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"Steambirds Alliance"

Spry Fox

„Steambirds Alliance“ ist ein Online-Game der freundlichen Art

Wer nicht dutzende Stunden in ein Game versinken, aber trotzdem übers Netz mit anderen spielen möchte, hat wenig Optionen. Das bunte Online-Shoot’em-up „Steambirds Alliance“ ist die Ausnahme von der Regel und bietet auch Gelegenheitsspieler*innen eine erfreuliche Spielerfahrung.

Von Robert Glashüttner

Umfangreiche Online-Games mit hunderten Spieler*innen, also MMOs, sind gewöhnungsbedürftig. So ziemlich jede und jeder kennt zumindest eine Geschichte von jemandem, die oder der für ein paar Monate oder Jahre in „World of Warcraft“ reingekippt ist. Für die allermeisten bleibt die Faszination von MMOs aber unergründlich - viel mehr noch als bei „normalen“ Computerspielen.

Das Problem liegt im obskuren Spielmechanismus begründet, der teils todsimple und mitunter langweilige Aufgaben mit jeder Menge Zahlen und Werten - Charakterlevel, Waffenstärke, Durchschlagskraft der Gegner, etc. - vermischt. Es geht so gut wie immer um den sogenannten Grind, also das zeitschindende Hochzüchten der eigenen Spielfiguren mit einfach gestrickten Kämpfen, damit diese später größere und stärkere computergesteuerte Feinde erlegen können. Dadurch wird man noch mächtiger und ist irgendwann so stark, dass auch der am besten gepanzerte Riesengegner in die Knie gezwungen werden kann. Bis man an diesem Punkt angelangt ist, dauert es jedoch meist recht lange.

"Steambirds Alliance"

Spry Fox

All das macht man aber eben nicht alleine, sondern mit hunderten Spieler*innen gemeinsam. Damit die Spielewelt nicht innerhalb kürzester Zeit leergekämpft ist, werden regelmäßig Gegner wiederbelebt und Aufgaben wiederholt. Das Game wird damit zur ewigen Sisyphusarbeit, die so ganz nebenbei auch jede nur annähernd spannende Erzählung im Keim erstickt. Eine epische Geschichte büßt nämlich massiv an Glaubwürdigkeit ein, wenn nicht etwa eine markante Heldin nach wochenlangem Leid im Todeskampf den schwarzen Drachen erlegt, sondern stattdessen dutzende wildgewordene Figuren, mit seltsamen Zahlen und Namen über den Köpfen, besagten Drachen alle paar Minuten wieder und wieder niederstrecken.

Chaos und Disziplin

Weil man für seine Geduld und das Durchhaltevermögen belohnt werden möchte, locken MMOs stets mit raren Gegenständen und besonderen Inhalten - vor allem repräsentiert durch das sogenannte Endgame, also jenen Bereichen im Spiel, die das ultimative Erlebnis darstellen sollen. Dort gibt es dann die coolsten und schwersten Gegner - und die tollsten Belohnungen, wenn man diese irgendwann bezwingt. Ins Endgame kommt man in der Regel aber nur, wenn man 40 bis 100 Stunden in das jeweilige Spiel steckt. Ein ähnliches Commitment gilt für den Player-vs-Player-Modus (PvP): Wer sich gegen andere Spieler*innen in die Schlacht werfen möchte, sollte das Game schon sehr gut beherrschen, damit das überhaupt Sinn macht.

Mir ist diese Quasi-Verpflichtung, so viel Zeit und Energie in ein Computerspiel stecken zu müssen, um viel später möglicherweise eine besondere Form der Unterhaltung daraus ziehen zu können, immer schon ziemlich frech vorgekommen. Anfangs ist das Spielerlebnis meist chaotisch und überfordernd, bald danach wird es sehr repetitiv. All das nur deshalb, um irgendwann an einem Punkt angelangt zu sein, an dem es wirklich spannend wird und man im Idealfall auch mit Mitspieler*innen, auf die man sich verlassen kann, gemeinsam oder gegeneinander kämpft. Das wiederum klappt jedoch nur mit spielerischer und organisatorischer Disziplin. Wer sich zu unregelmäßigen Zeiten einloggt und dann immer nur wenige Stunden spielt, wird seine Gilde nicht glücklich machen und die ganz herausfordernden Dungeons nie zu Gesicht bekommen. Bei MMOs gibt es wenig Raum für Gelegenheitsspieler*innen - entweder man taucht komplett darin ein oder lässt es gleich bleiben.

"Steambirds Alliance"

Spry Fox

Die Vögelallianz zwitschert zur Veränderung

Wie wäre es aber, wenn man ein MMO von Grund auf so desigt, dass die negativen Elemente - ewiger Grind, hoher Zeitaufwand, viele Zahlenspielereien und das Drängen zum disziplinierten Spielen - minimiert werden? Dass es mal nicht nur um ein Höher, Schneller, Weiter, sondern um ein tatsächliches Miteinander geht - vielleicht sogar in einer Spielewelt, die sich selbst nicht allzu ernst nimmt?

Das Indiegame-Studio Spryfox aus Seattle hat sich diesem Paradigmenwechsel angenommen. Bereits Anfang des Jahrzehnts hat es das pixelig-minimale MMO „Realm of the Mad God“ (FM4 hat berichtet) mitentwickelt. Seither ist diese Idee jahrelang weiterentwickelt worden und das Ergebnis ist nun in ein neues Spiel geflossen: „Steambirds Alliance“, ein kooperatives Online-Shoot’em-up. Dieses Game-Genre ist uralt: Der Urahn dieser später auch als Bullet Hell-Shooter titulierten Spiele ist das berühmte „Space Invaders“ aus dem fernen Jahr 1978. Bis in die frühen 1990er Jahre hat sich die Gattung stark gewandelt: Gab es früher nur einige wenige Projektile am Bildschirm, sind später dutzende neonfarbene Schüsse in alle Richtungen über die Spielfläche gesaust. In den letzten zwei Jahrzehnten waren Bullet-Hell-Games zwar nie hochpopulär, aber sie haben seit jeher eine treue Fanbasis. Ein MMO in diesem Genre ist etwas völlig Neues - den visuell etwas kruden inoffiziellen Vorgänger „Realm of the Mad God“ mal ausgenommen.

Gemeinsam gegen den Katzenterror

Gegeneinander spielen können wir in „Steambirds Alliance“ nicht. Wir werden auch nicht gezwungen, aktiv miteinander zu spielen und uns ständig aufeinander abstimmen zu müssen, um weiterkommen zu können. Allerdings ziehen stets alle Vögel automatisch an einem Strang, wenn sie mutig in 14 verschiedenen Fluggeräten gegen die mechanisierte Katzeninvasion antreten. Wir fliegen über Industriegebiete, Häfen, Wohngegenden und schließlich über den Palast der fiesen Meowza, quasi die Borg-Queen des Katzenimperiums.

Unsere Schiffe leveln erfreulich schnell hoch, und bessere Waffen, Schilde und Motoren finden wir entweder in der Heimatbasis (wenn sie andere Spieler*innen zur freien Entnahme hinterlassen) oder am Schlachtfeld, wenn sie von besiegten Gegnern fallengelassen werden. „Steambirds Alliance“ ist zwar nicht gänzlich frei von Wiederholungen und Längen, doch das grundlegende Spielprinzip geht erfreulich flüssig und vor allem entspannt von der Hand. So aufreibend manche Kampfsituationen werden können, so ruhig und fast schon harmonisch ist das Spielerlebnis an anderen Stellen. Ein gemütlicher Elektroniksoundtrack sorgt dafür, dass dieses Erlebnis noch verstärkt wird.

"Steambirds Alliance"

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Irgendwer hilft immer

Unabhängig vom Zeitinvestment spiele ich normalerweise auch deshalb ungern MMOs, weil mich die Mitspieler*innen potenziell stressen. Gleichgesinnte zu treffen, die auf dem selben Spielniveau sind wie man selbst, ist nicht immer einfach. Darüber hinaus wird schnell mal geflucht und beleidigt, wenn man sich gegenseitig im Weg steht oder der eine der anderen etwas wegschnappt. Auch hier geht „Steambirds Alliance“ andere Wege: Um die anderen Vögel muss man sich nicht kümmern, und doch ist es erfreulich, wenn dann doch jemand da ist, der einen heilt oder eine Aura zaubert, die die eigene Feuerkraft kurzfristig verstärkt. Erfahrungspunkte und Gegenstände müssen auch nie aufgeteilt werden - alle werden versorgt.

Freilich ist auch „Steambirds Alliance“ nicht ganz frei von den bekannten MMO-Krankheiten: Das Managen von schlechteren und besseren Waffen, Schilden, etc. ist zwar weitgehend automatisiert, doch das Zahlenjonglieren ist auch hier unvermeidlich: So werden nicht nur die Schiffe hochgelevelt, sondern auch die Spieler*innen selbst - wobei hier manuell Erfahrungspunkte verteilt werden müssen. Verliert man eines seiner Schiffe, gehen auch alle damit gesammelten Gegenstände verloren. Schlau ist deshalb, wer wertvolles, überschüssiges Equipment in der Lagerhalle sammelt.

Freundliche Community, überschaubare Inhalte

„Steambirds Alliance“ ist kostenlos spielbar, allerdings kann man im Game Käufe tätigen. Damit können vor allem fürs eigentliche Spiel unwichtige Dinge wie Skins freigeschalten werden, aber auch Plätze im Hangar, wo dann mehr als zwei Schiffe gleichzeitig geparkt (und hochgelevelt) werden können.

„Steambirds Alliance“, entwickelt vom Indiegame-Studio Spry Fox, ist für Windows und Mac erschienen.

Nach gut fünf Stunden Spielzeit bin ich von meiner MMO-Skepsis nicht gänzlich geheilt, aber es war eines der besten Einstiegserlebnisse in einem Online-Game seit langer Zeit. Die Mitspieler*innen haben mich weder gestresst, noch waren sie im Weg. Der Chat war gut überschaubar und freundlich - das mag allerdings auch daran liegen, dass „Steambirds Alliance“ kein hochpopulärer Titel ist, sondern ein noch eher unbekanntes Indiegame. Das erklärt auch, warum man schnell das Gefühl hat, hier die wesentlichen Inhalte bald alle zu Gesicht bekommen zu haben: So amüsant die vielen Katzenraumschiffe und -Roboter auch sind: Groß und unergründlich ist diese Spielewelt nicht.

„Steambirds Alliance“ ist trotz dieser Schwächen auf jeden Fall einen Blick wert - das Game ist außerdem sowieso kostenlos spielbar. Der Anspruch des Entwicklerstudios Spry Fox, die ambivalente Dynamik von MMOs mit einem zugänglichen, freundlichen und tatsächlich gemeinschaftlichen Game zu durchbrechen, ist ihm hoch anzurechnen. Darüber hinaus: Wer will nicht als rebellischer Steampunk-Vogel Jagd auf stählerne Weltraumkatzen machen?!

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