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Deborah Sengls Escape Room zum Thema Flucht

Deborah Sengl

In Deborah Sengls Escape-Room geht es um Flucht

Kein Mord, keine Atombombe und auch keine Zombie-Apokalypse: Die Künstlerin Deborah Sengl denkt das Escape-Room-Format politisch und künstlerisch.

Von Felix Diewald

Und dann geht die Klappe zu. Wir stehen im Laderaum eines Schlepper-LKWs und stoppen an der Grenze. Polizisten mit Hunden nähern sich, klopfen gegen die Wand. Im letzten Moment können wir den LKW über eine Seitentür verlassen und werden nicht entdeckt. Erleichterung. Dabei sind die Polizisten nur Soundeffekte, eingebettet in eine Kunstinstallation. Unsere Reaktion zeigt, wie schnell man „drin“ ist in der Flucht-Geschichte, die Deborah Sengl aufgebaut hat.

Deborah Sengls Escape Room zum Thema Flucht

Deborah Sengl

Escape-Room mit neuer Story

Escape-Rooms sind so was wie Computerspiele, nur im echten Leben. Du wirst gemeinsam mit anderen in einen Raum eingeschlossen. Um wieder rauszukommen, müsst ihr innerhalb einer Stunde verschiedene Rätsel lösen. Und Escape-Rooms boomen — alleine in Wien gibt es bereits mehr als ein Dutzend. Die Story-Lines, an denen sich die Räume orientieren, ähneln sich meist. Klassiker sind: Du musst einen Mord aufklären, eine Bombe deaktivieren oder die Welt vor einer Zombieapokalypse bewahren. Diese Eintönigkeit fiel auch der Künstlerin Deborah Sengl auf. So kam sie auf die Idee, das Erzählformat Escape-Room mit politischem und künstlerischem Inhalt zu füllen.

„Was wäre,“, fragt Sengl, „wenn dir jemand sagt: Morgen musst du weg. Was packst du in deinen Rucksack?“ Niemand, dem es gerade gut geht, würde sich das überlegen. Wer sich diese Frage allerdings stellt, erläutert Sengl, dem sind die Menschen, die flüchten mussten, weniger fremd, da man sich ihrer Geschichte annähert.

Ein Asylbeamter mit Schäferhund-Kopf

Für die Installation macht sich die Künstlerin die Spiel-Struktur klassischer Escape-Räume zu Nutze. Wir müssen Farb- und Zahlen-Codes entschlüsseln, um weiter zu kommen. Doch immer wieder wird die Game-Atmosphäre gebrochen. In einem Amtszimmer sitzt etwa Hr. Grantl, ein Asylbeamter mit dem Kopf eines Schäferhunds (Sengl wurde in der Kunst-Welt mit Mensch-Tier-Wesen bekannt). Später irren wir durch ein dunkles, enges Labyrinth — an der Wand Habseligkeiten von Geflüchteten.

Deborah Sengls Escape Room zum Thema Flucht

Deborah Sengl

„Gefühle wachrütteln, Empathie erzeugen“

Nach einer knappen Stunde wartet Deborah Sengl beim Ausgang. Wir sind vom Gerade-Erlebten noch benommen. Kurz Sammeln: Dann der Gedanke: Moment, versucht die Künstlerin hier wirklich aus einer Fluchterfahrung ein Spiel zu machen? Natürlich nicht. „Das wäre anmaßend zu sagen: Ich baue hier in eine Stunde eine Fluchterfahrung nach.“ Vielmehr will Deborah Sengl, wie sie sagt, „Gefühle wachrütteln, Empathie erzeugen und Menschen dazu bringen, sich mehr für ihr Gegenüber zu interessieren.“

Deborah Sengls Escape Room zum Thema Flucht

Deborah Sengl

Die Installation „Escape!“ von Deborah Sengl hat am 14. Oktober im Wiener Museumsquartier eröffnet.

Für das Projekt arbeitete die Künstlerin mit Geflüchteten zusammen. Sie gaben in Testläufen Feedback auf den Aufbau des Escape Rooms, brachten sich mit Gegenständen und Habseligkeiten ein, die von ihrer Flucht erzählen. Einige von ihnen werden auch als Spiel-Leiter fungieren und die Teilnehmer über Funk durch die Installation begleiten. Die Geflüchteten hätten sehr positiv auf das Projekt reagiert, so Sengl. „Der Escape Room erzählt natürlich nicht eins-zu-eins ihre Geschichte nach. Aber sie meinten, dass er es schafft, ihre Emotionen wiederzugeben.“

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