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Szene aus "Rambo 5: Last Blood"

Universum Film GmbH/ Metropolitan FilmExport

„Rambo 5: Last Blood“: Spüre meinen Zorn! Fühle meinen Schmerz!

John Rambo, ergrauter Musterschüler der Selbstjustiz, nimmt in „Rambo 5: Last Blood“ ein Blutbad.

Von Natalie Brunner

Da man im Jahr 2019 im Film nicht mehr so leicht zum Metzeln ins Ausland losziehen kann, hat unser von Staat und demokratischen Grundprinzipien enttäuschter Held einen neuen Feind bekommen. Einen Feind, den niemand unter keinen Umständen auch nur ein Fünkchen Menschlichkeit zugestehen kann. Denn sie haben es einfach nicht verdient, die mexikanischen Narcos, die, um den Kokainbedarf in den USA und Europa zu decken, ihre Heimat in ein Kriegsgebiet verwandelt haben. John Rambo beginnt das an dem Punkt zu stören, als die Tochter seiner Haushälterin, die einzige Familie, die er jemals kannte, im geografisch nicht näher spezifizierten Sumpf südlich der Grenze verschwindet.

John Rambo muss in „Last Blood“ unter unglaublichen Schmerzen psychischer Natur, die körperlichen waren ihm immer schon wurscht, am eigenen Leib und Geist erfahren, was ein realer Verfechter von Selbstjustiz, US-Präsident Donald Trump, immer predigt: „Südlich der Grenze, da gibt es kein Gesetz.“

In „Last Blood“ vergewaltigen mexikanische Polizisten mit großer Freude holde Jungfern aus ihrer eigenen Nachbarschaft, die ihnen vom Kartell als Bonus für die gute Zusammenarbeit in unterirdischen Verliesen dargeboten werden. Der Filmlogik nach in Mexiko business as usual, wäre da nicht die, von Rambo persönlich großgezogene US-amerikanische Jungfer darunter, die auf der Suche nach ihrem Vater von einer alten Freundin ans Kartell verkauft worden ist.

Szene aus "Rambo 5: Last Blood"

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Schlimme Geschichte, aber sind es im Moment nicht statistisch viel mehr lateinamerikanische Familien, die ihre in amerikanischen Lagern verschwundenen Kinder suchen? Das ist nicht Rambos Problem. Der steigt nämlich einmal aufs Gas seines SUV und schon fliegt der Grenzzaun meterhoch durch die Luft. Kurz nach dem Eintreffen von Rambo im namenlosen, mexikanisch urbanen Sündenpfuhl kommt zum ersten Mal der heimliche Hauptdarsteller der Rambo-Serie zum Einsatz: das in meiner Volksschulzeit von meinen Mitschüler*innen kultisch fetischisierte Rambo-Messer.

Das Rambo-Messer

Meiner Erinnerung nach gab es in den letzten zwei Jahren meiner Volksschulzeit nur ein Thema: das Rambo-Messer. Wer hat eines, wer bekommt eines zum Geburtstag und wer hat schlussendlich das größte? Ich kann mich nicht erinnern, ob ich in der Schule tatsächlich jemals eines gesehen habe, aber definitiv wurden sie bei Jahrmärkten und Volksfesten der Stirnband tragenden Jugend dargeboten. Der erste Volksschulfreund eines mir namentlich bekannten und über jeden Zweifel erhabenen Mitglieds der FM4 Filmredaktion, war Besitzer eines solchen Messers, das ihren Angaben nach sowohl Sozialprestige des Besitzers als auch Beziehungsanreiz gesteigert hat, und den Rückschluss zulässt, dass es Eltern gegeben hat, die es nicht bedenklich fanden, wenn ihre Sprösslinge etwas überdimensionierte Jausenmesser in den Unterricht mitnahmen.

Szene aus "Rambo 5: Last Blood"

Universum Film GmbH/ Metropolitan FilmExport

Neben diesem Signature-Werkzeug des Selbstjustizlers kommt in „Last Blood“ auch alles andere wieder zum Einsatz, was Rambo in den schmutzigen Kriegen gelernt hat.

Der amerikanische Staat, mexikanische Institutionen, internationale Diplomatie und die Menschlichkeit mögen am Ende sein, aber nicht John Rambo. Seine Kreativität, Waffen und Fallen aus Heugabeln und was sonst noch so auf einem Bauernhof herumliegt, zu basteln, ist einzigartig. Kommt mir bitte jetzt nicht mit MacGyver, der mit einer Schraubenmutter eine Kernschmelze verhindern will oder ähnlichem altruistischen Firlefanz. Rambo will zerstören. Er will menschliche Körper zerfetzten - mit allem, was herumliegt und im Notfall mit bloßen Händen. Das tut er auch zweimal in „Last Blood“.

„Ich will keine Verhältnisse ändern, ich will nur Rache.“

In einem Furor, der seinesgleichen sucht, schickt Rambo in einem infernalischen Ballett der Vernichtung eine ganze Söldnerarmee mit Heugabeln, Nagelbrettern, Sprenggerätschaften, die er sich alle mit im Baumarkt gekauften Farmerutensilien selbst bastelt, zu den Klängen der Doors ins Jenseits. Und wenn er einen nach Meteoriten-Einschlag aussehenden Krater in die Wüste von Arizona sprengen muss, er tut es. Soll ruhig auch die Landschaft seinen Schmerz fühlen.

Szene aus "Rambo 5: Last Blood"

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Fehlende Logik des Drehbuchs

So bombastisch Rambos Sinn für Zerstörung auch ausgeprägt sein mag, seine strategischen Fähigkeiten oder besser die Logik des Drehbuchs ist kein Feuerwerk.

Aber was soll’s, die zwei „R“ - Rambo und Rationalität - haben noch nie zusammengepasst. Ein kleines Beispiel gefällig? Was macht Held, wenn es einer ihm nahestehenden Person im Ausland gesundheitlich aufgrund unfreiwilligen intravenösen Substanzenkonsums nicht wohl ergeht? Einen Arzt konsultieren? Ein Krankenhaus aufsuchen? Ihr ein Glas Wasser und Traubenzucker zur Kreislaufstärkung zuführen? Nix da, rein in den Truck, mit Karacho querfeldein durch die Wüste in Richtung Arizona. Weil kämpfen tut man woanders und gestorben wird am besten immer noch zu Hause.

Das Lachen und amüsierte Glucksen, das bei „Rambo 5: Last Blood“ durch den Kinosaal hallt, ist kein Lachen über das Böse in dieser Welt, sondern es ist ein Lachen über die medialen Reflexe der Schematisierung und Vereinfachung, bis nur noch Logik und Inhaltsfetzen herumhängen so wie einst die Reste seines T-Shirts an Stallones muskulös geschwollenem Oberkörper. Besonders viel wird in der Vorstellung, die ich besucht habe, bei Rambos kargen Wortspenden gelacht. Sie erscheinen mir sehr nahe an dem, was der leider nicht wortkarge Trump tweetet, und darüber darf und kann man eigentlich nicht lachen. Insofern hat das Lachen über und besonders mit Rambo nichts Befreiendes.

Szene aus "Rambo 5: Last Blood"

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Wir werden sehen, ob auch „Last Blood“-Dialoge wie Rambo: „Spüre meinen Zorn!"
Narco: "Fick dich, fick deine Mutter und deine Hure auch.“
in das zukünftige diplomatische Kommunikationsrepertoire des amtierenden US-Präsidenten finden werden.

Auch über Trumps Lieblingsmauer wird einiges preisgegeben: Wie in eine Tiefgarage fahren die Narcos unter der Wall hindurch, um direkt in einem Lagerhaus aufzutauchen, in dem die Fahrzeuge und sonstige Accessoires für den US-Einsatz lagern.

Wracks leben länger

Rambo war nie ein Hurra-Patriot. Er war immer schon eine gespaltene und gebrochene Figur. Ein weißer Mann, der für sein Land alles gegeben hat und um die Privilegien gebracht wurde, die ihm seiner Meinung nach zustehen.

Rambo ist 1982 ein enttäuschter Veteran, der zum wandelnden Kriegszustand wird, weil er es nicht ertragen kann, dass da Menschen, die nichts vom Krieg wissen, gegen Männer wie ihn demonstrieren und ihn ein Kleinstadt-Sheriff wegen Landstreicherei verhaftet.

2019 ist Rambo Pferdezüchter und Einsiedler, der es nicht schafft, seine
Wahltochter, also das Kind seiner Haushälterin, das er aufwachsen sieht und von dem er heute der Erziehungsberechigte ist, vor den Narcos zu schützen, die laut des, von Stallone mitverfassten, Skripts, jenseits der zivilisatorischen Demarkationslinie, der Grenze zu Mexiko, lauern.

Szene aus "Rambo 5: Last Blood"

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Politische Parallelen?

Der Zornige, der Enttäuschte, derjenige, der die ganz Scheiße wegwischen will, aber keine Idee hat, was danach kommen soll und sich auch nicht zuständig fühlt, begegnet uns dieser Tage nicht nur in Genreproduktionen, sondern auch am internationalen politischen Parkett.

Staatschefs, die mit nacktem Oberkörper auf Bären reiten, Obdachlose als Kakerlaken bezeichnen, Instantpolizeihinrichtungen für kriminelle fordern, Gewaltentrennung als lähmende Bürokratie bezeichnen und vorgeben, gegen ein System zu sein, an dessen Spitze sie eigentlich stehen, scheinen an einer Inszenierung in der Ästhetik Rambos Gefallen zu finden. Man denke an die Choreografien, die Brasiliens amtierender Präsident mit einer unsichtbaren M60 bei Wahlkampfveranstaltungen aufgeführt hat, wenn er auf seine politischen Gegner*innen oder Linke ganz allgemein zu sprechen kam; Bolsonaro hat Rambo II oft gesehen.

Stallone selbst engagiert sich hingegen für strengere Waffengesetze in den USA und ein Totalverbot von Schnellfeuerwaffen.

"Rambo 5: Last Blood“ ist ein zweischneidiger Spaß, der die Rambo-Messer-Konjunktur in Volksschulen wieder ordentlich in die Höhe schnalzen lassen wird. Und auch ich profitiere von dem Release, indem ich mein Repertoire der nicht strafrechtlich verfolgbaren Drohungen erweitern kann. Ihr wollt nicht wissen, wie finster es im Herzen einer Frau sein kann.

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