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Bulgariens „Strategie zur Beschützung des Kindes“

Die „Strategie zur Beschützung des Kindes“ verärgert in Bulgarien faschistoiden Parteien, rechte Think Tanks, evangelische Pastoren, orthodoxe Priester und Menschen, die tatsächlich Angst um ihre Kinder haben.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Plötzlich füllt sich der Schulhof im Romavietel mit zornigen Frauen und Männern. Sie stürmen die Klassenzimmer und wollen ihre Kinder mitnehmen. In den sozialen Netzwerken brodelt das Gerücht, dass das Jugendamt alle Kinder, die von ihren Vätern nicht anerkannt sind, ihren Familien entreißen werde. Diese Kinder werden dann in Norwegen zur Adoption freigegeben. Für homosexuelle Paare.

Die sogenannte „Strategie zum Schutz des Kindes“ ist vom bulgarischen Sozialministerium entwickelt worden, damit sich Kinder besser gegen häusliche Gewalt zur Wehr setzen können. Vorbild sind die skandinavischen Kinderschutz-Gesetze. Die Strategie ist von der bulgarischen Öffentlichkeit abgeschossen worden, noch bevor sie im Parlament diskutiert werden sollte.

Dagegen äußerten sich alle faschistoiden Parteien (drei davon Teil der Regierung), unterschiedliche rechte Think Tanks, evangelische Pastoren, orthodoxe Priester und Menschen, die tatsächlich Angst haben, dass norwegische Schwule ihre Kinder stehlen wollen. In einer Wahlkampfszeit entschied sich die bulgarische Regierung das Problem der Gewalt an Kindern einfach zu ignorieren. Vor allem um die leicht manipulierbaren Romawähler nicht vor der Wahl zu verlieren.

Es ist bemerkenswert, dass keiner der Empörten die „Strategie“ gelesen hat, aber trotzdem dagegen ist. Die Desinformation, die Unwissenheit und ein fehlender Dialog führen zu einer verzerrten Realität. Der gesunde Verstand, der sagt, dass ein Jugendamt nur Kinder ihren Familien entreißen kann, nachdem ihre Rechte systematisch nicht respektiert wurden, nach Jahren Arbeit mit den Eltern, nach psychologischer und finanzieller Untersützung, bleibt einfach stumm. Außerdem haben die Sozialarbeiter des Jugendamts ohne eine gerichtliche Entscheidung überhaupt nicht die Befugnisse, Kindern von ihren Familien zu nehmen.

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Besonders umstritten ist, dass laut der neuen „Strategie“ Kinder die Möglichkeit haben werden eine Hotline anzurufen, falls sie Gewalt ausgesetzt sind. Die Gegner behaupten, dass jedes Kind, das von Mama und Papa kein Eis bekommen hat, anrufen könnte und dann im nächsten Flieger nach Norwegen sitzen wird. Und in Norwegen ist es kalt. Dort kann jedes Kind einfach Zucker auf einen Schneball streuen und sofort Eis essen. Niemand hört auf die Nachrichten, dass in Bulgarien ständig Kinder brutal von ihren Eltern geschlagen werden. Neulich gab es einen Fall von einem drei Monate alten Baby mit gebrochenen Rippen in Folge der Schläge der Eltern.

Die gezielte Desinformation richtet sich vor allem an Roma-Familien. Unter den Roma herrscht in Bulgarien die höchste Arbeitslosigkeit und sie haben den niedrigsten Bildungsgrad. Viele sind auf Sozialhilfe angewiesen. Viele Väter haben ihre Kinder nicht anerkannt, damit die Mütter mehr Sozialhilfe bekommen. Diese soziale Verwundbarkeit wird von jemanden ausgenutzt, der die Gesellschaft destabilisieren will.

Und wer profitiert davon? Jemand, der predigt, dass die Werte der orthodoxen slawischen Familie über den Werten des Humanismus stehen. Leider ist dieser Text gar nicht lustig. Die Lage ist es aber auch nicht.

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