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Grafic Novel: Boxer schlägt auf Sandsack

Carlsen Verlag

„Knock Out!“ erzählt die Geschichte des schwarzen, schwulen Boxers Emile Griffith

In seiner neuen Graphic Novel „Knock Out!“ erzählt Reinhard Kleist die wahre Geschichte von Emile Griffith (1938–2013). Der homosexuelle Afroamerikaner war mehrmals Boxweltmeister. Am 24. März 1962 stellte Griffith seinen Gegner Benny Paret mit derart schweren Treffern an den Kopf in einer Ringecke, dass dieser nur Tage später den Folgen des Kampfes erlag.

Von David Riegler

Es ist der 24. März 1962. Im Madison Square Garden in New York verteidigt der Boxer Emile Griffith seinen Titel gegen Benny „Kid“ Paret. In der zwölften Runde geht Paret zu Boden und stirbt nach 10 Tagen im Koma. Man könnte meinen, Emile Griffith sei ein brutaler, eiskalter Typ. Doch Reinhard Kleist zeichnet ein viel sensibleres Bild von dem Profiboxer.

Ursprünglich stammt Griffith aus einer verarmten Familie auf den amerikanischen Jungferninseln. Um der Armut zu entkommen, geht er nach New York City und beginnt dort in einer Hutfabrik zu arbeiten. Er entdeckt dabei seine Begeisterung für Damenhüte, die er auch selbst mit Schleifen und bunten Blumen gestaltet.

In seiner Freizeit treibt er sich in Schwulenbars herum, trifft dort Liebhaber und unterhält das Publikum mit seinen Liedern. Diese Bars sind in den 50er und 60er Jahren noch illegal und besonders für schwarze Männer wie Emile Griffith sehr gefährlich. Regelmäßig ist er dort Razzien und Polizeigewalt ausgesetzt.

Sein Chef in der Hutfabrik wird für Emile zu einer Art Vaterfigur. Durch ihn kommt er zu seinem ersten Boxkampf, obwohl Emile eigentlich lieber Baseball spielt, was damals aber weißen Männern vorbehalten ist. Anfangs wehrt er sich gegen das Boxen, weil er die Vorstellung ablehnt, jemanden zu verletzen. Doch er will seinen Chef nicht im Stich lassen und beginnt mit dem Training. Es stellt sich heraus, dass er ein herausragendes Talent für den Boxsport hat.

Innerhalb kürzester Zeit steigt er zu einem erfolgreichen Profiboxer auf und holt sich mehrere Weltmeistertitel. Er wird für seine sportlichen Leistungen gefeiert und als gefährlicher Kämpfer hochstilisiert. Dass er eigentlich ein schwuler Hutdesigner ist, wird von der Öffentlichkeit ignoriert, da es für dieses Bild keinen Platz gibt in der Machokultur des Profiboxens.

Cover der Grafic Novel: Boxer

Carlsen Verlag

„Knock Out“ von Reinhard Kleist ist im Carlsen Verlag erschienen.

Afroamerikanische Boxer wurden von den weiß dominierten Medien oft mit rassistischen Stereotypen belegt. So entstanden die rassistischen Begriffe „Rumble in the Jungle“ oder „Brown Bomber“. Um nicht mit diesen Klischees zu brechen, wurde in den Medien nie über die ganze Persönlichkeit von Griffith gesprochen. Griffith selbst verheimlichte nie, wer er war. Er sah nichts Falsches darin, einen Mann zu lieben. Doch seine Gegner nutzten diese Information, um ihn zu demütigen. Regelmäßig war er homophoben Beleidigungen ausgesetzt. Seine Gegner machten sich über ihn lustig und versuchten ihn mit Beleidigungen zu verunsichern.

Im Comic sieht man viele Situationen, in denen der lebenslustige Emile Griffith solche Beleidigungen ignoriert oder einfach mit Freundlichkeit pariert. Auch als er gegen Benny „Kid“ Paret seinen Titel verteidigen muss, beleidigt ihn sein Gegner homophob. Wegen seiner hohen Stimme und Homosexualität wird er als unmännlich dargestellt. Meistens bringt ihn so etwas nicht aus der Fassung.

Der Kampf wird im Fernsehen übertragen und geht über 12 Runden. Am Ende gewinnt Emile Griffith durch „Knock Out“. Der Schiedsrichter greift viel zu spät ein, dadurch erleidet Benny „Kid“ Paret derart starke Kopfverletzungen, dass er das Bewusstsein verliert und in ein Koma fällt. Nur Tage später stirbt er.

Der Autor der Graphic Novel, Reinhard Kleist, sagt in einem Interview mit dem Carlsen Verlag, dass er bewusst offen lässt, warum es zu diesem Vorfall kam: „Es geht mir nicht so sehr um die Frage der Schuld. Es geht mir vielmehr darum, wie Emile versucht, mit seinem Gewissen weiterzuleben. Er gab sich selbst die Schuld, obwohl er vor Gericht freigesprochen wurde und die Kausalität, die zu Parets Tod führte, nicht wirklich klar war. Hatte nicht auch der Ringrichter zu spät eingegriffen? Man wird es nie klären können.“

Richard Kleist wird am Freitag, 4. Oktober, im Wiener Literatur eine Lesung abhalten und am Sonntag, 6. Oktober, bei der Comix zu Gast sein.

In “Knock Out!” trifft Griffith in einer Art Traumsequenz auf seinen ehemaligen Gegner und erzählt seine Geschichte mit Tränen in den Augen. Völlig in Schwarz-Weiß gehalten, mit weichem Pinselstrich, verleiht der Autor seinem Protagonisten eine Zartheit, die der Brutalität des Boxkampfes gegenübersteht. Er vermischt reale Ereignisse mit fiktiven Sequenzen, die die Gefühlswelt des Autors zum Ausdruck bringen.

Foto von Emile Griffith

Carlsen Verlag

Emile Griffith

Reinhard Kleist ist bekannt dafür, seine Protagonisten facettenreich zu zeichnen. Sie sind nie nur Opfer oder Täter. So ist auch Griffith im Buch „Knock Out!“ durchgehend glaubwürdig. Seine Emotionen sind authentisch und man fühlt seinen Kampf gegen das schlechte Gewissen mit, so als würde man ihn selbst austragen.

Ob es seine Schuld war oder nicht - am Ende hat ein Mensch sein Leben verloren und ab diesem Tag peinigt Griffith sein schlechtes Gewissen. In einem Interview 2008 sagt er: “I keep thinking how strange it is ... I kill a man and most people understand and forgive me. However, I love a man, and to so many people this is an unforgivable sin; this makes me an evil person. So, even though I never went to jail, I have been in prison almost all my life.”

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