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Wallis Bird

Jens Oellermann

Funk Soul Sister

Die irische Songschreiberin Wallis Bird übertrifft sich mit ihrem bereits sechsten Studioalbum selbst. „Woman“ ist eine Ode an das Weibliche, eine sehr aktuelle, politische, aber auch persönliche Platte, die wütend und sanft zugleich ist.

Von Eva Umbauer

Wallis Bird wird von ihrem Publikum und MusikkritikerInnen gerne als „powerhouse“ bezeichnet, als Kraftwerk, ob ihrer großen Energie, die sie in ihrem Songs - und vor allem wenn sie die live spielt - ausstrahlt. Wallis Bird schreit und schont ihre Stimme dabei oft nicht gerade, und sie bedient sich des „beltings“, einem Gesangsstil, der in den 1930er Jahren entstand und dann vom frühen Rock’n’Roll übernommen wurde.

„Belting“ heißt „schmettern“. Mit durchdringender Stimme erreichte man so das Publikum im Raum, bevor es das Mikro und seine Verstärkung gab. Viele Pop/Rock-SängerInnen sind heute, vor allem seit den 80er Jahren, „Belter“ - was auch schon einmal ein wenig nerven kann. Genervt war auch Wallis Bird davon und wie sie sich bisweilen selbst damit beschränkte. Und so schlägt die in Berlin lebende Irin mit ihrem neuen Album ebenso neue Töne an.

All die, die Wallis Bird und ihre Musik schon länger kennen, brauchen sich keine Sorgen zu machen: die „alte“ Wallis Bird ist schon noch präsent am neuen Album, aber wir lernen neue Facetten von ihr kennen. So ist Wallis Bird nun weniger Folk-Punk-Musikerin als Funk-Soul-Sister, etwa beim an die US-Musikerin Janelle Monae erinnernden Stück „Salve“, in dem es eine tolle, an Prince erinnernde Gitarre zu hören gibt. Um die dunklen Seiten von Social Media geht es in „Salve“.

Wallis Bird hat aber dem Folk nicht komplett abgeschworen - ein Beispiel dafür ist der Song „Brutal Honesty“ mit seiner hypnotischen Melodie.

Bei „Time It Isn’t Waiting“ nimmt sich Wallis Bird ebenfalls zurück - und sinniert im Song: „It’s a marathon stretch.“ Marathonlaufen statt Kurzstrecken-Sprint. Es handelt sich um eine berührende, besänftigende Piano-Ballade, schließlich zeigt sich Wallis Bird nun als gereifte Küntlerin, die in der Öffentlichkeit erwachsen geworden ist. Von der jungen Singer-Songwriterin aus Irland, die ein ebenso grünes Blumenkleid trug wie ihre Heimatinsel grün ist, zur Frau und Künstlerin, die nun angekommen ist. Es war ein langer Weg, aber Wallis selbst und ihr Publikum - inklusive eure Autorin hier - wollen keinen Moment davon missen.

Wallis Bird hat kein Problem über allerlei Fehlentscheidungen zu sprechen - Fehlgriffe im Leben und Fehlgriffe in ihrer Musik. „Ich hab immer wieder auch ziemlich schlechte Musik gemacht“, lacht Wallis Bird im FM4-Interview. Überhaupt gab es auch sehr unglückliche Phasen in ihrem Leben, wie Wallis Bird das ganz offen anspricht. Wer ihre Musik aufmerksam mitverfolgte, hat das auch auf jedem ihrer Alben gespürt, gehört, gesehen. Wallis Bird war schließlich immer schon „brutally honest“ - brutal ehrlich.

Das letzte Album von Wallis Bird, „Home“, erschienen vor drei Jahren, war ein angenehm nach Innen gewandtes Album: Wallis Bird im heimeligen Kokon. Das neue, „Woman“, ist wieder extrovertierter, es hat Pop-Appeal. Wallis Bird erschlägt uns nicht mit ihren neuen Songs, auch nicht wenn uns etwa der Album-Opener gleich mit einem großen und komplexen Thema unserer Zeit konfrontiert: Migration.

„As The River Flows“, der erste Song am neuen Wallis-Bird-Album, wurde inspiriert vom Schicksal des syrischen Flüchtlingskindes Alan Kurdi. Wallis bekam das Foto mit dem tot an einem türkischen Strand liegenden Kleinkindes nicht mehr aus ihrem Kopf und schrieb schließlich diesen Song, der ein atemloses und wahrlich kathartisches Stück ist, in dem Wallis Bird eine Art Streitgespräch nachstellt, das sie vor Jahren in Irland einmal hatte, mit einem rassistischen jungen Mann, der mit ihr in die Schule ging.

Mit „Woman“, einem Album, das sich nicht gegen Männer richtet, wie Wallis Bird betont, hat sich Wallis selbst übertroffen, etwa wenn sie mit „Repeal“, dem letzten Stück am Album, pure Gänsehaut erzeugt. Es ist wieder ein politischer Track, ein Stück - samt Spoken-Word Teil, in dem es um Irland und das Thema Abtreibung geht. „Woman“, ein furchtloses (Konzept-)Album, das wie eine musikalische Kunst-Installation anmutet.

Im Song „Life Is Long“ ist es sechs Uhr morgens und Wallis Bird sitzt betrunken auf dem Bett in ihrem Hotelzimmer.

Da ist so vieles im neuen Album von Wallis Bird: Einmal erinnert sie an St. Vincent, dann wieder ist sie selbsternannter „alter Hippie“, der sich nicht scheut vor „Love Respect Peace“ und der Gefahr als naiv gescholten zu werden. „That’s What Life Is For“ ist ein lebensbejahender Pub-Rock-meets-Memphis-Soul-Song. „Woman Oh Woman!“ wiederum hat interessante Streicherarrangements.

Die alte Soul-Musik, die Wallis Bird wiederentdeckt hat, ist ein wertvoller Bestandteil ihres neuen Albums. Als Wallis ein Kind war, lief zuhause bei Familie Bird die Musik von Soul-Stars wie Al Green, Donnie Hathaway oder Roberta Flack. Musik, die eine angenehm beruhigende, aber nie einlullende Wirkung hatte, weil auch die Dinge damals in der Welt nicht einfach waren.

So erinnert sich Wallis Bird etwa an „The First Time Ever I Saw Your Face“, einen Klassiker des großen irischen Folk-Songschreibers Ewan MacColl, der in der Interpretation der US-Soul-Sängerin Roberta Flack ein großer Hit war. Wallis hatte diesen Song jahrelang nicht mehr gehört und war ergriffen, wie viel er ihr heute noch immer oder wieder bedeutet.

Im FM4-Interview erzählt Wallis Bird auch gern über ihre Kindheit in der irischen Stadt Wexford. Sie erzählt etwa davon, dass ihre Mutter einen Job als Putzfrau annahm und sich dadurch Bücher leisten konnte - Lesen war die große Leidenschaft der Mutter. Damals, als Wallis ein kleines Kind war, passierte auch dieser Unfall mit dem Rasenmäher: Alle Finger ihrer linken Hand wurden abgetrennt. Vier davon konnten glücklicherweise wieder angenäht werden. Ihre Funktion reicht aber nicht für das Spielen der Gitarre, also spielt Wallis die Gitarre einfach andersrum - längst ein Markenzeichen von ihr.

„Woman“ von Wallis Bird ist bei Caroline International erschienen.

Demnächst spielt sie auch drei Konzerte in Österreich:

  • 26.10.2019: Wien, Theater Akzent
  • 27.10.2019: Graz, Orpheum
  • 30.10.2019: Linz, Posthof

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