FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Szenenbilder "The Politician"

Netflix

Serie

„The Politician“: Das schlechte Benehmen reicher Leute

Ein Teenager will unbedingt die Wahl zum Schulpräsidenten gewinnen, um später mal Präsident der USA zu werden. „The Politician“ ist eine grelle Satire mit herrlich amüsanten Seifenopern-Plots.

Von Pia Reiser

Payton Hobart (Ben Platt) trägt die veganen Sneakers, die aus keinem stylebewussten Haushalt (und Instagram-Feed) mehr wegzudenken sind, und nach einer Einstellung, in der diese schnieken Sneakers gezeigt werden, beginnt in Episode Eins die Titelsequenz – mit dem Song „Chicago“ von Sufjan Stevens. Ist „The Politician“ etwa eine Hipsterserie? Wahrscheinlich schon, so wie im Grunde alles aus dem Hause Ryan Murphy. Der Drehbuchautor und Produzent hat die Seriengeschichte der letzten Jahre prägend mitgestaltet: von „Glee“ über „American Horror Story“ zu „Scream Queens“ und „Pose“.

Mit Netflix hat Murphy einen Deal über 300 Millionen Dollar abgeschlossen und das erste Werk, das mit diesem Geldberg gemacht worden ist, ist genauso schrill und camp, wie man es von Ryan Murphy gewohnt ist. Und auch so wohlformuliert. “It was a waking dream — the kind that arrives in the twilight between sleep and the real world - I sat straight up in bed, and said out loud: ‘I’m going to be the president of the United States.’” Bevor dieser Traum des wohlgekämmten Teenagers Payton Hobart wahr wird, ist die Wahl zum Präsidenten seiner High School sein nächstes Ziel. In Payton bündeln sich Reichtum, Ehrgeiz und Eloquenz, doch Payton vermutet auch, dass er zu keinen wahren Emotionen fähig ist, und entschließt sich deswegen für eine politische Karriere. Da würde sich dieses Manko am ehesten verbergen lassen, so Payton.

Szenenbilder "The Politician"

Netflix

Ben Platt sieht als Payton aus wie ein junger Peter Bogdanovich, wenn er die Hornbrille auf seiner Nase zurechtrückt oder am engen, sündteuren Pullover herumzupft. Klassische Teenage Angst herrscht nicht an dieser High School im kalifornischen Santa Barbara. Im sonnen- und dollardurchfluteten Ambiente dreht sich „The Politician“ nicht um die klassischen Pubertäts- und Rebellionsthemen, sollen sich doch die anderen Erzählstränge um Sex, Drogen und Coming-of-Age stricken. Murphy erzählt lieber von versuchtem Vatermord, vergifteten Muffins, Affären mit der Reitlehrerin. Die Plotbausteine von „The Politician“ sind ganz klassische Seifenopern-Szenarien. Laut und groß, hanebüchen und larger than life.

Überhaupt ist „The Politician“ herrlich anzusehen, weil die Serie herausgeputzt ist und mit einer Pastell-Farbwelt aufwartet, die wohl auch Wes Anderson gefallen würde, genauso wie der ausgestopfte Eisbär im Eck eines Esszimmers. Ryan Murphy ist kein Freund des Understatements oder der leisen Töne und vor allem Jessica Lange als blondgefärbte Großmutter mit großer krimineller Energie darf oftmals zu großen Gesten und gleichermaßen großen Worten ausholen. Und Dylan McDermott serviert seiner Tochter nach dem Tennismatch den wahnwitzigen Satz „You’ve put on a few pounds since your boyfriend blew his brains out“. Und Gwyneth Paltrow darf seufzen “this is the fourth time somebody’s jumped out of the window when I tried to break up with them”.

Szenenbilder "The Politician"

Netflix

Paltrow spielt die Adoptivmutter Paytons (ihre leiblichen Söhne sind Zwillinge namens Martin und Luther!), die eine Affäre mit der Reitlehrerin hat, die übrigens – of all people – von Martina Navratilova gespielt wird. Sexuelle Orientierung oder Genderidentität ist in „The Politician“ übrigens kein großes Thema, dahingehend ist es eine progressiv geträumte Realität, in der Murphy seine schrille Satire angesiedelt hat. Es geht um wealthy people behaving badly, so Ryan Murphy. Skrupelloses Verhalten, Nepotismus, fehlende Empathie, Egoismus. Der Zweck heiligt die Mittel und Geld verdirbt den Charakter.

Szenenbilder "The Politician"

Netflix

„The Politician“ ist seit 27.9. auf Netflix verfügbar.

„The Politician“ hat keine Angst, die Grenzen zum Absurden zu überschreiten. Nicht jede der Pointen sitzt und nicht jeder Erzählstrang ist so lohnend wie der um Paytons Wahlkampf an seiner High School, und doch bleibt man fasziniert an der Bildwelt und der Schlagfertigkeit („This is not your ‚I did not inhale‘, this is your Chappaquiddick“) kleben. Und natürlich wegen der Gesangseinlagen. Dreimal stimmt Payton ein Lied an und es wäre nicht eine Serie von Ryan Murphy, wenn er es nicht fertig singen würde.

Nach ein paar Durchhängern kommt die Serie in der finalen Episode wieder zu Kräften, holt Bette Middler und Judith Light mit an Bord und schickt Payton – übrigens in einem Winchester-Hemd – wieder in einen Wahlkampf. Die zweite Staffel, die in den letzten Szenen der letzten Folge von „The Politician“ angedeutet wird, könnte grandios werden. Hoffentlich darf dann Ben Platt noch öfter singen.

mehr TV-Serie:

Aktuell: