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Szenenbild "IT 2"

Warner Bros. Ent.

„It - Chapter 2“: Stephen King als Soap Opera

„Es“ kehrt zurück. Der zweite Teil der Kleinstadt-Horror-Saga wirkt aber leider zu berechenbar und überladen mit Effekten.

Von Christian Fuchs

Es gibt einen kleinen Running Gag in „It - Chapter 2“. Der Horrorautor Bill Denbrough, gespielt von James McAvoy, schreibt gruselige Bestseller, die auch erfolgreich für die Leinwand adaptiert werden, verkorkst aber immer den Showdown seiner Bücher. „Sorry, Bill,“ sagen ihm auch große Fans, „but the ending sucks.

Das gilt fatalerweise auch für den Erfinder der Figur Bill, den nicht ganz unberühmten Vielschreiber Stephen King. Ausgerechnet einige der monumentalsten Werke des Gänsehaut-Königs leiden unter miserablen Schlüssen, in denen plötzlich der grottige Kitsch triumphiert. Kein Wunder, dass Meisterregisseur Stanley Kubrick einst bei seiner Verfilmung von „The Shining“ das überzogene Buchfinale ignorierte - und lieber nur auf verstörende Andeutungen setzte.

Digital animierte Monsterattacken

Auch „It“, möglicherweise das Opus Magnum von Stephen King, verärgert mit einem unfreiwillig lächerlichen Finale. Über tausend Seiten lang fesselt die Geschichte rund um eine Gruppe kleinstädtischer Außenseiter, die gegen das absolute Böse antreten. Vor allem auch, weil uns der Autor über die Hintergründe des Grauens weitgehend im Dunkeln lässt.

Am Ende – sorry, wenn ich jetzt ein Buch aus dem Jahr 1986 spoilere – entpuppt sich „Es“, der unsagbare Schrecken mit den vielen Gesichtern, das wahre Wesen des diabolischen Clowns Pennywise, als schleimige Riesenspinne, die an trashige Monstermovies erinnert. Die zu Unrecht nostalgisch verklärte zweiteilige TV-Adaption des Buchs, veröffentlicht 1990, setzte den an sich schon fragwürdigen Endkampf dann dermaßen unfreiwillig komisch um, dass es Fans der Romanvorlage schmerzte.

Szenenbild "IT 2" mit Clown Pennywise

Warner Bros. Ent.

Auch „It - Chapter 2“, die Fortsetzung der ungemein erfolgreichen Kinoverfilmung des Stoffs, schließt hier leider nahtlos an. Regisseur Andy Muschietti stürzt sich sogar richtig auf die plakativen Stellen von Stephen Kings Werk, unterbricht die aufgebaute Atmosphäre ständig mit digital animierten Monsterattacken. Wenn es dann zum kontroversen Endspurt geht, in dem „Es“ sein echtes Antlitz zeigt, wundert man sich gar nicht mehr über den kindischen Effekt-Hokuspokus, der Kings Buchende noch toppt.

Das ist besonders schade, weil alles eigentlich ganz gut angefangen hat. Der erste Teil der „It“-Saga, der 2017 Kassenrekorde gebrochen hat, enttäuschte zwar auch punkto Horror-Gehalt. Aber als Coming-Of-Age-Drama mit 80ies-Flair bezauberte und verstörte der Film über weite Strecken. Die Kinderdarsteller, die den Losers Club aus dem Buch verkörperten, begeisterten durchgehend. Natürlich gab es Überschneidungen zum Fernsehphänomen „Stranger Things“, in der Person von Schauspieler Finn Wolfhard sogar direkt, aber der Roman „It“ ist eben auch die Quelle, aus der sich die Serienmacher reichhaltig bedienen. Andy Muschietti ist mit Teil 1 jedenfalls eine stimmige Annäherung an Kings Klassiker gelungen.

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Traumatisierte Nerds, prominent besetzt

Am Beginn von „Chapter 2“ hat man das Gefühl, dass der Regisseur zumindest wieder den Tonfall des Buchs trifft. Am beklemmendsten ist „It“ nämlich, wenn die grausame Provinz-Realität mit all ihren Gewaltausbrüchen schonungslos enthüllt wird. Muschietti zeigt ein schwules Paar grinsend über den Rummelplatz der Kleinstadt Derry schlendern, bis eine Gruppe junger Rednecks erscheint.

Beschimpfungen folgen, Tritte und Schläge werden verteilt, einen der beiden Homosexuellen werfen die Bullies in den reißenden Fluss. Plötzlich, nachdem eine mysteriöse Hand das Opfer in die eiskalte Tiefe zieht, schwebt ein roter Ballon über dem Geschehen. Der teuflische Clown Pennywise meldet sich nach 27 Jahren wieder in Derry zurück.

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Mike Hanlon (Isaiah Mustafa), eines der Mitglieder des Losers Club, der den Ort nie verlassen hat, kontaktiert daraufhin seine Freunde aus der Vergangenheit, die in alle Himmelsrichtungen geflüchtet sind. Die einstigen pubertierenden Außenseiter haben ihren Kampf mit dem absoluten Schrecken verdrängt, erinnern sich aber an den gemeinsamen Schwur: Pennywise endgültig zu töten, sollte er wieder seine scheußliche Grimasse zeigen.

Das Treffen der erwachsenen Nerds, allesamt tief traumatisiert, wird von Andy Muschietti ausgiebig zelebriert. Aber irgendwie entsteht zwischen den erwachsenen Mitgliedern der Außenseiterbande nicht annähernd eine derart spürbare Chemie wie zwischen ihren kindlichen Pendants. Da hilft auch die prominente Besetzung mit Stars wie Jessica Chastain, James McAvoy oder Bill Hader wenig. So bieder und berechenbar wie der Regisseur das Wiedersehen der Loser inszeniert, meint man fast in einer Stephen-King-Soap-Opera zu sitzen. Wenn dann noch der Autor selbst einen schrulligen Gastauftritt hat, wartet man nur noch auf die Lacheinspielungen im Hintergrund.

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Bill Skarsgård als wandelnde Pennywise-Karikatur, vor dem nur hartgesottene Clown-Phobiker Angst haben, passt ebenfalls perfekt ins Bild. Und das ist ein großes Problem. Denn wie erwähnt sind die überkandidelten Schreckensszenen mit ihren nervigen Effekten auch schon in Teil 1 der Schwachpunkt des Films. Selbst wenn nun entschieden mehr Kunstblut fließt.

Da nun aber in „It - Chapter 2“ echte Emotionalität fehlt, in all den Gesprächen der angstgebeutelten Erwachsenen nie aufflackert, bleibt nicht viel mehr übrig als eine Fahrt in einer digitalen Geisterbahn. Die allerdings fast drei ermüdende Stunden dauert.

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