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Danny Brown in Schnürlsamt

Warp Records

Danny Brown auf der Suche nach mehr Normalität

Der Detroiter Rap-Exzentriker mit der markanten Stimme geht es auf dem neuen Album „uknowhatimsayin“ klassischer an als je zuvor. Sperrig und experimentell genug ist er aber geblieben - zum Glück!

Von Stefan „Trishes“ Trischler

Die wilden Haare sind gezähmt, der ausgebrochene Zahn repariert – und zum Schreiben der neuen Songs hat sich Danny Brown nach eigenen Angaben mit neu gekauften Polo-Hemden in die richtige Stimmung versetzt. Bei jedem anderen Rapper wären das besorgniserregende Anzeichen der Verspießerung – bei Danny Brown ist es wohl eher die Rückkehr zu einem kleinen bisschen Normalität. Die verstrahlten, hyperaktiven Songs seiner frühen Jahre waren zwar für uns Hörer sehr unterhaltsam, Danny Browns Realität dahinter war aber auch von Angstzuständen, Depression und Selbstzweifeln geprägt.

Auf „uknowhatimsayin“ hören wir einen Danny Brown, der mit sich selbst weitgehend im Reinen ist und dem das Rappen merkbar viel Freude macht. Eine wichtige Hilfe beim Entstehungsprozess der legendäre Q-Tip von A Tribe Called Quest, der als Executive Producer nicht nur die musikalische Richtung des Albums prägte, sondern auch mit viel Erfahrung aus mehr als 30 Jahren Plattenindustrie geholfen hat. Etwa mit dem Rat, sich auch im Zeitalter der kurzen Aufmerksamkeitsspannen genug Zeit zu lassen. Oder, sich auf den Hunger und den unbeschwerteren Rap-Zugang seiner frühen Jahre zu besinnen - wo die Polos scheinbar auch dazu gehörten.

uknowhatimsayin Albumcover

Warp Records

So kommt das neue Album tatsächlich „klassischer“ daher als die bisherige Diskographie von Danny Brown. Deren bisherige vier Einträge klangen aber stilistisch ohnehin so vielfältig, dass die schneidende Stimme des Detroiters der verlässlichste rote Faden war - gemeinsam mit den unerhörten Geschichten eines von Sex und Drogen dominierten Lebens.

Die wildesten Jahre sind für Danny Brown aber scheinbar vorbei: Während die letzte Platte sowohl klanglich als auch inhaltlich Abgründe ausgelotet hat und auch seinen persönlichen Kampf gegen die Süchte thematisierte, sieht sich Danny Brown jetzt eher als rappender Comedian. Allerdings von der Sorte, die der Gesellschaft hinter der Hofnarren-Maske viel schonungsloser den Spiegel vorhalten können, als es normale Berichterstatter wagen würden. Dabei nennt er Größen wie George Carlin oder Richard Pryor ebenso als Vorbilder wie den bei uns weitgehend unbekannten Joey Diaz.

Obwohl die Beats auf dem neuen Album eher aus der Boom Bap-Schule kommen, hat Danny Brown seine Vorliebe für komplexere Rhythmen lange nicht aufgegeben. Im Song Negro Spiritual etwa feiern Thundercat und Flying Lotus ihren unverwechselbaren Polyrhythmus, während der Blues-Groove von 3 Tearz wankt wie nach zwei Flaschen Moonshine.

Neben prominenteren Mitstreitern wie auch dem schon erwähnten Q-Tip, Run The Jewels oder Blood Orange wollte Danny Brown auch Kollegen eine Plattform bieten, die noch weniger Reichweite haben als er, etwa dem Avantgarde Rapper JPEGMAFIA oder der nigerianisch-britischen Charakterstimme Obongjayar. Dass beide auf der Platte mehrmals auftauchen, spricht für Danny Browns Wandlung zu einem Elder Statesman des Rap, der jüngeren Kollegen den Weg ebnet.

Die gute Nachricht: Danny Browns vermeintliche Normalität ist noch immer weird genug. Sowohl in die Beats als auch in den Vortrag des Rap-Exzentrikers mag etwas Ruhe eingekehrt sein, aber die irrlichternde Persönlichkeit ist noch immer da. Im Vergleich ist „uknowhatimsayin“ wohl trotzdem seine bisher am leichtesten durchhörbare Platte. Es bietet sich also geradezu an, die Danny Brown-Diskographie von diesem großartigen Album an rückwärts zu erkunden.

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