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Katherina Braschel

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„Spargel aus dem Glas“

Was eingelegtes Gemüse und komplizierte zwischenmenschliche Beziehungen miteinander zu tun haben: Katherina Braschel gewinnt den zweiten Platz beim FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb Wortlaut.

Von Lisa Schneider

Spargel aus dem Glas kannst du eigentlich auch nur essen, wenn du ein Arschloch bist, sage ich und rühre in dem Topf mit den kochenden Spaghetti.

Gute Geschichten beginnen mit guten ersten Sätzen wie diesem. Und es war genau dieser, den Katherina Braschel schon länger im Notizbuch stehen hatte. Als dann das heurige Wortlautthema „privat“ verlautbart worden ist, war für sie klar: so muss ihre Kurzgeschichte „Spargel aus dem Glas“ beginnen.

Wortlaut, der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb

Der Dialog, den wir da gleich zur Eröffnung der Geschichte lesen, spielt sich zwischen zwei Freundinnen ab. Sie unterhalten sich in ihrer WG-Küche während sie kochen. So, wie es Katherina Braschel auch selbst oft tut: Ihre meiste freie Zeit, erzählt sie, verbringt sie beim Kaffeetrinken und Tratschen mit ihren Freundinnen in der gemeinsamen Wohnung. „Die Dialoge meiner Geschichte könnten von uns sein, sind es aber nicht. Es ging mir vor allem darum, den Ton der Gespräche einzufangen“.

Besagter Ton ist locker-schludrig, lässig dahingeworfen. So, wie man eben redet, wenn man sich sehr gut kennt. Fast schon wie unter Geschwistern.

Ob du weißt, welcher von diesen Tokio Hotel-Brüdern jetzt eigentlich mit der Heidi Klum zusammen ist, der Emo oder der mit den Dreads, frage ich dich. Oida, sagst du, ich erzähl dir von meiner Mama und dass ich nie weiß, das ich mit ihr reden soll und du denkst an Tokio Hotel?! Was ist mit dir?!

Was schroff klingt, ist liebevoll gemeint. Auch liebevoll gemeint sind die Anrufe der Mutter, die die Protagonistin bekommt und die ihr eher auf die Nerven gehen. Und das spürt die Mutter - „auch, wenn sich beide Seiten bemühen“, betont Katherina Braschel.

Müde hörst du dich an, denkt sie. Müde und zerstreut, nicht ganz da. Dass sie jetzt nicht fragen darf, ob sie dich aufgeweckt hat mit ihrem Anruf, obwohl es schon 13 Uhr ist, dass sie auch nicht fragen darf, ob es denn gestern etwas länger geworden ist, daran erinnert sie sich selbst noch einmal. Weil sie will ja nicht, dass du dir kontrolliert vorkommst, dass du dir bemuttert vorkommst (...)

Katherina Braschel

geboren 1992 in Salzburg, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien, literarische Publikationen u.a. in den Zeitschriften &radieschen, Mosaik und erostepost. War schon letztes Jahr auf der Wortlaut-Shortlist.

Katherina Braschels Texte sind schon öfters ausgezeichnet worden - zuletzt etwa mit dem Rauriser Förderungspreis 2019.

Wieso kann man mit seiner Freundin nicht so reden wie mit seiner Mutter - und umgekehrt? Katherina Braschel schreibt in ihrer Geschichte über fehlerhafte Kommunikation. Und über einen scheinbar unüberwindbaren Generationenkonflikt. Man kennt sie, die Telefonate, in denen es ums Wetter, ums Frühstück und im Grunde genommen um nichts geht. Auch Katherina Braschel kennt sie. Und das allein wäre noch nicht schlimm. Aber: Wenn es schon schwer fällt, mit der Familie Banalitäten auszutauschen - wie schwer bzw. unmöglich wird es dann, über wirklich wichtige, sogar schreckliche Dinge zu reden?

Dass sie sich wirklich sehr freut, dass du anrufst, will sie dir sagen, aber sie will nicht, dass du das als Vorwurf auffasst, weil du dich ja wirklich nicht so oft meldest, also achtet sie darauf, dass sie es nicht zu sehr betont, sagt einfach, hallo, das ist ja nett, dass wir uns hören und fragt, wie es dir geht. Du erzählst von deinen Lehrveranstaltungen an der Uni und davon, dass die eine Professorin in deinen Augen viel zu streng ist, erzählst von der Baustelle in deiner Straße und dem Kran, der morgens immer laut piept und rumpelt und dich jetzt jeden Tag um Sieben aufweckt, dann erzählst du noch von der Lasagne, die du gestern mit mir gemacht hast. Dann ist es still in der Leitung. Sie will dich nicht belasten oder bedrängen mit ihren Erzählungen, also sagt sie nur, dass das ja alles so im Großen und Ganzen recht nett klingt. Ja, sagst du, eh, und bei dir so?

Der Soundtrack zum Text und generell zum Schreiben:

  • Michael Kiwanuka - Cold Little Heart
  • Christiane Rösinger - Was jetzt kommt
  • Chili Tomasson and the Cinema Electric - Carrying A Gun II
  • Squalloscope - Being A Person

Schreiben, studieren, prokrastinieren

Katherina Braschel ist von Salzburg nach Wien gezogen, um zu studieren. Eine Diplomarbeit zu queerer und feministischer Pornografie liegt aktuell „im Gefrierfach, sogar noch hinter dem Spinat“. Weil sie das literarische Schreiben während des Studiums immer etwas zur Seite geschoben hat, will sie das jetzt nachholen. Am besten in einem Kaffeehaus oder in ihrer WG, in ihrem Zimmer, am zwei Meter langen, unaufgeräumten Schreibtisch. Ab acht Uhr abends, gerne auch bis zwei Uhr früh.

Der Zukunftstraum wäre dann ein Schreibplatz „in einer einsamen Hütte, irgendwo im Wald oder jedenfalls dort, wo sonst niemand ist“.

Stimmen aus der Jury

Die heurige Wortlaut-Jury hat an Katherina Braschels Text vor allem die subtile Doppeldeutigkeit begeistert, dass „klar war, dass da noch irgendetwas kommt, dass da versteckt im Hintergrund eine Geschichte läuft, die sich erst zum Schluss dann auflöst“, was „sprachlich sehr schön und berührend eingebaut war“. Hervorgehoben wurde vor allem auch, dass es so ein lässiger Text ist, der „die längste Zeit eigentlich sowohl formal wie inhaltlich so oberflächlich-belanglos daherkommt und da ja Form und Inhalt auch sehr schön parallel laufen“. Wichtig und ausdrucksstark für die Jury in dieser besagten Symbiose von Form und Inhalt ist „die Offenheit zwischen den beiden Mädchen. Und dem gegenüber die Unfähigkeit der anderen Generation, der Mutter-Generation über Themen wie Körper, Sexualität oder Ähnliches zu sprechen.“

In der heurigen Wortlaut-Jury vertreten waren:

Der erste Roman ist in Planung

Aus der Kurzgeschichte „Spargel aus dem Glas“ wird kein Roman werden. Dafür erscheint im Frühjahr im Verlag edition mosaik Katherina Braschels erstes Buch. „Ein Textexperiment“, sagt sie, „der Verlag plagt sich ein bisschen mit der Genre-Einordnung.“ Das wird dann beim übernächsten Projekt, das sie plant, nicht so schwierig: Es soll ihr erster Roman werden.

Buchcover von Wortlaut

Radio FM4

Katherina Braschel liest ihren Text bei der Wortlautparty am 11. Oktober im Phil in Wien, wo auch die Texte auf Platz 3 und 1 gelesen werden und die großen Zehn ihre Preise erhalten.

Julius Meinl

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Alle drei Preisgelder werden von Julius Meinl zur Verfügung gestellt.

Katherina Braschel gewinnt:

Der Standard

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Ein Auszug aus dem Gewinnertext wird im STANDARD veröffentlicht.

Hier ist der ganze Text nachlesbar

Die GewinnerInnen von FM4 Wortlaut 2019

Portraits der drei Erstplatzierten gab es diese Woche in der FM4 Homebase und im FM4 Player.

Platz 3: Florian Schlederer: „Evelynes Kassette“ (7.10.)
Platz 2: Katherina Braschel: „Spargel aus dem Glas“ (9.10.)
Platz 1: Lukas Gmeiner: „erbseneintopf“ (10.10.)

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