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„Born Slippy“ von Underworld

Karl Hyde von Underworld über das Making Of von „Born Slippy“. Der Track erreichte 1996 als Titelsong des Films „Trainspotting“ Kultstatus und gilt heute als der größte Hit der Rave-Ära.

Von Christian Lehner

Der unangefochtene Champion: Wer sich auf das Nerd-Game der „Best Of“-Listen im Pop einlässt, wird in den Kategorien „Bestes Album“, „beste Stimme“, „beste Gitarre“ etc. zwar immer wieder auf dieselben Namen stoßen, aber nicht auf dieselben Reihungen. Eine Ausnahme ist der 1996 veröffentlichte Track „Born Slippy“ des britischen Musikprojekts Underworld.

Klar, es gab auch andere Stücke, die 11 Glow-Sticks in der 10er-Skala verdienen würden von Acts wie The Prodigy, Future Sound of London, Chemical Brothers, Altern 8 und den heimischen Ilsa Gold, aber kein anderer Rave-Track ballerte so kompromisslos durch die Warehouses, Underground-Clubs und Multifunktionshallen und konnte dabei die Genre-Grenzen so pulverisieren wie „Born Slippy“. Es ist die unangefochtene No. 1 im Rave-Fach.

Hymne der Rave-Ära

In den 1990ern gab es tolle Club-Tracks, die den Crossover schafften. Daft Punk gelang mit „Around The World“ ein Hit „around the world“. Mr. Oizos „Flat Beat“ wurde zum Millionenseller. The Shamen loteten mit „Ebeneezer Goode“ das Pop-Potential von Acid House aus. Während all diese Hits im Spannungsfeld zwischen Club-Innovation und Pop-Konvention funktionierten, gingen Underworld einen Schritt weiter.

Das Phänomen ist größer, als wir es selbst begreifen.

In „Born Slippy“ prallten die Hochs und Tiefs einer ganzen Ära aufeinander. Die Selbstvergessenheit des Tanzes und Rausches, das berühmte „Verliebt sein in Nichts“ und die Katerstimmung danach, die einen wieder in die Realität holte, verschmolzen innerhalb von 04:24 Minuten (Single Version) zum Sinnbild der hedonistischen 1990er Jahre. „Born Slippy“ funktionierte im Bedroom, im Pub, im Club und im Stadion.

Dass in dieser Zeit der vielen bunten Pillen ausgerechnet ein Rave-Track mit Bierantrieb zur Hymne avancierte, ist eine der vielen logischen Seltsamkeiten an „Born Slippy“. Die britische Tageszeitung The Guardian bezeichnete den Tune nicht umsonst als einen der „verrücktesten Charts-Hits aller Zeiten“.

Die anhaltende Strahlkraft von „Born Slippy“ ist – neben dem rastlosen und qualitativ hochwertigen Output von Underworld – mit der Grund, warum die beiden Rave-Veteranen noch immer für große Festivals wie Lollapalooza, Roskilde oder das Sonar gebucht werden.

Filmplakat Trainspotting 1996

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Und das ist noch bei weitem nicht alles, wie ich beim Interview mit Karl Hyde erfuhr. Hyde ist neben Rick Smith die zweite Säule von Underworld. Der mittlerweile 62-Jährige hat die Lyrics geschrieben und gesungen. Von ihm stammt der berühmte Party-Schlachtruf „Lager, Lager!“, der doch ganz anders gemeint war, als es millionenfach angenommen wurde. Doch alles der Reihe nach. Die Geschichte von „Born Slippy“ begann 1995 auf einer Hunderennbahn in der Nähe von London.

Christian Lehner/FM4: Was stand am Anfang von „Born Slippy“?

Karl Hyde: „Born Slippy“ war der Name eines Rennhundes.

Wirklich?

Es gibt diese Rennstrecke in Romford, wo wir früher wohnten. Freunde sagten uns, wir sollten da mal hin. Dort gab es Info-Sheets mit den Namen der Rennhunde. Diese Namen waren wunderschön. Die Hunde hießen „Born Slippy“, „Pearl’s Girl“ oder „Sappy’s Curry“. Wir verwendeten sie als Titel für einige unserer Tracks.

Eigentlich trägt das Stück ja den Titel: „Born Slippy .NUXX” und nicht bloß „Born Slippy“.

Die Extension war ein automatischer Eintrag des Computers. Sobald Rick (Rick Smith, Anm.) beim Abspeichern einen File-Namen für ein Stück eingegeben hatte, tauchte sie auf. Ein Fehler im System. Wir behielten das „.NUXX“ im Titel, weil wir für die A-Seite der Single bereits ein Stück namens „Born Slippy“ hatten. Die beiden Tracks haben sonst nichts miteinander zu tun. Heute erinnert sich kaum jemand an das originale „Born Slippy“.

Wie ist der Track entstanden?

Rick schleppte diesen fantastischen Drum-Groove an. Als ich ihn hörte, wusste ich, da muss meine Stimme ran. Also schlug ich meinen Notizblock auf. Ich fand hastig hingekritzelte Einträge. Die stammten von einer schlimmen Nacht, die ich im West End von London verbrachte.

Was war passiert?

Ich war damals Säufer, ein wirklich schwerer Alkoholiker. In den Nächten taumelte ich durch London und kritzelte Notizen in meinen Block. So sind viele unserer Texte entstanden.

Die Ironie ist doch, dass die berühmte Zeile „Lager, Lager!“ von vielen als Party-Schlachtruf verstanden wurde und wahrscheinlich bis heute noch immer wird.

Die ersten Wochen wurde der Track tatsächlich als Bierhymne herumgereicht. Ich war so zornig, dass wir erstmals einen Songtext veröffentlichten. Ich dachte: „Versteht ihr das nicht!? Das ist ein Hilfeschrei!“ Ich bin damals durch die Hölle gegangen. Aber so funktioniert Popmusik. Man hat das dann nicht mehr unter Kontrolle. Millionen Menschen hatten Spaß und das ist natürlich absolut okay.

Karl Hyde von Underworld in Berlin

Christian Lehner

Karl Hyde von Underworld beim FM4-Interview in Berlin

Wie wurde „Born Slippy“ zum Titeltrack für Dany Boyles Hedonisten Drama „Trainspotting?“

Wir veröffentlichten „Born Slippy“ auf dem Label Junior Boy‘s Own und es wurde unser bis dahin größter Hit. Dany (Dany Boyle, Anm.) rief an und wollte „Born Slippy“ und „Dark Train“ für den Soundtrack und wir sagten Nein …

… ihr habt eure Zustimmung verweigert?

Wir haben 2x Nein gesagt! Bekannte hatten den Roman von Irvin Welsh gelesen und ihn wohl missverstanden. Sie meinten, die Geschichte würde Drogen und Alkohol verherrlichen, doch das Gegenteil war der Fall. Gott sei Dank war Dany so sehr von dem Song überzeugt, dass er es mehrmals bei uns versuchte. Er lud uns schließlich zu einem Screening ein und da wurde schnell klar, wohin die Reise bei „Trainspotting“ geht.

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass „Born Slippy“ DIE Rave-Hymne schlechthin ist, oder siehst du das etwas bescheidener?

Nein, in diesem Fall nicht, das sehen wir genau so!

Die Tageszeitung The Guardian hat den Track einmal als einen der „verrücktesten Chartshits aller Zeiten“ bezeichnet.

Auch hier Zustimmung! Ehrlich, als „Born Slippy“ am Morgen im Radio lief, habe ich abgeschaltet. Zu anstrengend für diese Tageszeit! Ich bin erstaunt, wie viele Menschen den Song noch immer gut finden. Die Freunde meiner Kids lieben ihn. Wir bekommen bis heute sehr viel Fan-Zuspruch und Lizenzanfragen deswegen. Der Track kommt in so vielen verschiedenen Mixes vor, taucht ständig in Best-Of-Listen auf. Das Phänomen ist größer, als wir es selbst begreifen, dabei war „Born Slippy“ nie Nummer 1 in den normalen Charts.

Underworld veröffentlichen am 1. November 2019 ihr neues Album Drift Series One.

Doch, in Italien! Im UK war es die Nummer 2.

Gut für uns, gut für Italien! Es war toll, die Nummer 2 zu sein in England und nicht die Nummer 1. Viele Popmusiker träumen von der Nummer 1, aber es ist viel besser, einen Hit zu haben, der darüber hinausgeht, der das Chartsystem überwindet. Es ist wie bei „Stairway To Heaven“ von Led Zeppelin. Man schreibt so ein Stück nicht mit der Absicht, eine Hymne für die Ewigkeit zu komponieren, weil man das gar nicht kann. Wenn du dir das vornimmst, funktioniert es garantiert nicht. „Born Slippy“ hat eine ähnliche Wirkung. Das Stück überwindet Genres, Generationen und die Zeit. Ich bin sehr, sehr glücklich, daran Anteil gehabt zu haben. So etwas kommt nicht wieder.

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