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Ein Porträt von Natasha Khan

Logan White

Bat For Lashes und ihre „Lost Girls“

Die Britin Natasha Khan mit ihrem bereits fünften Album als Bat For Lashes. „Lost Girls“ ist ein Konzeptalbum, das wie ein Film angelegt ist. Eine Hommage an Los Angeles und die 1980er Jahre.

von Eva Umbauer

Natasha Khan überlegt sich immer etwas Besonderes für ihre Platten. Beim letzten Album ging es um eine Braut, die ihren Ehemann schon verliert noch bevor sie zum Altar tritt. Diesmal geht es Natasha Khan leichter und lebenslustiger an: Eine junge Frau namens Nikki ist besessen von Außerirdischen; sie trifft auf einen Typen, tut sich mit ihm zusammen, um auch nach den außerirdischen Wesen zu suchen, und auch um eine Motorradgang zu verfolgen - eine weibliche, vampirisch und nach Blut lechzend, die eine Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Diese Motorradgang entführt dann aber Nikki...

Bat For Lashes serviert uns mit „Kids In The Dark“ eine Power-Ballade. Wir toupieren uns die Haare hoch, hängen uns ein Sakko mit dicken Schulterpolstern um, träumen vom Sonnenuntergang am Strand von Venice Beach und hören das „Batman Theme“ von Prince oder „Let´s Dance“ von David Bowie. Aber das ist nicht genug: Bat For Lashes lässt uns - wie immer - mit ihrer Musik zum nächtlichen Sternenhimmel schauen. Natasha Khan ist eine Pop-Märchenerzählerin, auch wenn in der 80s-Disco schon mal das Licht ausgeht und wir ein wenig im Dunklen ausharren.

"...sing to me in the dark, sing to me in the dark…" - „Mountains“, Bat For Lashes.

Natasha Khan nennt einen ihrer ersten großen Einflüsse in ihrem Leben die Squash-Turniere, bei denen ihr Vater spielte. Die aufgeregte Stimmung und all die Rituale um das Squash-Spiel begeisterten sie als Kind. Natashas Vater, Rehmat Khan, kommt aus einer pakistanischen Squash-Sport-Familie. Ihre Mutter ist Engländerin, dennoch wurde Natasha in der Schule gemobbt, weil sie eben einen pakistanischen Vater hatte. Das „Exotische“ in ihrer Familie fand später Einbindung in ihre Musik als Bat For Lashes, etwa ein gewisses perkussives „tribal“ Element aus verschiedenen ethnischen Stilen.

Die Songschreiberin Natasha Khan ließ sich nie leicht einordnen mit ihrer gerne theatralischen Musik. Macht sie Folktronica-Songs? Indie-Pop meets Dream-Pop? Barocken Synth-Pop? Sagen wir einfach Bat For Lashes macht Art-Pop. Das ist wie ein großer aufgespannter Schirm, unter dem vieles Platz hat.

Das neue Album von Bat For Lashes greift auf die Kindheit von Natasha Khan in den 80er Jahren zurück. Natasha erinnert sich lebhaft an die Musik von Madonna oder Cyndi Lauper in den 80s, aber auch an Filme dieser Dekade: „The Lost Boys“, „The Goonies“, „Neverending Story“ oder auch „Poltergeist“.

Das Übersinnliche in diesen Movies hat es Natasha Khan vor allem angetan. Aber auch einen Film wie „Jaws“ - über einen weißen Hai - und das Minimalistische daran liebt Natasha Khan. Eigentlich geht sie ja jedes Bat For Lashes Album ein wenig wie einen Film an.

Natasha Khan lebt nun schon seit zweieinhalb Jahren in Los Angeles und ist gerade dabei ihren ersten Feature-Film namens „Lost Girls“ zu realisieren. Es wird noch ein wenig dauern, aber wir haben ja bis dahin von ihr das Album „Lost Girls“, gewissermaßen den Soundtrack zu diesem Film, den es also noch nicht gibt.

Die Multi-Instrumentalistin Natasha Khan - sie spielt Piano und Gitarre, aber auch etwa Schlagzeug und bedient den Synthesizer - veröffentlichte vor dreizehn Jahren ihr erstes Album als Bat For Lashes. Der Name ihres musikalischen Projekts kommt vom Ausdruck „to bat one´s lashes“, was so viel heißt wie „mit den Wimpern klimpern“.

Ihr erstes Album, „Fur And Gold“, erhielt eine Nominierung für den prestigeträchtigen britischen Musikpreis Mercury Music Prize, genauso wie das nächste Album, „Two Suns“, auf dem Natasha Khan mit einem Charakter namens Pearl ein ihr selbst komplett gegensätzliches Alter-Ego präsentierte. Damals war es die Frauenfigur „Pearl“, heute ist es „Nikki“. Aber Nikki ist mehr Natasha als es Pearl war.

Es folgte das dritte Album von Bat For Lashes, „The Haunted Man“, samt dem Piano-Pop-Song Laura, dem Herzstück der Platte.

Nach einem Seitensprung unter dem Namen Sexwitch - einem Projekt zusammen mit den englischen Psychedelic-Indierockern Toy, veröffentlichte Natasha Khan dann das große, traurige, von David Lynch beeinflusste „The Bride“, das bereits vierte Album von Bat For Lashes.

Auf „Lost Girls“ gibt es einen tollen Bass, Synth-Arpeggios - Akkorde, bei denen die Töne nicht gleichzeitig erklingen, sondern kurz nacheinander -, und etwa auch iranische Pop-Beats, dazu Refrains zum Niederknien. Manchmal erinnert Bat For Lashes auf „Lost Girls“ an die US-Musikerin Ruth Radelet und ihre Band Chromatics, und dann wiederum auch einmal an die britische Pop-Gigantin Kate Bush.

„Lost Girls“ ist das bisher lebensfrohste Album von Bat For Lashes. Natasha Khan hat Freude und Spaß. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass nach ihrem letzten Album ihr Plattenvertrag ausgelaufen ist. Natasha Khan aka Bat For Lashes war nun frei - frei zu tun, was immer sie wollte.

Das 80er Jahre Thema von „Lost Girls“ mag letztlich eventuell ein klitzeklein wenig dünn erscheinen - sollte sich Natasha Khan nicht Größeres vornehmen? Ach, nein. Bat For Lashes legt mit ihrem neuesten Werk Hemmungen ab - und das steht ihr gut. Und schließlich darf ein Track wie „Feel For You“ durchaus auch als postmoderne Dekonstruktion der Glorifizierung einer lange vergangenen Dekade betrachtet werden.

„Lost Girls“ von Bat For Lashes ist am 6.9.2019 bei Rough Trade erschienen.

P.S.: Zuletzt gewann Natasha Khan den britischen Ivor Novello Musikpreis für ihren Soundtrack zur englischen Fernsehserie „Requiem“, einem Drama in sechs Teilen, das von der BBC ausgestrahlt wurde.

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