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Liam Gallagher

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Liam Gallagher, der letzte Rockstar

Als Sänger der Band Oasis schrieb Liam Gallagher Britpop-Geschichte. Irgendwann kam schließlich das Ende der Band - im Streit zwischen den Brüdern Noel und Liam Gallagher. Seither wird immer wieder von einer möglichen Reunion gesprochen, aber sie kommt nicht, weil Noel das nicht möchte. Und so gibt es stattdessen ein neues Solo-Album von Liam Gallagher - das den Oasis-Spirit weiterträgt.

Von Eva Umbauer

Liam Gallagher ist jetzt ein selbstbewussterer Solo-Musiker als noch bei seinem ersten Album. Als er „As You Were“ veröffentlichte, war nicht klar, ob seine Karriere womöglich gar vorbei sein würde - ohne den älteren Bruder Noel Gallagher und Oasis. Das war aber keineswegs so. Liam Gallaghers erstes Soloalbum wurde gekauft wie auch viele Karten zu seinen Konzerten.

Mit „Why Me? Why Not.“ legt Liam Gallagher jetzt so richtig eins drauf, mit Songs wie dem hymnischen „One Of Us“, in dem er jemanden auffordert, doch die Tür zu öffnen: „Come on and open your door... we live forever.“

„Du hast doch gesagt, wir leben für immer“, singt Liam Gallagher in „One Of Us“. Es geht um Familie, Freundschaft und Zugehörigkeit, meint Liam Gallagher in Interviews zu diesem Stück über einen entfremdeten, einst geliebten Menschen.

Albumcover: Liam Gallagher

Warner

„Why Me? Why Not.“ von Liam Gallagher ist am 20.9.2019 bei Warner Music erschienen.

Letztlich geht es in „One Of Us“ aber ganz klar um Noel Gallagher und Oasis. Liam bezieht sich im Text auf den Oasis-Song „Live Forever“, der auf „Definitely Maybe“, dem Debutalbum der Band, zu finden war. „One Of Us“ ist jedenfalls ein richtig emotionaler Song samt Streichern und einem tollen Gospel-Outro.

Liam Gallagher wird erwachsen

Liam Gallagher, so scheint es, ist nun erwachsen geworden. Es hat ein bisschen gedauert, aber manches kann man einfach nicht sein Leben lang machen. Etwa mit Erdnüssen nach irgendwelchen Geschäftsmännern werfen, irgendwo in einer Hotelbar, während man auf Tour ist. Besagte Männer schlugen vor Jahren in München dann dem Erdnuss werfenden Oasis-Sänger die Zähne ein. So eine Situation möchte Liam Gallagher heute nicht mehr provozieren, auch wenn er sich bisweilen noch immer ordentlich echauffiert, etwa als letztes Jahr bei einem Konzert in Spanien jemand einen toten Fisch auf die Bühne warf.

Der Albumtitel „Why Me? Why Not.“ hat auch mit München zu tun, aber in einem positiven Sinn. Bei einer Ausstellung über John Lennon, gemacht von dessen Witwe, der Künstlerin Yoko Ono, sah Liam Gallagher von Lennon gezeichnete Selbstporträts, unter denen die Worte „Why Me?“ standen. Daran erinnerte sich Liam Gallagher, als seine neuen Songs entstanden. Er fügte „Why Not.“ an. Das klingt und liest sich „short and sweet“, meint Liam Gallagher über den Albumtitel.

Die meisten der neuen Songs sind zusammen mit dem Amerikaner Andrew Wyatt entstanden. Musikliebhaber*innen kennen Andrew Wyatt wahrscheinlich auch als Sänger der schwedischen Electropop-Band Miike Snow. Da ist sie also wieder, seine „army of songwriters“, wie Bruder Noel Gallagher ätzt. Warum nicht, lieber Noel, Liam Gallagher begreift sich eben zuallererst als Sänger, als ein auf der Bühne stehender und singender Mensch, und nicht als Komponist und Texter.

Obwohl, Liam G hat Witz in seinen Lyrics - etwa wenn er singt „You went down so easy like a glass of wine“, aber er hat auch eine zarte Verletzlichkeit in diesen Songs. Da klopft der Regen an das Fenster und der Schnee fällt auf das Gras. Es ist recht dunkel geworden, aber dennoch darf man den Kopf nicht einstecken, mahnt Liam - was immer er damit genau meint.

Diese neuen Songs von Liam Gallagher sind leidenschaftlich und beseelt. Da gibt es große Melodien, tollen Glitter-Beat und einfach von John Lennon inspirierte Songs, und eine zarte Nostalgie wohnt den meisten der Stücke inne. Liam Gallagher weiß um die Vergänglichkeit, das Älterwerden, und dass es keinen großen Gitarrenpop mehr gibt.

Liam Gallagher fühlt sich als letzter Rockstar - pardon, Rock’n’Roll-Star, denn bei dem Wort „Rock“, denkt man eher an Musik, wie etwa Metallica sie machen oder Dave Grohl und die Foo Fighters. Liam Gallagher ist Rock’n’Roll-Star, sagt er, und nicht Rockstar. Der letzte seiner Art - für die alten Fans, aber auch junge, neu hinzugekommene, die davon gehört haben, dass es einmal große Gitarrenpop-Zeiten gegeben hat und diesen Sound jetzt für sich entdecken.

Wie immer man zu Oasis stehen mag, sie haben dazu beigetragen, Manchester, die Stadt im englischen Nordwesten, bekannt zu machen. Keine Band hat in Interviews und bei Konzerten so viel von Manchester geredet wie Oasis - „Manchester, the fucking centre of the universe!“, sagte etwa die junge englische Band Cassia aus Manchester im FM4 Interview, als sie zuletzt in Österreich ein paar Konzerte spielte.

Klar, da waren Joy Division und New Order, Morrissey und die Smiths, die Stone Roses, das Factory-Plattenlabel und der legendäre Hacienda-Club, sie alle standen für Manchester, aber die Dimension erreichte mit Oasis einen ganz anderen Level. Und dafür ist eine Band wie etwa Cassia dankbar. Als Rob Ellis, der Sänger von Cassia, ein Kind war, lief im Autoradio der Eltern immer Oasis. Eine Reunion der Band braucht er persönlich zwar nicht, aber, so Bassist Lou Cotteril, es wird sie schließlich geben, auch wenn sich Noel Gallagher noch nicht herbeilässt.

Da ist eine gewisse Unerbittlichkeit im Konflikt zwischen den Gallagher-Brüdern und sie belastet Liam. „Was ist, wenn unsere Mutter stirbt und wir nicht versöhnt sind?“, sagt Liam in Interviews anlässlich seines neuen Albums, und weiter: „Das würde ich Noel niemals verzeihen!“

Früher war alles einfacher, als die Brüder noch Kinder waren, trotz aller Widrigkeiten. Der Vater war gewalttätig und Mutter Peggy Gallagher trennte sich von ihm. Die Familie war arm - Liam G und seine Brüder Noel und Paul aßen aussortierte Kekse, die ihre Mutter von der Arbeit am Fließband in der Keksfabrik kostenlos mit nach Hause nehmen durfte. Es war nicht viel da, aber Zusammenhalt war da. Und heute?

Liam kratzt sich am Kinn - und singt „It was easier to have fun back when we had nothing, nothing much to manage“, und er wäre nicht Liam, würde er im Song namens „Once“ nicht anfügen „back then when we were damaged.“

Liam Gallagher spielt am 2.2.2020 im Gasometer in Wien.

Ein Traum ist nur geborgt, sagt man, und man muss ihn schon morgen wieder zurückgeben. So sinniert Liam G weiter in diesem Song mit wunderschöner Akustikgitarre und großem Orchester. „You only get to do it once!“, sagt er uns schließlich noch eindringlich in „Once“, einem großen Song mit Pop-Appeal, so wie alle auf dem neuen Album „Why Me? Why Not.“ Well done, Liam! Also wirklich, wer braucht eine Oasis-Reunion...

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