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Albumcover Jpeg Mafia

JPEG MAFIA

JPEGMAFIA: All my heroes are cornballs

Das neue Album von JPEGMAFIA „All my heroes are cornballs“ vereint verschiedenste Stimmen und Sichtweisen und zeichnet ein Bild einer rassistischen US-amerikanischen Realität.

Von Natalie Brunner

Die Alben und Texte von JPEGMAFIA, dem am häufigsten von Barrington DeVaughn Hendricks verwendeten Alias, sind kraftvoll auf den Punkt. Einmal wie Finger, die in einer Wunde bohren, ein anders Mal wie Finger, die genau auf den schmerzenden Punkt Druck ausüben und so einen Krampf lösen, den Druck entladen und lindern.

Albumcover Jpeg Mafia

JPEG MAFIA

Die Produktionen auf „All my heroes are cornballs“ sind Kollagen aus noisigen Beats und Samples, die aus dem hässlichen Lärm der medialen Realitätsfabrikation destilliert wurden. Es ist Klang und Sprache gewordener Müll, der in Nachrichtensendungen, Talkshows und Politiker*inneninterviews aus dem Fernsehen quillt. Samples aus Computerspielen und Drop Ins von Freund*innen und Kolleg*innen blasen die Tracks zu bedeutungsschweren semiotischen Monstern auf.

Bild einer Nation

Die hässliche Fratze einer rassistischen US-amerikanischen Realität begegnet uns in vielen Formen und mit vielen Stimmen in den Kollagen von JPEGMAFIA. Er zeichnet ein Bild einer Nation, die unter dem patriotischen, nationalistischen und rassistischen Parolen-Gebrüll schon längst kollabiert ist. Eine Gesellschaft, die an Armut und Überkonsum zugrunde gegangen ist, keiner kann genau sagen wann.

Das alles klingt so schwer und finster wie es ist, und würde nicht für JPEGMAFIA begeistern, wenn er nicht auch einen großartig bösartigen, entlarvend destruktiven und anarchistischen Humor hätte.

Die Stimme, die in JPEGMAFIA Songs zu uns spricht, ist nie derselbe Charakter. Nihilistischer Bösewicht, Hoodhero, TV- Talkinhead, Doomsday Prepper und viele andere sprechen in seinen Werken. Am umstrittensten sind die Nummern auf denen es um Polizeigewalt geht. „I Just Killed a Cop Now I’m Horny“ oder „Cops are the Target“ zum Beispiel. Die Sprache, die er in diesen Nummern verwendet, ist eins zu eins aus veröffentlichten Emails und Chatprotokollen der Polizei übernommen. JPEGMAFIA hat das N-Wort und andere rassistische Schimpfwörter durch Cops ersetzt.

Der Veteran

Auch gibt es auf JPEG Tracks Shout Outs an Micah Johnson, einen Veteran, der bei einer Demonstration gegen Polizeigewalt an Afroamerikanern fünf Polizisten erschossen hat.

Der Veteran ist eine wichtige Figur in JPEGMAFIAS Repertoir der Sprechenden. Barrington DeVaughn Hendricks ist selbst Veteran und war unter anderen im Irak stationiert. Das was er an Zwischenmenschlichem unter den Soldaten erlebt hat, hat seinen Ekel vor Menschen in institutionellen Gefügen, die vorgeben einen von moralischer Verpflichtung und Selbstverantwortung zu entbinden, noch verstärkt. Veteran ist der Name seines 2018 erschienen Albums, am Cover ist sein Führerschein der ihn als Veteran ausweißt. Etwas das rassistische Polizisten bei Kontrollen völlig aus dem Konzept bringt.

Irritation, die Rassismus thematisiert

Auch international funktioniert die, Rassismus thematisierende, Irritationstaktik, den Ausweis zum Albumcover bzw. zum Aufdruck am Band T-Shirt zu machen. Ich, Besitzerin eines JPEGMAFIA Veteran T-Shirts, bin nicht nur einmal gefragt worden, ob das ein Fahndungsfoto auf meinem Shirt ist. Das hat mich doppelt schockiert. Schließt mein Gegenüber bei einem kleinen Ausweisfoto eines schwarzen Mannes sofort, das muss ein Fahndungsfoto sein? Und was glaubt die Person, was ich für ein Mensch bin, der mit Fahndungsfotos von schwarzen Menschen am T-Shirt herumrennt? Und dann Schock Nummer drei: Es ist gar nicht so unüblich, wenn man bedenkt, wieviele derartige N.W.A T-Shirts im Sneakersupermarkt im Einkaufszentrum von Mistelbach/Oberwart/Villach usw. verkauft worden sind? Alles Scheiße mit der kulturelle Aneignung von Hip Hop, danke PEGGY für soviel sich in Produkten manifestierender Klugheit und Dissidenz.

Und um noch kurz bei Band-Shirts zu bleiben: Selbst als Besitzerin eines Meat is Murder T-Shirts muss ich sowohl bei Titel als auch bei der Nummer „I Cannot Fucking Wait Until Morrissey Dies“ lachen.

„All my heroes are cornballs“

2018/19 war JPEGMAFIA mit „Veteran“ auf der, einen weiteren Jubelschrei aufgrund des Namens verdienenden, „Reverse Christopher Columbus Tour“ unterwegs. Während dieser Tour, direkt im Anschluss an „Veteran“ ist das neue Album „All my heroes are cornballs“ entstanden, mit dem JPEGMAFIA im Begriff ist, alles einzureißen. Dieses Wochenende ist das Album in JPEGMAFIAS Wahlheimat Baltimore der Welt vorgestellt worden.

Kollege Trischler hat JPEG auf der Columbus Tour gesehen und war von dem, mit seiner Stimme Mikros zerstörenden, Performer so angetan, dass er das Album gar nicht hören will - nur Live-Performances. Und auch die Washington Post ist salbungsvoll: „Bei aller Gewalt in seinen Texten, Musik und Auftritt, ist da Katharsis und sogar Zuneigung. JPEGMAFIA ist ein Vereiner, kein Teiler, jemand der Menschen von Rasse, Geschlecht oder Sexualität zusammenbringt.“

Let the kids crown me king for this art

„All my heroes are cornballs“ ist ein enormes Universum von popkulturellen und politischen Referenzen, die von JPEGMAFIA zu neuen Sinn-Blöcken zusammengebaut werden. Hin und wieder tauchen auf dem Album Verweise an „Batman - The Dark Knight Rises" von Christopher Nolan auf, und an den von Tom Hardy gespielten Superbösewicht Bane, der eine Maske trägt, die ihn ständig mit Drogen versorgt weil er sonst den Schmerz nicht ertragen könnte. Bane taucht bei JPEG im zweiten Teil von “Rap Grow Old and Die x No Child Left Behind“ auf, wo es darum geht, dem Schmerz Herr zu werden, to master the pain.

PEGGY, das einen weiblichen Namen tragende Alter Ego, taucht auf „All my heroes are cornballs“ öfters auf und auch sind vermehrt Teile von Songs aus einer weiblichen Perspektive geschrien und gerappt. Daher auch das gehäufte Auftauchen von Wörtern mit denen Frauen Gewalt angetan wird wie Slut ect.

Sowohl zum nebenbei Hören, als auch mit Lexikon und Netzzugang, um den Fährten, die so dicht gestreut sind, hinterher zu hetzten - nach- und mitlesen zahlt sich bei JPEGMAFIA aus.

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