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Foto von der Ars Electronica

Christian Stipkovits/FM4

Was Künstliche Intelligenz über den Menschen weiß

Zum 40. Geburtstag gibt sich die Ars Electronica nachdenklich. Künstliche Intelligenz und ihre Bedeutung für die Gesellschaft ist eines der Hauptthemen auf dem Festival

Von Anna Masoner

Es ist 22.22 und nach einem langen Tag auf der Ars voller Ausstellungen, Interviews, Workshops und Konzerten brummt mir der Schädel. Jetzt hätt ich gern diesen Knopf auf den man drückt, ein paar Sekunden wartet und tadaaa, auf dem Bildschirm erscheint der Text, den ich eigentlich schon längst abgeben hätte sollen. Ich bin sicher nicht die erste Reporterin, die sich das auf der Ars denkt. Aber, es ist schließlich 2019 und wir waren noch nie so nahe dran an der Zukunft wie jetzt. Wo ist sie also meine textende KI?

Ich hab sie gesehen, in einer der neuen Ausstellungen im Ars Electronica Center, die sich die Ars zum 40er geleistet hat. „Understanding Artificial Intelligence“ ist so etwas wie ein erlebbares Lexikon technischer Begriffe und konkreter Anwendungen rund um den verwaschenen Begriff AI.

Bedeutung ist schwer zu programmieren

“It´s easy to identify why the Civil War happened, because so many people and so many books and so much television and films tell us that it was the cause, that it has something to do with race or economics or religion.” Das kommt raus, wenn man eine AI beauftragt zu recherchieren um einen halbwegs anspruchsvollen Text über den US-amerikanischen Bürgerkrieg zu verfassen. Er stammt von GPT-2 einer Kreation von OpenAI, einer US-amerikanischen NGO, die zu künstlicher Intelligenz forscht und dafür sorgen will, dass sie zum Wohl der Menschheit eingesetzt wird. GPT-2 kann einfache Texte verstehen, automatisch übersetzen und Inhalte zusammenfassen. „Has something to do with race or economics or religion”. Es ist nicht falsch aber ein brauchbarer Text ist etwas anderes. Also doch nichts mit intelligenten Schreibmaschine.

Artificial Intelligence: Was heißt das eigentlich?

Mit „Understanding Artificial Intelligence“ hat die Ars Electronica sich kein einfaches Ziel gesetzt. Zu vermitteln was maschinelles Lernen, neuronale Netzwerke, Big Data, automatische Muster- und Gesichtserkennung oder autonomes Fahren bedeutet, ist im spielerischen Museumskontext kein leichtes Unterfangen. Im „Machine Learning Studio“ kann man ein selbstfahrendes Spielzeugauto trainieren und Roboter mit Gesichtserkennung programmieren. Und man lernt so zum Beispiel, dass KI nur so gut ist, wie die Daten mit denen sie trainiert wurde. Ist der Datensatz zu klein oder zu schlecht, ist auch der Horizont der KI ein äußerst beschränkter. Eine KI die nur mit Landschaftsbildern gefüttert wurde, sieht überall nur Berge, Seen, Wälder und Himmel auch wenn ein Mensch vor ihr steht.

Hohen Gruselfaktor hat der gesamte Teil über automatische Gesichtserkennung, einem Feld in dem maschinelles Lernen recht gute Resultate liefert und daher schon breit eingesetzt wird. So werden in chinesischen Städten an einigen Kreuzungen die Gesichter von Verkehrssündern an elektronischen Prangern angezeigt. Vom System werden sie automatisch erfasst und teilweise identifiziert. Thematisiert wird in der Ausstellung auch eine merkwürdiger Studie aus Stanford. Ein Gesichtserkennungsprogramm soll angeblich erfolgreich einem Gesicht die sexuelle Orientierung ablesen kann: straight oder gay, mehr Möglichkeiten gibt es für die Maschine gar nicht. Wozu das gut sein soll ist die eine große Frage, ob die Maschine das überhaupt kann die andere. Denn sie versteht ja gar nicht was sie tut. Sie sucht nur nach Mustern in einem riesigen Datenhaufen und kommt dabei oft auf die gleichen Stereotype wie wir Menschen. Als heterosexuelle identifiziert sie geschminkte Frauen. So einfach, so banal.

Maschine mit Vorurteilen

Spannend ist die Arbeit von Joy Buolamwini und Timnit Gebror. Sie decken auf, wie voreingenommen KI auf die Welt losgelassen wird. Frauen mit dunkler Hautfarbe werden wesentlich schlechter von Gesichtserkennungssystemen erkannt als weiße Männer. Das liegt daran, dass solche Systeme lange hauptsächlich nur mit Bildern von weißen Männern trainiert wurden. Inkomplette und fehlerhafte Datensätze sind ein großes Problem in der Künstlichen Intelligenzforschung und eines das ärgerlicherweise oft erst bemerkt wird, nachdem ein System in der Praxis eingesetzt wird.

Digitaler Humanismus

Genau diese Probleme aber auch grundsätzliche Ängste und Erwartungen adressiert die European Plattform for Digital Humanism und das European ARTificial Intelligence Lab, zwei neugegründete Netzwerke von europäischen Kunst und Kulturorganisationen, denen auch die Ars angehört. In Ausstellungen, Performances und Texten sollen Künstlerinnen gemeinsam mit WissenschaftlerInnen neue Positionen entwickeln und nach Alternativen suchen zum „Überwachungskapitalismus“ aus dem Silicon Valley und dem Daten-Totalitarismus aus China. Wie kann man Technik an den menschlichen Bedürfnissen ausrichten und nicht an der Profitmaximierung von Konzernen?

In der Post City zeigt die die rumänische Künstlerin Helena Nikonole eine KI mit der sie Kommunikationsbarrieren überwinden will und zwar die zwischen Menschen und Vögeln. Ihre Software sucht nach Mustern in Vogellauten und versucht eine Grammatik abzuleiten. Irgendwann könnte vielleicht ein Mensch-Vogel-Übersetzer rausschauen. Timm Burkhardt hat Schmuckstücke und Kleidungsstücke mit einem Code ausgestattet, der dafür sorgt, dass das Gesicht der Trägerin sofort verpixelt wird, wenn ihr Foto in Sozialen Mediengepostet wird.

Das Projekt „Women Reclaiming AI“ wehrt sich gegen unsere gar so folgsamen Sprachassistenten mit weiblicher Stimme. Das Kollektiv baut an einem Sprachassistenten das widerspricht, lästige oder überflüssige Aufgaben ablehnt und den User auch mal (zurück)beschimpft.

Emmanuel Golubs neonbunte und stachelige Roboterskulptur „Doing nothing with AI“, macht sich über den Hype um künstliche Intelligenz lustig. Bei genauerem Hinsehen bemerkt man, dass doch etwas gemacht wird. Denn die Skulptur passt ihre Bewegungen an die Hirnströme der Besucher an, sobald die ein Headset aufsetzen. Der Roboter wird ruhiger, sobald der menschliche Geist zur Ruhe kommt. Schön.

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