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Szenenbild "the loudest voice"

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„The Loudest Voice“: Der Bully hinter Fox News

Russell Crowe brüllt und stampft mit Halbglatze als Fox News Mastermind Roger Ailes durch „The Loudest Voice“. Die Serie taugt zum Crashkurs über Fox News, scheitert aber an der Thematisierung von Ailes zahlreichen sexuellen Übergriffen.

Von Pia Reiser

Da ist es wieder, dieses Hemd. Blaues Herrenhemd mit weißem Kragen und weißen Manschetten. Wenn eine Figur so ein Hemd trägt, dann hätte man ihr auch gleich ein Schild umhängen können, auf dem „Schweinehund“ steht. Gordon Gecko in „Wall Street“ trägt so ein Hemd, Patrick Bateman in „American Psycho“ hat auch ein paar von denen im Schrank.

Winchester-Hemd heißt das protzerische Ungetüm, der Name geht zurück auf den Industriellen und Waffen-Hersteller Oliver Winchester und der war - und jetzt schließt sich gleich der Kreis - Republikaner. Zu Beginn von „The Loudest Voice“ sehen wir also Russell Crowe als Roger Ailes in der Winchester-Montur. Der Mann, der hier mit größtmöglicher Verachtung auf Bill Clinton starrt, der am Fernsehbildschirm zu sehen ist, war Medienberater von Richard Nixon, Ronald Reagan und George Bush.

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Und er wird einen Fernsehsender aufbauen, der das zunächst ausgerufene Motto „fair and balanced“ schnell sein lässt und zur Propagandamaschine der republikanischen Partei wird. Dieser Sender heißt Fox News und ist Ailes’ Vision von Nachrichten und „Infotainment“ für das konservative Amerika. Fox News soll the loudest voice der USA werden und auch Ailes selbst ist immer die lauteste Stimme im Raum. In zahlreichen Szenen kann Russell Crowe auf den Tisch hauen und seiner Wut Platz verschaffen, bis die künstlichen Backen zittern. Crowe hat es Gary Oldman („Darkest Hour“) und Christian Bale („Vice“) nachgetan und hat sich für die Verkörperung einer realen Person einen künstlichen Bauch umgeschnallt, die Haare zu einer Halbglatze abkleben lassen und verschwindet im Grunde bis zur Unkenntlichkeit in der Rolle.

Ailes ist ein Grobian, ein Bully, das ist selbst für die ZuseherInnen schnell klar, die vielleicht zuvor noch nichts über ihn wussten, an seiner Seite wirkt in „The Loudest Voice“ Rupert Murdoch wie die Ausgeburt an Integrität.

Russell Crowe als Roger Ailes

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Als am 11. September 2001 Menschen aus den Twin Towers springen, sendet Fox News diese Bilder, spätestens dann wird Fox News endgültig die Marketing-Abteilung und das Sprachrohr von Bush und Cheney. Ailes als politischer Strippenzieher und die immer grotesker und boulevardesker werdenden Inhalte von Fox News sind mitunter die spannendsten Aspekte der Serie. Wie der Siegeszug der Plumpheit und Vereinfachung voranschreitet, die Polemik alles niederwalzt.

Als Charakterstudie taugt „The Loudest Voice“ nicht wirklich, weil die Eindimensionalität der Figur ermüdend ist. Trotz Russell Crowes verlässlich gutem Spiel ist Ailes die meiste Zeit näher dran an einem Bond-Bösewicht als an einer realen Figur. Ein Bösewicht, der ganze Creme-Torten in sich reinschaufelt und jeden Tag die amerikanische Flagge vor seinem Haus hisst.

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Naomi Watts als Gretchen Carlson

„The Loudest Voice“ ist seit 16.9. in Österreich via Sky verfügbar.

Die Serie reiht Anekdote um Anekdote über den übergriffigen Mann, der mehrere seiner Mitarbeiterinnen zu sexuellen Handlungen nötigt, aneinander. Es ist eine der ersten Serien, die einen wahren #metoo-Fall verarbeitet. „The Loudest Voice“ schafft es dabei aber nicht, diese Frauenfiguren komplexer zu gestalten, da kommt die Serie über die Verwendung ganz klassischer Opferrollen nicht hinaus. Zumindest nicht, bis Naomi Watts als Fox News Anchor Gretchen Carlson einige große Auftritte hat und ihre öffentlich gemachten Vorwürfe - sie verlor ihren Job, weil sie sich weigerte, Sex mit Ailes zu haben - gegenüber Ailes ihn schließlich zu Fall bringen und er sich als CEO zurückzieht. „The Loudest Voice“ wäre gern eine Prestige-Serie, die sich aber dann auch oft in Vereinfachungen und Ausformulierungen des Offensichtlichen verliert, für einen Emmy für Russell Crowe könnte es trotzdem reichen.

In Filmform kommt die Geschichte dann bald unter der Regie von Jay Roach auf uns zu, mit John Lithgow als Ailes und Nicole Kidman als Gretchen Carlson. Im Trailer zu „Bombshell“ kommt Lithgow gar nicht vor, ich trau mich trotzdem zu wetten, dass wir ihn in dem einen oder anderen Winchester-Hemd zu sehen kriegen.

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