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Jesper Juul, der Ludologe

Was ist ein Spiel? Warum spielen wir, obwohl wir oft scheitern? Was bedeutet Fairness? – Das sind nur ein paar der vermeintlich simplen Fragen, die der Spieleforscher Jesper Juul tiefgründig und facettenreich beantwortet. Sein neues Buch beschäftigt sich mit der Indiegames-Bewegung.

Von Robert Glashüttner

Als ich Anfang der 2000er Jahre zu studieren und als Redakteur und Journalist begonnen habe zu arbeiten, war schnell der Wunsch da, Videospiele nicht nur zu analysieren und kritisieren, sondern allgemein ihrem Wesen auf den Grund zu gehen. Dass es bereits ein Forschungsfeld wie Gamestudies gab, war mir damals noch nicht bewusst - was aber auch kein Wunder war, weil sich dieses erst in den späten 90er Jahren begonnen hat, zu formen.

Einer der ersten Forscher*innen dieses neuen, interdisziplinären Feldes war ein junger dänischer Akademiker namens Jesper Juul - im Gegensatz zum gleichnamigen (kürzlich verstorbenen) Familientherapeuten ein erst mal völlig unbeschriebenes Blatt. Juul, der Spieleforscher, hat dänische Literatur studiert und ist danach recht bald in den ersten großen Konflikt der Gamestudies eingestiegen. Die Grundfrage dabei lautete: Zählen in digitalen Spielen eher die Regeln oder das Narrativ, also Setting, Story und Figuren?

Jesper Juul, der Spieleforscher

Jesper Juul

Jesper Juul war - seine selbst gewählte Bezeichnung legt es nahe - erst mal eindeutig auf der Seite der Ludolog*innen. Das Axiom war: Ein Game mit schlechter Story kann immer noch gut sein. Aber ein Spiel mit toller Story und schlechter Mechanik ist immer ein schlechtes Spiel. Darüber hinaus ging es in seinen früheren Publikationen auch viel darum, das Auftreten verschiedener Spieleformen zu strukturieren sowie auftretende Paradoxa aufzulösen. Heute sieht er das wesentlich lockerer: „Art forms and culture aren’t logical“, antwortet er mir im FM4-Interview auf die Frage, wie er auf seine Arbeit der letzten 20 Jahre zurückblickt.

Die einfachen Fragen stellen

Jesper Juul zäumt das (wissenschaftliche) Pferd stets von hinten auf, und das war es immer schon, was mich an seiner Arbeit fasziniert hat. „Academics like to start with a complex theory and its history and end with the example. And I just flip it around: You start with the example and then go through the theory.“

Juul zu lesen ist inspirierend und auch ohne spezielles Vorwissen möglich - sowohl, was Games und Spielkultur betrifft, als auch wissenschaftliche Forschung an sich. Das hat dem Dänen natürlich auch immer wieder Kritik eingebracht. Der Hauptvorwurf lautet, dass ja wohl alles nicht so simpel sein könne - ein Grundkonflikt innerhalb wissenschaftlicher Communities, wo es manche Forscher*innen schaffen, Dinge auch für Laien gut auf den Punkt zu bringen und andere sie oder ihn anschließend für seine vermeintliche Oberflächlichkeit kritisieren.

Der Popularität und Treffsicherheit der Bücher von Jesper Juul über Regeln („Half-Real“, 2005), Casual Games („A Casual Revolution“, 2010) und Scheitern in Games („The Art of Failure“, 2013) hat das freilich keinen Abbruch getan.

Bücher von Jesper Juul, dem Spieleeforscher

Robert Glashüttner

Jesper Juul stellt 20 Jahre nach seiner Diplomarbeit „A Clash Between Game and Narrative“ immer wieder die vermeintlich einfachen Fragen und geht ihnen aus unterschiedlichen Perspektiven eindringlich auf den Grund. Was ist ein Spiel? Warum spielen wir sie, obwohl wir oft scheitern? Was bedeutet Scheitern? Was ist ein einfaches, was ein faires Spiel?

Handmade Pixels

Das neu erschienene Buch des Game-Forschers beschäftigt sich mit dem Indiegame-Movement, das laut Juul seit rund 20 Jahren am Laufen ist und für ihn grob in drei Phasen eingeteilt werden kann: jene der Unabhängigkeit von großen Verlagen, jene der unabhängigen Distribution und jene der politischen Inhalte.

Jesper Juul spricht am Donnerstag (19.9.) ab 19 Uhr über sein neues Buch, im Rahmen der Games-Initiative SUBOTRON im Wiener Museumsquarter. Der Eintritt ist frei.

Indiegames wären demnach quasi gleich alt wie die crossdisziplinären Gamestudies, und das ist möglicherweise kein Zufall. Dem Wunsch, sich dem Spielen als Kulturtechnik in humanistisch geprägten Forschungsmethoden zu nähern, betrifft und interessiert Geisteswissenschafter*innen (und Journalist*innen) ebenso wie Spieleentwickler*innen. Außerdem ist es immer wieder reizvoll, die einfachen Fragen mit anderen Blickwinkeln und zu anderen Zeiten stets aufs Neue zu stellen und zu beantworten.

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