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Szene aus dem Film "Ad Astra"

20th Century Fox

FILM

„Ad Astra“: Brad Pitt allein im All

Sci-Fi-Kino der anderen Art: In seinem neuen Film erzählt Regisseur James Gray von einer existentialistischen Weltraum-Mission.

Von Christian Fuchs

Zugegeben, Blockbuster-Besuche in weit entfernten Galaxien, die von außerirdischen Teddybären und Rittern mit Laserschwertern bevölkert sind, können Spaß machen. Wirklich visionäre Weltraum-Reisen sehen aber anders aus. So richtig spannend wird es punkto Science-Fiction nämlich erst oft, wenn ambitionierte Autorenfilmer das Genre aufgreifen.

Inspiriert von monolithischen Klassikern wie „2001“ von Stanley Kubrick oder „Solaris“ von Andrei Tarkovsky wagen sich immer wieder Regisseure mit künstlerischen Ideen ins All. Mit „High Life“ versuchte sich zuletzt gar die französische Arthouse-Grande-Dame Claire Denis an einem radikalen Raumfahrts-Epos. Christopher Nolans „Interstellar“ oder Alfonso Cuaróns „Gravity“ wirken im Vergleich schon entschieden bombastischer. Dennoch spürt man auch darin die Bemühung um erwachsene Geschichten und existentielle Emotionen.

Szene aus dem Film "Ad Astra"

20th Century Fox

Zeitlupenhafte Grundstimmung

Irgendwo zwischen diesen genannten Beispielen liegt der neue Film des amerikanischen Genre-Experimentators James Gray. Auch der New Yorker Regisseur („The Lost City of Z“) verbeugt sich vor den meditativen Meilensteinen von Kubrick und Tarkovsky. „Ad Astra“ bietet aber doch auch einige spektakuläre Action-Schauwerte, die die zeitlupenhafte Grundstimmung brechen.

Dabei geht es, zwischen packend inszenierten Verfolgungsjagden auf dem Mond und gruseligen Überraschungen an Bord fremder Raumschiffe, um ein zutiefst introspektives Thema. Bereits „First Man“, Damien Chazelles grandioses Biopic von Neil Armstrong, zeigte einen Mann auf der Flucht vor sich selbst. Der ikonische Nasa-Held verdrängte draußen in der unendlichen Leere auch seine irdischen Probleme. „Ad Astra“ schließt hier nahtlos an.

Brad Pitt spielt in einer nahen Zukunft einen Astronauten, der die Isolation des Alls der Erde vorzieht. Mutig in seinem Job, will Major McBride sich mit seinen Gefühlen nicht konfrontieren, vor allem was die Beziehung zu seiner Frau (Liv Tyler) betrifft. Die selbst gewählte Abgeschiedenheit wird aber nicht nur durch einen fatalen Unfall gestört, den McBride nur mit Glück überlebt. Er bekommt auch einen dringlichen Auftrag, der ihn an innere und äußere Grenzen führt.

Szene aus dem Film "Ad Astra"

20th Century Fox

Therapiesitzung im Weltraum

Irgendwo da draußen in der Nachtschwärze des Weltraums lebt anscheinend sein Vater. Der alte Astronaut Clifford McBride, dem Tommy Lee Jones sein zerfurchtes Antlitz leiht, ist einst spurlos vom Radar verschwunden. Jetzt gibt es aber Anzeichen, dass der pessimistische Pilot in der Nähe des Neptuns zu finden ist - und Auslöser gefährlicher Energiewellen sein könnte, die die Erde gefährden.

McBride Junior macht sich auf eine Reise in die Unendlichkeit - und zurück in die Traumata der eigenen Kindheit. Je näher der Astronaut der Vaterfigur kommt, die ihn einst so ablehnend behandelte, desto mehr verwandelt sich der Film zu einer Therapiesitzung im All. Lange Off-Monologe, untermalt von den Gänsehaut-Klängen des Soundästhetikers Max Richter, präsentieren den Protagonisten als lonely cowboy in outer space. Eine Antihelden-Figur, die sich aus Verlustangst hinter einem Gefühlspanzer abschottet.

Szene aus dem Film "Ad Astra"

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Kleine Geschichte, großer Star

Wer bei diesem Stoff Terrence Malick assoziert oder an die Struktur von „Apocalypse Now“ denkt, einer anderen Reise ins Herz der Finsternis, liegt nicht falsch. Aber auch typische Indie-Familiendramen kommen einem in den Sinn. Tatsächlich geht es in „Ad Astra“ im Grunde um eine ganz kleine Geschichte, die durch die stylishen Sci-Fi-Bilder des Ausnahmekameramanns Hoyte Van Hoytema aufgeblasen wird. Eine überzogene Erwartungshaltung in Richtung „Interstellar“ oder „Arrival“, mit den dazugehörigen Twists, könnte eventuell zu Enttäuschungen führen.

Groß darin ist neben der finalen Botschaft des Films aber vor allem der Hauptdarsteller, der das Geschehen gänzlich dominiert. 2019 scheint das Jahr von Brad Pitt zu sein, eben brillierte er noch als raubeiniger Stuntman bei Tarantino, jetzt bringt er den orientierungslosen Astronauten auf den Punkt. Kein männlicher Star seiner (Hollywood-) Generation fungiert so überzeugend als Bindeglied zwischen Kunst und Kommerz - und besticht mit Genrekino-Charisma im Arthouse-Umfeld.

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