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Blumenaus Fußball/politik-Journal

Warum Rapid, Austria, Sturm und die SPÖ dieselben Probleme haben

Die stolze österreichische Arbeiter-Partei und die stolzen Mitglieder-Großvereine des Landes leiden an einer ganz ähnlichen Krankheit.

Von Martin Blumenau

Keine Sorge: Das Narrativ vom fehlenden Narrativ, die Erzählung von der fehlenden Erzählung, die Geschichte von der ausbleibenden Geschichte, also die banalst mögliche Erklärung der SPÖ-Wahlniederlage, mit der sich die immer zahlloseren Experten in den noch zahlreicheren TV-Kanälen an Einfalts-Armut unterbieten, die erspare ich euch und mir.

Sowohl die stimmlich arg gebeutelte SPÖ als auch die sportlich abgehängten Großklubs Rapid, Austria und Sturm bieten ihren Fans und jenen, die es werden wollen, eine Geschichte an. Das Problem ist nur, dass es ganz deutlich spürbar eben echt nur eine Geschichte, im Sinn eines Märchens ist.

Ab jetzt wird’s ein wenig kompliziert, Achtung...
Denn natürlich bieten auch andere Parteien märchenhafte Geschichten an: die vom edlen Prinzen, der König war, von Bösewichten gestürzt wurde und wieder König werden will, um weiter Gutes zu tun/Wunder wirken zu können; oder das Märchen, dass Neid und Missgunst die eigene Lage verbessern; dass sich Leistung gesellschaftlich gesehen echt lohnt; und sogar dass politische (also von Ausgleich und Kompromiss bestimmte) Handlungen einen Klimawandel herbeiführen können. Alles Geschichten, die (manchmal auch bar jedes wahren Kerns, empirisch gesehen) entweder mit der Macht der schwarzen Gedanken spekulieren oder anderswie verführerisch wirken.

Die Erzählung der SPÖ (soziale Gerechtigkeit wäre super, Menschlichkeit auch) bewirkt hingegen (vorsichtig gesagt) nicht so viel, weil sie a) zu unkonkret ist und b) niemand an die Umsetzung glaubt. Was weniger auf den handelnden Personen und mehr auf einem Reality Check der jüngeren Vergangenheit beruht. Dieses Leitmotiv ist redundant, abgeschmackt und somit unglaubwürdig geworden.

Den vier erfolgreichen Mitbewerbern (und ich unterstelle auch der FPÖ einen großen Erfolg: Sie bewegt sich trotz aller Wahnwitzigkeiten prozentuell über ihren Core-Werten) glauben nicht nur die Fanboys & -girls, sondern auch die bestimmenden Wechselwähler zumindest Teile ihrer Geschichten. Auch weil große Teile der Bevölkerung sie glauben wollen, ja müssen, weil ansonsten ihre Lebenskonzepte purzeln.

Die von der SPÖ als Botschaften auserkorenen Selbstverständlichkeiten laufen bei der Konkurrenz nebenbei mit; auch weil sie dort als zu schwach für eine glaubwürdige Erzählung befunden wurden.

Die SPÖ nun hat - noch ehe eine interne und auch einmal ehrliche Analyse durchgeführt wurde - bereits reagiert und den sonst freundlich gestimmten Rudi Fußi zu diesem Video-Post provoziert.

Jetzt zu den Kollegen im Geiste, den drei alteingesessenen großen Mitglieder-Vereinen unter den heimischen Fußball-Clubs, dem SK Rapid Wien, der FK Austria Wien und dem SK Sturm Graz.

Alle drei dümpeln sportlich seit bereits bedenklicher Zeit hinterher, sind im internationalen Bewerb kapital gescheitert und sind, was viel schlimmer ist, von drei Konkurrenten deutlich abgehängt worden. Und weil es sich dabei nicht nur um das finanziell und organisatorisch außer Reichweite liegende Red Bull Salzburg, sondern auch um die alte Tante LASK aus Linz und, vor allem, um einen Kärntner Zwerg namens Wolfsberger AC handelt.

Diese drei Clubs führen nicht nur seit Beginn die Liga-Tabelle an (deren Top 3-Plätze sie auch im Vorjahr belegt haben - mehr Konstanz geht nicht), sie sind auch international aktiv und haben da bereits ordentlich aufgezeigt. Auch Gejammer über eine gewisse „Doppelbelastung“ gibt es nicht - die war immer nur im Groß-Klub-Universum existent.

Der Unterschied zwischen dem LASK und dem WAC (die Salzburger lassen wir einmal außen vor) und Rapid-Austria-Sturm ist evident.
Die einen haben eine grundsätzliche Philosophie was ihre Ziele betrifft und eine grundsätzliche Idee wie sie spielen wollen. Das äußert sich in der Kontinuität der Systeme - beide Vereine wechselten ihre Trainer, erneuerten ihre Kader, nicht aber die Spielidee.
Die anderen haben das alles nicht. Neuer Trainer, neue Spieler, neue Systeme, neue Herangehensweise, neue Spielidee. Rapid hatte innerhalb von zweieinhalb Jahren vier solcher Einschnitte, bei der Austria zogen die letzten drei Wechsel diametrale Positionswechsel nach sich, und Sturm schießt mit vier Spitzkehr-Wendungen in weniger als zwei Jahren den Vogel ab (no pun intended!).

Eine (wenigstens mittelfristig) funktionierende Spiel-Idee scheitert nicht nur an der inkompetent durchgeführten Personal-Bestellung (deren Schuld Präsidenten und Sportchefs tragen), sondern auch (und jetzt kommt das SP-Schicksal ins Spiel) an einer nur äußerst schwammig ausgeführten Philosophie-Beschreibung in den jeweiligen Leitbildern. Diese (mit Partei-Programmen vergleichbaren) Grundsatz-Aussagen wurden mit Mitgliedern, Fan-Gruppen, Ex-Spielern etc. vergleichsweise basisdemokratisch erarbeitet, die Verantwortlichen fühlen sich daran aber entweder nicht gebunden (Austria-Sportchef Peter Stöger äußerte sich zuletzt überraschend abwertend über die Bedeutung der Austria-Philosophie) oder fangen mit wegen Phrasen-Überhäufung (Stichwort: Mentalität) inhaltlich entleerten Gemeinplätzen wenig an.

Die Erzählungen von Rapid, Austria und Sturm referenzieren auf große alte Zeiten, genießen aber im Fußball der nahenden 20er-Jahre des 21. Jahrhunderts keine Glaubwürdigkeit. Die als Botschaften auserkorenen Selbstverständlichkeiten laufen bei der Konkurrenz nebenbei mit; auch weil sie dort als zu schwach für eine glaubwürdige Erzählung befunden wurden.

Das war ein deckungsgleicher Satz von weiter oben. Er passt perfekt.
Die SPÖ wird sich über die alten, längst selber und auch von anderen eingelösten Sätze hinaus ein klar nachvollziehbares Ziel setzen müssen, um attraktiv mitspielen zu können.

Die Groß-Klubs kommen erst in diese dunkle Gasse. Noch halten ihnen ihre Core-Wähler, die Fans im Stadion, die Treue - das Verständnis einer erweiterten Öffentlichkeit aber sinkt. Wer altbacken denkt, riskiert aber auch den Schutz durch diese Treuen. Und in weiterer Folge eine Rebellion der Basis. Erst dann ist Veränderungs-Potential gegeben.

Da ist es aber wahrscheinlicher, dass die Präsidenten von LASK und WAC durchdrehen und alles ruinieren und Mateschitz stirbt und sein Imperium zerfällt und sich Rapid, Austria und Sturm durch die Schwäche der anderen wieder an die Spitze schummeln.

Zuletzt außerhalb des Fußballs: Es ist Climate Emergency, Österreich!

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Das sind die Vorgängertexte, egal ob als #dailyblumenau auf der neuen oder der alten Website, oder im langjährigen Journal. Regelmäßiges zu diesen Themenfeldern abseits des Fußballs folgt im Spät-Herbst.

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