Keller.

Rammstein spielen Rammstein

Rechtzeitig vor der Tour ist das neue Album namens „Rammstein“ nach einer zehnjähriger Pause erschienen. Im Hiatus dazwischen wurden Preise abgeholt, Festivals bespaßt, Gedichtbände geschrieben, mit Joey Kelly in Alaska Kanu gefahren  oder mit dem Rapper Haftbefehl gleich die ganzeMathematik zerfickt.  Das aktuelle Album bringt den Kosmos Rammstein zwischen Humor und Verzweiflung, Autodrom-Techno und luftdichten Metal-Riffs besser auf den Punkt als der doch etwas unentschlossene Vorgänger. Dass die Band ein bisschen stolz auf ihre neuen Songs ist, merkt man an der Setliste, die durchaus nicht nur die Publikumslieblinge von anno dunnemal enthält. Die Fans sind auch bei „Radio“, „Ausländer“ oder „Puppe“ durchaus textsicher mit dabei. Apropos Fans: Im Ernst Happel Stadion kommen alle zusammen, Alte, Kinder, und ganze Familien führen stolz die verschiedensten Generationen von Rammstein-T-Shirts aus. Tatsächlich tragen ohne Übertreibung 80 Prozent des Publikums ein Shirt der Band, die hier gefeiert wird. Der Rest hat was von Metallica an.

Rammstein live in Wien

APA/AFP/dpa/Christophe Gateau

Refugees welcome

Wir alle sehen atemlos zu, wie ein Riesenkinderwagen in Flammen aufgeht, Sänger Till Lindemann auf einer Schaum speienden Kanone reitet oder den Pfeil mit den Feuerwerkskörpern ganz nach oben an den Stadionrand abschießt. Die Debatten, wie ernst sie das meinen, wie ihr Zeichensalat politisch zu deuten wären, werden bei so einem zünftigen Stadionkonzert natürlich nicht geführt. Dabei positionieren sich Rammstein politisch 2019 noch viel plakativer und eindeutiger als in den seligen 90er Jahren, als man neurechte Ästhetik noch mit Leni Riefenstahl in Verbindung bringen konnte.

Die neuen Nazis der 21. Jahrhunderts, die greifen bekanntlich nicht mehr zum Zeichenvorrat der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, die wählen ganz andere kulturelle und ästhetische Strategien. Mit Rammstein hat das weniger denn je zu tun. Ihr Herz schlägt links, haben sie ja schon längst klargemacht. Der Song steht gleich an prominenter zweiter Stelle der Songliste. In Polen und Russland haben sie bei ihren aktuellen Konzerten klar Solidarität mit LGBTQ-Community demonstriert. In Wien lässt sich die Band mit Schlauchbooten durch das halbe Stadion tragen. Empfangen werden sie von Till Lindemann auf der Hauptbühne, der eine Schild mit „Willkommen“ trägt. Eine Geste irgendwo zwischen Deichkind und Willkommenskultur.

Rammstein live in Wien

APA/AFP/dpa/Christophe Gateau

Lachen mit Rammstein

Rammstein spielen ihre aktuelle Show in einer meterhohen Bühnenkonstruktion die aussieht wie ein abgebranntes Flughafengelände auf dem sich Mad Max eine Burg gebaut hat. Die Kostüme der Band changieren zwischen Kosakenchor, Conchita Wurst und Discokugel. Besondere Props an dieser Stelle an Keyboarder Flake, der nicht nur auf einem Laufband seine Tastaturpflichten verrichten muss, sondern auch in einer brachialen Slapstickszene in einem großen Kessel gegrillt wird („Mein Teil“). Überhaupt der Humor von Rammstein: den muss man nicht unbedingt mögen, aber man sollte ihn niemals unterschätzen und er ist ständig präsent in dieser aktuellen Show.

Rammstein live in Wien

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Flake

Keine Schönheit ohne Gefahr

Langweilig wird einem bei der knapp über zwei Stunden langen Performance jedenfalls nie, dafür sorgt schon die Pyrotechnik. Die ist mitunter so überwältigend, dass man glatt vergisst zu klatschen oder mitzusingen weil man Angst hat was zu versäumen. Das hilft auch ein bisschen über den Umstand hinweg, dass Rammstein dann vielleicht doch nur eineinhalb verschiedene Songs im Angebot haben. Aber das haben sie mit einigen der besten Bands der Welt gemeinsam.

Vielleicht ist die immer nur angetäuschte Gefahr der Grund dafür, dass diese Riesenproduktion ein bisschen nach Musical riecht, so glatt geht das hier über die Bühne. Aber wie hat es eine der Industrial-Legenden, bei denen sich Rammstein so gerne bedient, schon formuliert: Keine Schönheit ohne Gefahr. Auch wenn es bei den Feuerbällen in den vorderen Reihen erstaunlich warm wird, man muss eben nie Angst wegen versengter Augenbrauen haben.

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