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„Breaking Bad“-Film: Jesse oder die Leiden der Tugend

Im „Breaking Bad“-Film „El Camino“ dreht Mr. Pinkman eine infernalische Bonusrunde, bevor er ins Walhalla der Drogendealer darf. Die Handlung des Films, der jetzt sechs Jahre nach dem Ende der Serie erschienen ist, setzt direkt nach dem Tod von Walter White ein.

Von Natalie Brunner

El camino bedeutet übersetzt der Weg. Es ist der Name des Wagens, in dem Jesse Pinkman seine Flucht aus dem Betonkäfig beginnt, in dem ihn die Nazi-Rednecks gefangen hielten. Er musste für sie das extra gute Meth brauen, so wie er es von Walter White gelernt hatte.

Die knapp zwei Stunden Spielzeit des „Breaking Bad“-Films „El Camino“ gleichen einem in die Gegenwart von New Mexico verlegten Epos der griechischen Sagen, in dem unser Held Jesse Pinkman noch diverse Prüfungen bestehen muss, bevor er sich in ein irdisches Jenseits verabschieden darf und eine neue Existenz in Frieden starten kann - jenseits des Schlachtfelds, auf dem sich Drogendealer, Polizisten, FBI-Agenten, Nazis, Rednecks, mexikanische Traffikanten, lokale Gangs, korrupte Anwälte, geldgierige Ehefrauen und allerlei anderes Gesocks tummeln, mit denen man nicht in einem geschäftlichen oder emotionalen Näheverhältnis stehen möchte.

Jesse Pinkman

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Die maßgebliche Emotion in diesem Zusammenhang ist ohnedies Rache. Das „Breaking Bad“-Universum ist von seinem Schöpfer Vince Gilligan als eine Welt erschaffen worden, in der man mit konventionellen Moralvorstellungen schnell auf der Strecke bleibt oder unter die Erde kommt. Es ist die Geschichte vom Fall des krebskranken Familienvaters Walter White, eines Todgeweihten, der im Verbrechen, den nicht regulierten, wildesten Wucherungen des Kapitalismus, ein Lebenselixier findet.

You know the business, I know the chemistry.

Mit diesen Worten startet White zu Beginn der Serie „Breaking Bad“ die Geschäftsbeziehung zu einem Ex-Schüler und Kleindealer Jesse Pinkman, die im Laufe von fünf Staffeln „Breaking Bad“ zu einer vielköpfigen Hydra positiver und negativer Emotionen und Handlungen wird. Sie lieben und hassen sich mit einer Intensität, die über ödipale Kinkerlitzchen hinausgeht.

Zieht man als Teil der Fangemeinde nach 11 Jahren „Breaking Bad“ Bilanz, so ist es Jesse, der, wenn überhaupt jemand in diesem Universum, den Titel Held verdient.

Die Handlung des Films „El Camino“, der jetzt sechs Jahre nach dem Ende der Serie auf Netflix zu sehen ist, setzt direkt nach dem Tod von Walter White ein. Um „El Camino“ folgen zu können, sollte man das Ende der Pinkman-White-Partnerschaft in groben Zügen präsent haben:

Jesse Pinkman sagt sich von White wegen untragbarer Moral los und verrät ihn an die Drogenfahnder. Es kommt zu einem Showdown zwischen der Polizei und einer von White engagierten Nazi-Gang, der Zwei zu Null für die Nazis ausgeht.

Die Fahnder sind tot, die Nazis sacken das ganze Drogengeld von White und Jesse ein, der von nun an als ihr Sklave im Käfig gehalten und gefoltert für sie Meth kochen muss. Angesichts dieses Desasters dringt doch noch ein Schimmer Licht in die dunkle Seele von White. Er befreit Jesse, erschießt alle Nazis und kassiert selbst die todbringende Kugel. Jesse braust traumatisiert mit dem El Camino davon und der Epilog von „Breaking Bad“, den wir in „El Camino“ sehen, beginnt.

Badger und Skinny Pete

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„El Camino“ ist auf Netflix zu sehen.

Es ist Jesse, der nach dem finalen Finale als Held lebt. Jesse, der Tölpel, Jesse, die Flasche, Jesse, der Schlingel, Jesse, der Junkie, der sich aber stets geweigert hat zu morden. Er wird lieber selbst gefoltert, als Blut an den Händen zu haben. Das wird in dem zu großen Teilen aus Rückblicken bestehenden Film für diejenigen, die es vergessen haben, neuerlich betont.

Erst als auch Jesses Gewissen und nicht nur sein Verstand einsieht, dass ein Chihuahua unter Wölfen keine besonders guten Karten hat und er über seinen moralischen Schatten springt, eröffnen sich für ihn neue Wege. Jesse Pinkman bekommt, was er verdient hat.

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