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Dietmar Kühbauer (Trainer SK Rapid Wien)

APA/GEORG HOCHMUTH

Blumenaus Fußball-Journal

Von wegen „Männersport“ - der Wiener Profi-Fußball agiert im Mimimi-Modus

In einem von Phrasen und Plattitüden überwucherten Umfeld wie dem Fußball wird viel Blödsinn geredet. Wenn aber jene, die Härte einfordern, selber am wehleidigsten sind, lohnt sich ein näherer Blick in diese Welt des demagogischen Populismus.

Von Martin Blumenau

Fußball wäre, meinte Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer noch vor einer Woche in einem Kontext, der die Wehleidigkeit seiner Gegner ausstellen sollte, ein Männersport. Was für ein im vorigen Jahrtausend sozialisiertes Relikt er damit meint, geht in Richtung der „A Indiana kennt kan Schmerz“-Sprüche, die er in seiner Jugend gehört hat und unreflektiert weitergibt. Irrelevantes Dinosaurier-Geraune, könnte man meinen, es gab aber dennoch Anlass, sich einmal mit dem Wortsinn zu beschäftigen und den Reality Check anzustellen: Denn Fußball ist in erster Linie der Sport der Kinder und der Jugendlichen, und gemeinsam mit den vermehrt aufspielenden Frauen übertrumpfen sie wohl die Männer.

Ist also ein doppelt dummer Spruch von einem Coach, der sich jede Woche nach Spielende im Zustand der Erregung befindet, weil seine Arbeit keine sichtbaren oder nennenswerten Fortschritte zeigt. Da kann ein Mann schon einmal seinen Mann stehen und seine Männlichkeit in seinem Männersport hervorstreichen. Sofern er konsequent handelt.

Konsequenz aber ist eine Tugend, die nur dort entstehen und gedeihen kann, wo es eine erkennbare, von den Beteiligten ausverhandelte oder akzeptierte, jedenfalls gelebte Philosophie gibt. Und das ist bei Kühbauers Verein, dem SK Rapid seit nun schon sehr langer Zeit nicht der Fall - was hier und auch hier und auch hier aktuell belegt ist.

Alles andere, also die flatterhafte Improvisations-Politik, mit der sich einige Fußball-Vereine in den letzten Jahren begnügen, fördert den angewandten Populismus und die Demagogie. Die macht es möglich, innerhalb kürzester Zeit das absolute Gegenteil des zuvor Gesagten abzusondern, ohne dabei einen moralischen Kompass zu beschädigen. Wichtig ist nur die Opfer-Pose und die daraus resultierende Schuldzuschreibung an finstere Mächte oder gar Eliten, noch wichtiger ist die possenreißerische Wucht der Ansagen um so möglichst große Stammtisch-Zustimmung all jener zu generieren, die sich nicht mit den Inhalten beschäftigen, sondern nur die unterhaltende Schlagzeile sehen.

Treu dieser Devise hat Coach Kühbauer nun eine Woche nach seiner Männersport-Ansage das exakte Gegenteil behauptet und ist damit wieder in seiner absoluten Lieblings-Pose angekommen. Das ist nämlich gar nicht die „Männer“-Rolle sondern die „Opfer“-Rolle, mit der schlechte Resultate und schwache Leistungen keinen Anlass zur Selbstbeschau geben, sondern immer anderen umgehängt werden. Konkret den Schiedsrichtern, die in der öffentlichen Meinung ohnehin etwa die Popularität von asylsuchenden jungen Männern haben.

Hier eine Analyse des Spiels bei 90minuten.at., da eine von abseits.at, beide zeigen die tatsächlichen Probleme Rapids deutlich auf.

Besonders perfid: die Tonalität der Härte, die das Spiel von Rapid gegen den LASK durchwehte, hat ihren Ursprung ausschließlich in beleidigten Männlichkeits-Posen und wechselseitigen Provokationen, die von der Spielleitung unmöglich einzudämmen waren. Noch dazu ist die Pfeifen-Zunft ganz aktuell in einer (selberverschuldeten) Krise, nachdem ein interner Machtkampf öffentlich ausgetragen wurde.

Was auch der Kapitän des anderen Wiener Liga-Vereins, Alexander Grünwald von der Austria Wien, nutzte, um wegen eines aberkannten Tores herumzujammern und die Schiris als Spielentscheider hinzustellen. Dieses Geplustere kann und wird den Blick auf eine bislang peinliche und qualitativ unzureichende Saison der Austria aber nicht verstellen können.

Und da wären wir wieder bei den Tugenden des „Männersports“, wie ihn Rapid und Austria derzeit definieren: wehleidig jammern und aufgeregt austeilen, andere beschuldigen und Opfer spielen, mansplainen statt denken - klassisches Mimimi.

Die Tugenden des Sports (Fairness, gesteigerte Ansprüche an sich selbst, Streben nach Verbesserung, Akzeptanz von äußeren Umständen und neutralen Schiedsentscheidungen) sind in weiter Ferne. Dem Männerbild anno 2019 wird die winselnde Ausreden-Sucherei nicht einmal ansatzweise gerecht. Und auch nicht dem von, sagen wir, Karl May, um Bücher heranzuziehen, die auch Kühbauer/Grünwald gelesen haben: Winnetou (und der kennt echt keinen Schmerz...) und Old Shatterhand wenden sich peinlich berührt ab.

PS: Unsportliche Fehlleistungen wie die im Wiener Profi-(Männer)-Fußball kommen weder im Jugend/Junioren- noch im Frauen-Bereich vor: Dort gibt’s kein selbstverliebtes, realitätsverneinendes Mimimi. So gesehen hat Kühbauer der Begriff „Männer“-Sport also durchaus richtig gewählt.

Zuletzt in Blumenaus Fußball-Journal: Alles zur zum Politikum verkommenen Rapids Präsidentenwahl. Zuvor ein romantischer Blick nach Südamerika: Der große und der schöne Fußball.

Das war die sportliche Analyse der neuen Liga-Saison - Teil 1 und Teil 2. Außerdem zu Saisonbeginn: ein Text zum wurschtigen Soft Start der Bundesliga. Und zur ersten Cup-Runde: Viktoria oder: Die andere Seite des Fußballs, zu Wr. Viktoria gegen Hartberg.

Außerdem: Warum viele den politisch Vernetzten Fußball hassen, am Beispiel Linz. Und: Germanys Next Bundesliga-Coach - die heimische Liga als Versuchs-Labor sowie eine Analyse der geschlossenen Gesellschaften im Fußball Closed Shop – am Beispiel Liga & Europacup. Und eine Analyse der Position der Chef-Coaches & die Bilanz der letzten Saison.

Nachbetrachtung zum Mazedonien-Ausflug des ÖFB-Teams sowie Preview und Nachlese zum Slowenien-Länderspiel.

Alles zur systematischen Analyse-Verweigerung nach der U21-EM. Nachträgliche Relativierung, die Nachlese zur Dänemark-Niederlage der U21: und die Analyse des Sieges über Serbien. Davor Texte über den letzten Test vor Beginn der ersten U21-Euro, an der der ÖFB teilnehmen darf. Und eine Nachlese zum Finale.

Zur Copa America: alles zum Halbfinale Brasilien - Argentinien, eine erste Bilanz und eine Preview.

Zum Afrika-Cup: Afrika, Next Gen und eine Analyse der Hahnenkämpfe um die globalen Fußball-Rechte anlässlich des Afrika-Cups.

Zur Frauen-WM: Bilanz und Ausblick, alles zum Halbfinale, zwei deutsche Niederlagen im Vergleich, vorweggenommene Finalspiele zum Viertelfinale Frankreich - USA sowie Frauen-Fußball wird wie Männer-Fußball und das ist nicht nur gut so. Davor: Zur Untrennbarkeit von Fußball und Politik. Und das war die Vorrunden-Bilanz der Frauen-WM, nach einem ersten Blick und einem zweiten auf Deutschland vs Spanien.


Das sind die Vorgängertexte, egal ob als #dailyblumenau auf der neuen oder der alten Website, oder im langjährigen Journal. Regelmäßiges zu diesen Themenfeldern abseits des Fußballs folgt im Herbst.

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