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Admira gegen Rapid

APA/EXPA/THOMAS HAUMER

Blumenaus Fußball-Journal

Und jetzt zur Hochrechnung...

Warum die österreichische Fußball-Saison erst jetzt beginnt; warum alle Prognosen bisher Kaffeesud-Leserei waren, was wirklich zu erwarten ist und inwiefern es sich mit den Previews deckt.

Von Martin Blumenau

Bisher war alles nur Stochern im Nebel. Denn vor dem Transferschluss (der war am 2. September), vor der Auslosung der europäischen Bewerbe und vor Beendigung der ersten Länderspiel-Serie (am 10. September) sind nur grobe Ahnungen möglich. Ich habe auch noch die erste Meisterschafts-Runde danach abgewartet. Alle Saison-Previews, die schon davor gemacht werden (müssen), leiden unter nicht-fakten-basierter Kaffesud-Leserei.

Denn: Erst wenn die finalen Kader feststehen, also klar ist, mit welchem Personal die erste Saisonhälfte bestritten wird (zu Weihnachten, beim nächsten Break wird dann eh wieder alles durcheinandergewirbelt; für 2020 lässt sich also genau gar nichts sagen), ist eine seriöse Prognose denkbar.

Dass ich das trotzdem, hier und hier versucht habe, ist ein alljährlicher Akt der Verzweiflung, vergleichbar mit einem Exit-Poll anstelle einer repräsentativen Wählerbefragung.

Manchmal allerdings gelingt eine vergleichsweise große Übereinstimmung. Das mag Zufall sein, kann aber auch mit einer Ahnung über mögliche Reaktionen der Verantwortlichen auf den (wiederum hochrechnungsmäßig) erwartbaren Start zu tun haben.

Die drei europäisch tätigen Vereine, denen ich in der Vorschau auch wieder die besten Chancen für diese Saison eingeräumt hatte, haben alle Erwartungen erfüllt und zudem auch noch richtig weiter gesteuert, feingetunt. Salzburg hat sich personell geschickt entschlackt und Maxi Wöber heimgeholt, Wolfsberg und vor allem der bereits größeren Belastungen ausgesetzte LASK haben sich (besser: ihre Bank) punktuell verstärkt. Das sieht sehr gut aus.

Auch die drei Großklubs aka Sorgenkinder haben sich wie erwartet verhalten: Nach durchaus problematischen Starts haben Sturm und Rapid den Griff in wenig bekanntes Terrain riskiert und einige Schwachstellen mit Wundertüten-Spielern geschlossen. Die Austria hat sich dem weitgehend verweigert und will Zugriff über interne Umstellungen erlangen. Das gestaltet sich überraschend mühsam, zumal Coach Wolfgang Ilzer einer der unbestritten Besten seiner Zunft ist. Allerdings ist die Austria-Welt manchmal eben ein Buch mit sieben Siegeln. Ich empfehle dieses aktuelle Podcast mit Sportchef Peter Stöger und vor allem die Stelle, wo er das Vorhandensein einer Spiel-Philosophie wegreden will und dann mit der Festlegung im Austria-Leitbild gebremst wird. Auch Sturm Graz hat sich ein neues, gut klingendes Leitbild verpasst, das allerdings auch auf Kritik stößt.

Zumindest einer der drei wird wieder große Schwierigkeiten haben unter die Top 6 zu kommen.

In der unteren Hälfte lauern ein paar Teams auf diesen frei werdenden Slot: Hartberg wird, wie bereits mehrfach erwähnt, definitiv nicht absteigen, zu reibungslos wird dort gearbeitet. Altach hat sich aus der anfänglichen Erstarrung gegen überlegene Gegner gelöst und macht ebenso seine Punkte wie der Aufsteiger aus Wattens, der sich, LASK-like, nur ganz mühsam bespielen lässt.

Bei zwei Teams liegen die Nerven bereits blank: Die Admira hat den Coach gewechselt, bei Mattersburg wird schon geredet, dazu kommen die Vorwürfe von Sanel Kuljic in Richtung Spiel-Manipulation. Der dritte potenzielle Absteiger im Bunde, St.Pölten hält derweil die Füße still - was mit dem sommerlichen (durchaus selbstverschuldeten) Transfer-Verbot zu tun hat, dessen Konsequenzen man jetzt schwerlich dem neuen Coach umhängen kann. Eine solche Ruhe kann Kraft bringen - zudem ist ein winterliches Aufrüsten zu erwarten.

Das Problem der aktuell klar letzten Admira ist übrigens nicht der (mittlerweile geschasste) Trainer oder die Mannschaft, sondern die unklare Ausrichtung des Vereins. Vor mehr als zwei Jahren ritt der Würzburger Flyeralarm in der Südstadt ein, um ein Imperium nach Red Bull-Vorbild zu installieren; was bei der berühmt guten Admira-Akademie (die U18 unterbrach einmal sogar die Dauerherrschaft der Salzburger im Junioren-Bereich und spielte Youth League) auch tatsächlich Sinn macht. Zwischenzeitlich ist seit dem Tausch von Tormann Siebenhandl (der dann in Würzburg keine Einsatzzeit bekam) nichts zu merken. Kein einziger Admira-Junior wurde zum aktuellen deutschen Drittligisten transferiert, kein einziger Würzburger landete in Maria Enzersdorf. Es wurden ausschließlich ablösefreie oder ganz billige Spieler geholt, also nichts investiert, dafür wurde mit Monschein, Knasmüllner, Pippo Schmidt, Kalajdzic und anderen ein Gewinn von etwa 5 Millionen gemacht. Es geht also mehr um die Transfererlöse als um verbesserte Spielpraxis für Talente - denn vom ursprünglichen Plan ist nichts mehr übergeblieben.

Die Würzburger Kickers stecken nach ihrem 2017er Abstieg aus der zweiten Bundesliga aktuell im Abstiegskampf in Liga 3. Wenn das schiefgeht, ist diese für die Admira bislang seltsam unprofitable Partnerschaft dann wohl beendet. Auch wenn die Südstädter die Klasse halten sollten; was sie vielleicht eh gar nicht sollen.

Die Nationalmannschaft schließlich hat mit zwei seriösen Auftritten den Grundstein für die EM-Quali gelegt. Letztlich ist nur noch ein Heimsieg gegen Israel und ein Remis in Slowenien nötig, dann ergibt sich der Rest von selber. Und das sollte klappen, sofern man den Weg über die Nations League Playoffs vermeiden will.

Arnautovic hat trotz chinesischer Neuausrichtung noch den englischen Geist drinnen und auch die Hinteregger-Affäre wird kurzfristig keinen Schaden anrichten. Dazu ist das Salzburger Backbone zu stark: Lainer, Ulmer, Laimer, Sabitzer, Lazaro sind die neuen Stabilisatoren, selbst wenn Alaba ausfallen sollte. Coach Foda hat zwei Systeme eingelernt und obwohl er sich weiterhin nicht imstande zeigt auf Veränderungen des Gegners (wie im Polen-Spiel, zweite Halbzeit) zu reagieren, sollte das genügen. Mit einer befriedigenden Leistung, um in der Schulsprache zu bleiben.

Die neuen Salzburger haben in ihrer Champions League ebenso wenig zu verlieren wie der LASK oder der WAC in der Euro League. Jeder Punktegewinn darf mit einem Jubelchor begrüßt werden, eine bessere Ausgangslage gibt es nicht - weshalb auch der Einfluss auf die Meisterschaft (Doppelbelastung) keiner sein wird. Im Winter werden die Karten dann in jeder Hinsicht wieder neu gemischt werden.

Zuletzt in Blumenaus Fußball-Journal: Martin Hintereggers bsoffene Gschicht und was sie über Fußball und Politik in Österreich erzählt. Warum Norwich City den tollsten Fußball unserer Tage spielt.

Davor: Der ÖFB, sein kinoloser Kinospots und sein Rückzug in den Speckgürtel. Zuvor die Nachbetrachtung zum Mazedonien-Ausflug des ÖFB-Teams sowie Preview und Nachlese zum Slowenien-Länderspiel. Außerdem: alles zur systematischen Analyse-Verweigerung nach der U21-EM.

Zum LIga-Fußball: Von wegen „Männersport“ - der Wiener Profi-Fußball im Mimimi-Modus; Die zum Politikum verkommenen Rapids Präsidentenwahl. Die sportliche Analyse der neuen Liga-Saison - Teil 1 und Teil 2. Und ein Text zum wurschtigen Soft Start der Bundesliga. Die heimische Liga als Versuchs-Labor sowie eine Analyse der geschlossenen Gesellschaften im Fußball Closed Shop. Und eine Analyse der Position der Chef-Coaches & die Bilanz der letzten Saison.


Das sind die Vorgängertexte, egal ob als #dailyblumenau auf der neuen oder der alten Website, oder im langjährigen Journal. Regelmäßiges zu diesen Themenfeldern abseits des Fußballs folgt im Herbst.

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