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Anger

Manuel Hauer

„Wir sind lauter geworden“: Anger zerstückeln ihre Pop-Ideen am Debütalbum „Heart/Break“

Vor gut zwei Jahren haben wir sie als Dreampop-Duo kennengelernt, mittlerweile verzichten Nora Pider und Julian Angerer aufs Hauchen - und schreien lieber. Ihr erstes Album „Heart/Break“ ist gerade erschienen.

Von Lisa Schneider

Mit „Liebe & Wut“ haben Anger letztes Jahr im Frühling den wahrscheinlich besten EP-Titel überhaupt ausgesucht. Nicht nur, weil er ästhetisch ansprechend klingt und aussieht, sondern weil er in zwei Wörtern, in zwei Gegensätzen, ihr Musikprojekt beschreibt.

Anger, das sind Nora Pider und Julian Angerer aus Südtirol. Sie kennen sich, seit sie Teenager sind - leben mittlerweile in Wien und machen gemeinsam Musik. Diese erste EP, diese ersten Songs waren noch ganz davon geprägt, was man neid- und lustvoll betrachten konnte: Eine Liebe im Popzirkus, da, vor uns auf der Bühne, in und zwischen den Zeilen. „Without You“, „Another Love“ oder „Sunday Depression“ heißen die ersten Songs, die Anger bald schon auch am Waves Vienna Festival oder dann auch am Wiener Popfest am Karlsplatz zum Besten geben. Gehauchte, verträumte Stücke, so leicht, dass sie an mancher Stelle unfassbar scheinen. Wovon sie erzählen, ist klar.

LIVE

Anger spielen am 27. 9. im Rahmen des Waves Vienna Festival live im WUK.

Alle weiteren Livetermine findet ihr hier.

Von hilfreichen Grenzen

Nicht nur gesunde zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln sich weiter und definieren ihre Maßstäbe von Zeit zu Zeit neu; auch die Beziehung zwischen Künstler*in und Musik ist wie ein Band, das mal locker sitzt, mal straffgezogen wird. Anger haben nach ihrem Signing bei Phat Penguin (dem Label von Hannes Eder und Benjamin Brüst, auf dem unter anderem auch Felix Kramer vertreten ist) viel live gespielt, nicht nur in Österreich, sondern etwa auch am Sonar Festival in Barcelona. Die Eindrücke waren wichtig, wichtiger sogar, als sie die Band im selben Moment empfunden hat.

Anger

Anger

Dass die ersten Reviews, die hereingeflattert sind, Anger in der Ecke „Dreampop“ eingeordnet haben, war ihrem weich-verwaschenen Sound geschuldet - und in dem Moment nicht einengend, sondern sogar sehr wichtig für die beiden Musiker: „Das Festhalten an einem Genre war anfangs angenehm. Es hat von außen, aber auch von innen eine gewisse Stabilität geboten. Weil wir zu dem Zeitpunkt auch überhaupt erstmal herausfinden mussten, was es für uns heißt, eine Band zu sein.“

Kaum eine Band, die sich mit ihren ersten Songs da platziert, wo sie musikalisch auch fünf Jahre später noch stehen wird; und genau im Sinne dieser Fortentwicklung, der ständigen Bewegung, kann und sollte man auch das erste Album von Anger mit dem Titel „Heart / Break“ betrachten. Es ist soeben erschienen.

Schnee, Berge, Keyboards

Aufgenommen in einem verschneit gelegenen Südtiroler Berghaus mit Blick auf die Dolomiten, verschanzt zwischen Sonnenstrahlen und den letzten Winterstürmen entstehen acht der neuen Songs. Die anderen beiden, „Love“ und „(Find) Someone“ sind noch in Wien geschrieben worden, gemeinsam mit Bilderbuch-Kollaborateur Zebo Adam. Mit diesen beiden Songs halten Anger noch einmal ihre gemeinsamen musikalischen Anfänge hoch, lieben, leben, feiern den verwaschenen Entrückungspop. Danach sollte es zu neuen Ufern aufgehen.

„Baby“ war dann auch schon die erste Überraschungssingle, mit der Anger sich durch seltsam klingende Gitarrenriffs, eine für sie neue englisch-deutsche Sprachmischung und hüpfende Trap-Beats wühlen. Eine Pop-Zerstückelung, die weniger den Song als das Experiment in den Mittelpunkt stellt. Und auch, wenn am einschränkenden Genre-Denken gemeinsam mit Produzenten Jakob Herber kräftig gerüttelt worden ist, manche Zutaten - im besten Fall die besten - bleiben gleich. In diesem, in Angers Fall, wäre das die Liebe.

Das Lied von Liebe und Musik

Inhaltlich sind wir noch immer im verliebten Kosmos Anger, Songs für dich, mich, uns. So auch mit der aktuellen Single „Miami“. Es geht hier nicht um den sehnsuchtsbeladenen Celebrity-Küstenort, sondern um Italo-Feeling. Weiß man um die italienischen bzw. Südtiroler Wurzeln von Nora Pider und Julian Angerer, geht der Knopf auf: „Mi ami, mi ami, ama mi“: Liebe mich, liebe mich. Liebst du mich?

Es gehört schon viel subtile Eleganz dazu, so viel und oft die schönste Sache der Welt zum Thema zu machen, ohne in den Kitsch- oder Nervigkeitsgraben zu fallen. Anger bauen ihre Songs aber nicht wie schnöde Romanzen auf, sondern wie ein kluges Zwiegespräch nicht nur mit dem Partner, sondern vor allem auch mit sich selbst. Der Song „Talk 2 Me“ veranschaulicht das am besten: Die Einschätzung des Gegenüber („You Talk Too Much“) ist gleichzeitig auch immer Selbstreflexion („I Talk Too Much“).

Cover Album "Heart/Break" von Anger

Phat Penguin

Das erste Album von Anger heißt „Heart/Break“ und erscheint via Phat Penguin.

Auf „Heart / Break“ sezieren Anger ihre eigene Geschichte, aber auch die ihrer Band - und die Vorstellung davon, was Pop für sie aktuell bedeutet. Die Songs sind nicht selten skizzenhaft gehalten, geschrien, verrumpelt, verzögert, ausgedehnt und gern mal auch kein pures Hörvergnügen. Hier hört man eine Band, die sucht. Ein Album als „state of the art“, und damit vielleicht das ehrlichste, was man im aktuell schnelllebigsten Releasewahnsinn veröffentlichen kann. Was heute eine gute Idee ist, ist morgen keine mehr; und gleichzeitig war noch nie so viel erlaubt wie unter dem heutigen Popbegriff zusammengefasst werden kann.

Anger probieren, interpretieren und spielen sich auf „Heart/Break“ durch die Musikgeschichte und tun das weiterhin, auch schon für die nachfolgenden, noch neueren Songs. So, wie es aktuell vor allem eine internationale Pop-Lichtgestalt sehr gut macht: The 1975-Frontmann Matty Healy. Und wie sagt er so schön: „Where’s the fun in doing what you’re told?

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