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Amanda Palmer: Musik ist eine Waffe

Amanda Palmer startet diese Woche ihre Europa-Tour und beehrt Mitte September auch Österreich mit zwei Konzerten, in Graz und in Wien. Bevor der Tour-Alltag losgeht, hat sie mit uns über das politische Potential von Musik gesprochen.

von Michaela Pichler

Dass Amanda „Fucking“ Palmer eine Künstlerin mit einer politischen Agenda ist, ist kein großes Geheimnis: Ihr zuletzt erschienenes Album „There Will Be No Intermission“ ist dafür ein Paradebeispiel. Nicht ganz zufällig hat Palmer dieses am internationalen Frauen*tag veröffentlicht. Inhaltlich adressiert die US-amerikanische Künstlerin darin unterschiedlichste Themen, die eher in die Kategorie „schwierig“ fallen und sich frei am Motto „Das Persönliche ist politisch“ orientieren: Abtreibungen, Suizid, Fehlgeburten. Harter Tobak, verpackt in Palmer-eske Klavier-und Ukulele-Chansons, die von ihrer theatralen Vortragsweise leben. Bei der kommenden Europa-Tour darf aber nicht nur geweint werden, auch lachen ist erwünscht - wenn man sich traut.

„Ein Großteil meines Humors in den kommenden Konzerten ist wirklich sehr sarkastisch. Und ich bete zu Gott, dass meine Jokes in den Shows in Europa nicht missverstanden werden!“

Amanda Palmer lacht am anderen Ende der Telefonleitung, während sie ein paar Sätze Deutsch auspackt. In den 1990ern hat Palmer nämlich ein Jahr in Deutschland gewohnt – als Austauschstudentin im Fach Germanistik.

The Power of Politics

Die Tour führt Amanda Palmer auch nach Graz und Wien. Besonders Letzteres hat es ihr angetan. Denn sie schätzt die feministische Szene der Hauptstadt, die sie schon bei ihren ersten Auftritten hierzulande kennengelernt hat. Wo wir auch schon beim Thema wären: Denn während des Interviews dreht sich eigentlich alles um Palmers Zugang zu Politik und Aktivismus. Die Performerin ist vom Einfluss, den Kunst auf die Gesellschaft hat, überzeugt:

„Man kann es nicht wissenschaftlich messen, aber wir alle wissen, dass Musik den Verlauf der Geschichte verändern kann. Wir wissen das, weil wir es mehrmals schon beobachten konnten. Musik ist eine wirklich mächtige, indirekte Waffe.“ Akzeptieren müsse man nur, dass sozialpolitische Veränderungen nie eine gerade Linie verfolgen. „Als Musiker*in kannst du nur deine Kunst ins Universum schicken, deine Finger kreuzen und hoffen, dass sie ihre Arbeit machen wird.“ 


The Power of Social Media

Vor zwei Wochen hat Amanda Palmer wieder einmal so eine Arbeit ins virale Universum namens Internet geschickt. Für die Single „Everybody Knows Somebody“, die Palmer im August auf ihrer Patreon-Seite veröffentlichte, griff sie wieder einmal zur Ukulele. „Ich wollte, dass der Song wie ein netter Ukulele-Protestsong klingt. Und das Klavier ist für mich einfach kein traditionelles Folk-Instrument.“

Der Song ist ein Protest gegen die voranschreitende Waffengewalt in den USA und ein Plädoyer für eine strengere Gesetzeslage. Der Anlass für den Sing-A-Long hat sich der Musikerin in seiner dringlichen Aktualität quasi aufgedrängt. Der Song entstand nämlich kurz nach den Massakern in El Paso und Dayton, die nicht einmal 24 Stunden voneinander getrennt in den USA verübt wurden. Amanda Palmer hält in „Everybody Knows Somebody“ die mittlerweile zum Alltag gewordene Normalität dieser Tragödien fest, die sie aber nicht akzeptieren will.

Artwork Amanda Palmer

Amanda Palmer, Manuel Oliver

Als der musikalische Teil des Songs und die Recordings fertig sind, fehlt nur noch ein Coverbild. Amanda Palmer zieht ihre Internet-Fanbase zu Rate: „Das ist eines der Beispiele, warum das Internet so verdammt schön sein kann. Ich fragte auf Twitter, ob irgendjemand eine Person kennt, die Kunst über Waffengewalt macht. Ein Junge, der 2018 in Parkland ein Schulmassaker erlebt hat, hat mich dann mit Manuel Oliver connected. Fünf Stunden später haben wir gemeinsam am Albumcover gearbeitet. Vor zwanzig Jahren wäre das nicht möglich gewesen. Nicht so schnell.“

Manuel Oliver ist nicht nur Künstler, sondern selbst auch Betroffener – sein 17 Jahre alter Sohn wurde bei einem Schußwaffenmassaker ermordet. Die Einnahmen von „Everybody Knows Somebody“ gehen an Change the Ref, eine Anti-Waffen-NGO, die von Manuel Oliver und seiner Frau Patricia Oliver gegründet wurde.

Gewinn Tickets!

Das Konzert am 14. September im Wiener Konzerthaus ist bereits ausverkauft. Gewinn für das FM4-Indiekiste-Konzert am 15. September im Stefaniensaal in Graz jetzt noch Tickets!

Die eigene Wahrheit erzählen

Was kann man also tun, um dem täglichen Wahn unserer Gesellschaft entgegenzutreten? Als Musiker*in, Autor*in, Schauspieler*in oder einfach nur als Einzelperson?

„Besonders heute – mit dem wachsenden Faschismus und der steigenden Angst überall auf der Welt – ist es umso wichtiger, seine eigene Wahrheit ohne Scham und ohne Rechtfertigung zu erzählen“, erklärt Amanda Palmer. „Ich könnte einen Song schreiben mit dem Titel „Fuck Trump“ oder „Fuck Boris Johnson“ – oder ich schreibe einen Song darüber, wie es sich anfühlt, eine Frau zu sein, eine Abtreibung zu haben oder eine Fehlgeburt auszutragen zu müssen. Und das ist eines der politischsten Dinge, die ich tun kann.“


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