FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Wecker

CC0

Plädoyer für den Schulschlaf

Der Medienpädagoge Christian Swertz fordert ein Umdenken in der digitalen Grundbildung: Mehr Zeit für Ruhe, Reflexion und sogar Schlaf in der Schule seien wichtig, um Gelerntes verarbeiten zu können.

von Christoph „Burstup“ Weiss

In der Science-Fiction-Serie Star Trek gibt es eine totalitäre Gesellschaft von Maschinen-Hybridwesen namens Borg, die andere Zivilisationen unterwirft und assimiliert. Der Medienpädagoge Christian Swertz hat sich deren Begrüßungsformel ausgeborgt (pun intended), als Zusatztitel für seinen Talk über den Schulschlaf: „Resistance is futile - you will be assimilated”.

Borg

CBS

Denkt der Medienpädagoge also, dass ohne Nichtstun in der Schule junge Menschen assimiliert, also zu unselbstständigen Drohnen eines Borg-ähnlichen Kollektivs werden? „Das ist in der Tat so“, sagt Swertz, der über seine Ideen auch auf der Privacy Week des Chaos Computer Club gesprochen hat. „Digitale Grundbildung wird oft so vermittelt, dass es vor allem um „nützliches“ Wissen geht, das jetzt mit Computeranwendungen verwendet werden kann. Dann aber werden Schülerinnen und Schüler einfach nur in die jetzt existierende digitale Kultur eingepasst und haben wenig Chancen, über die digitale Kultur nachzudenken und sie selbst so zu gestalten, wie das gerne haben wollen."

Christian Swertz

Universität Wien

Christian Swertz

Nichtstun könne vor Risiken und Nebenwirkungen von Unterricht schützen, sagt Swertz. Das gehe auch aus neurobiologischen Untersuchungen hervor: Der Energieverbrauch des Gehirns zwischen hochkonzentriertem Arbeiten und Nichtstun unterscheide sich um nur zwei Prozent: „Das Gehirn arbeitet eigentlich die ganze Zeit unter Volllast. Daran zeigt sich, dass es für Menschen nicht genügt, etwas zu lernen, sondern dass sie auch über das nachdenken müssen, was sie gelernt haben, weil das Gehirn Zeit braucht, um es zu verarbeiten.“

Swertz gibt zu bedenken, dass eine Digitale Grundbildung, die sich nur an dem orientiert, was jetzt gerade benutzt wird, in Wahrheit vorbeizielt an dem, was in zehn Jahren tatsächlich gebraucht wird. Da aber keiner wisse, was in der digitalen Kultur der Zukunft wichtig sei, könne mit dem Problem am besten umgegangen werden, indem man einen Schritt zurückgehe: „Darüber nachdenken, was eigentlich digitale Kultur heißt. Sich mit den Grundlagen und den Ideen, die dahinterstecken, auseinandersetzen. Um ein Beispiel zu nennen: Die Idee von Social Media ist schon Anfang der sechziger Jahre aufgekommen und wurde seitdem untersucht und diskutiert.“

Auf der C3W Privacy Week ist Christian Swertz diese Woche noch einmal zu hören. Das Thema: Gegen dagegen ist dafür. Ein Vorschlag für eine schöne Welt für alle Menschen und was Hacker dazu beitragen können.

Christian Swertz plädiert also für zweierlei: In der Digitalen Grundbildung öfter auf grundlegende Forschung zurückzugreifen, sowie jungen Menschen in der Schule zu ermöglichen, sich damit intensiv zu beschäftigen. Die richtige Antwort der Schule auf digitale Technologien und digitale Kultur sei, "die Schülerinnen und Schüler in der Schule mehr entspannen und schlafen lassen. Denn sie verbringen ungefähr zehn Stunden am Tag mit Mediennutzung - da unterscheiden sie sich nicht von anderen Altersgruppen. Das heißt: In der Freizeit haben die gar keine Zeit, nachzudenken, sich auszuruhen und Inhalte zu reflektieren. Es könnte also sein, dass es für die Verbesserung des Schulerfolgs nötig ist, diese Ausruhphasen im Unterricht einzuplanen, weil die intensiven Arbeitsphasen mit digitalen Technologien außerhalb des Unterrichts stattfinden.“

Aktuell: