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Ein Ferienhaus am See

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„Kintsugi“ von Miku Sophie Kühmel: Über das Brechen und Kitten von Beziehungen

Miku Sophie Kühmel schreibt von Liebe, Reue, Freundschaft und den Fassaden, die wir aufbauen, um weniger angreifbar zu sein. Ihr Debütroman „Kintsugi“ steht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019.

Von Lena Raffetseder

Max und Reik feiern an einem winterlichen Wochenende in ihrem Ferienhaus am See 20 Jahre Beziehung. Mit dabei ihr bester Freund Tonio und dessen Tochter Pega, die so alt ist wie die Beziehung. In diesen zwei Tagen im Ferienhaus werden verschiedene Arten der Liebe sichtbar. Und natürlich gibt es Scherben, wie der Titel andeutet.

Beziehungen mit Brüchen

Kintsugi ist das japanische Kunsthandwerk, zerbrochenes Porzellan mit Gold zu reparieren. Perfektion bedeutet nicht automatisch Schönheit, durch das Gold steht der Makel im Fokus. Kintsugi zeigt, wie man mit Brüchen auch umgehen kann. In Porzellan oder Beziehungen.

Erzählt wird das Wochenende nach einem klaren Schema, ein Kapitel aus Sicht jeder Person. Dazwischen trennen Szenen wie aus einem Theaterstück die Schilderungen der vier. Das gibt einen objektiveren Blick auf die Gruppe.

TONIO: Also? Wir bleiben hier aufeinander hocken? Gibt’s Gesellschaftsspiele?
REIK (sich auf die Arbeitsplatte setzend und mit den Beinen baumelnd): Dann gibt’s auch Tote!
MAX (zurückgelehnt, über den dampfenden Tee): Haben wir doch gesagt. Wir wollen einfach unsere Ruhe. Und ihr seid die einzigen Menschen, mit denen man gepflegt seine Ruhe haben kann.

Geheimnisse und Unausgesprochenes

Die vier kennen sich eigentlich in- und auswendig. Durch die verschiedenen Sichtweisen erfährt man aber, welche Probleme unausgesprochen bleiben, welche Annahmen über andere bestehen, welche Geheimnisse jeder verbergen will.

Cover von Kintsugi

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„Kintsugi“ ist am 28. August im S. Fischer Verlag erschienen.

Max hat jetzt, mit zunehmendem Alter, Angst, etwas zu verpassen. Auch die nicht ganz harmonische Beziehung belastet ihn („Zwischen uns in der Luft schweben mehr Fragen als Antworten“). Der erfolgreiche Künstler Reik hätte gern ein Kind, müsste aber noch seinen Partner Max überreden („Die Liebe zweifle ich nicht an. Es ist das Gefühl zu ertrinken, wenn man nicht jetzt den Kurs ändert“).

Pianist und Alleinerzieher Tonio ist dieses Wochenende – sehr untypisch für ihn - dauernd am Handy. Er bekommt Nachrichten, die sein Leben bald vollkommen verändern werden („Alles fühlt sich durcheinander an“). Und auch Studentin Pega führt, unbemerkt von den drei Männern, ihren eigenen Kampf.

Kühmel beweist „Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe“

Miku Sophie Kühmel, 1992 in Gotha geboren, macht für Lesende dieses Wochenende und das Innenleben der Protagonist*innen greifbar. Dabei gibt es nicht die eine große Story. Die Sprache ist in „Kintsugi“ der Kitt, der die Handlung vergoldet. Kühmel macht die innere Zerrissenheit greifbar, mit wunderschönen Formulierungen.

Für „Kintsugi“ hat Kühmel den diesjährigen Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung erhalten. Der mit 15.000 Euro dotierte Preis geht an junge Autor*innen, die „eine besondere literarische Begabung erkennen lassen“. 2016 hat etwa die spätere Bachmannpreisträgerin Birgit Birnbacher diesen Preis bekommen.

In ihrer Entscheidung für Kühmel hob die Jury ihren „zeitgemäßen Blick auf Lebens- und Liebeskonzepte“ hervor und ihre „Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe“. Mit eigentlich gewöhnlichen Protagonist*innen schafft Kühmel dadurch Interaktionen, die man mit Freude liest - auch wenn die großen Spannungsmomente selten sind. Im August wurde außerdem bekannt, dass „Kintsugi“ als eines von 20 Büchern für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert ist.

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