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FM4 Extraleben

FM4 Extraleben: Games und Gesellschaft

Wir sprechen über die schwierige gesellschaftspolitische Debatte, wenn es um Games und die dazugehörige Wirkungsforschung geht. Welche Parteien sind dabei involviert und warum ist diese Kommunikation so schwierig?

Von Robert Glashüttner

„Hat Gaming ein ‚Nazi-Problem‘?“, so hat FM4-Redakteur Rainer Sigl vor zwei Wochen auf diesen Seiten eine Geschichte betitelt, die sich mit der öffentlichen Debatte rund um Videospiele anlässlich des rechtsradikalen Terroranschlags in Halle beschäftigt hat. Seither läuft eine ziemlich verworrene öffentliche Debatte zwischen Politik, Medien und Gaming-Communities, die von Vorurteilen, Vereinfachungen und defensiven Haltungen geprägt ist. Probleme werden wahlweise überhöht oder gar nicht wahrgenommen, eine kommunikative Begegnung ist oft schwer und manchmal gar nicht möglich.

Wir wollen im aktuellen FM4 Extraleben, dem monatlichen Gameskultur-Talk auf FM4, diese öffentliche Diskussion ein bisschen näher beleuchten, indem wir uns den einzelnen Parteien mit ihren Argumenten und Motivationen etwas näher widmen.

20 Jahre Games-Blaming

20 Jahre ist der Amoklauf an der Columbine Highschool in Colorado in den USA mittlerweile her, und das war gewissermaßen der Beginn einer bis heute andauernden gesellschaftspolitischen Diskussion darüber, wie desensibilisierend Computerspiele wirken würden. Seither sind immer wieder Amokläufe und Terroranschläge passiert, wo die Täter in der ein oder anderen Form Computerspiele gespielt haben oder in rechtsradikalen Gaming-Communities aktiv waren.

Sprechen wir über Computerspiele!

Zu allen Themen und Sendungen von FM4 Extraleben gibt es Online-Artikel (bis März 2017 und ab April 2017).

Vielfach sind diese Anschuldigungen zwar nicht komplett monokausal, aber dennoch zu vereinfacht dargestellt oder ungenau definiert. So gab es etwa in den letzten Wochen eine Meldung über einen Politologen, der meinte, dass der Briefbombenattentäter Franz Fuchs aus einer Gaming-Szene kommen würde, wäre er heute aktiv. In dieser Meldung heißt es sehr vage „aus der Gamer-Szene“, und das ist schon mal ein irreführender Punkt, denn die eine Gamer-Szene gibt es selbstverständlich nicht. Gaming-Communities sind so vielfältig wie die hohe Bandbreite an unterschiedlichen Computerspielen.

Die Rolle der Medien

Obwohl regelmäßige Berichterstattung über Games in Publikumsmedien gängiger wird, ist dies ein langsamer Prozess. Vor 15-20 Jahren waren Computerspiele dort kaum Thema - außer es ging darum, über den wirtschaftlichen Erfolg der Branche zu staunen. Trotz der heute vielfältigeren Berichterstattung werden Texte, Berichte und Geschichten über Games redaktionsintern weiterhin dann am besten verkauft, wenn es um ökonomische Superlative geht - so und so viele verkaufte Einheiten, mehr Umsatz als an den Kinokassen, und so weiter.

Auf der anderen Seite stehen die Fachmedien, die über Jahrzehnte hinweg einen integrativen Ansatz mit anderen Kulturformen meist vermissen haben lassen und Games vielfach weiterhin als reines Konsumprodukt sehen und es quantitativ bewerten. Darüber hinaus gehen Fachmedien - wohl auch aus Sorge davor, Leser*innen zu verlieren - eine fehlgerichtete Komplizenschaft mit jenen Gamer*innen ein, die sich trotzig jeglicher gesellschaftlicher Verantwortung und der Kritik am Medium entziehen.

Mehr zum Thema:

David Riegler hat für FM4 zur Rückkehr der ‚Killerspiel‘-Debatte recherchiert. Darüber hinaus gab es eine FM4 Spielekammerl-Show zum Thema Games und Gesundheit.

Diese Bunkermentalität vieler Vielspieler*innen ist teils über Jahrzehnte gewachsen: Je mehr und je länger man sich in ein Themenfeld oder ein bestimmtes Medium einnistet, desto schwieriger wird es, das gesellschaftliche Drumherum wahrzunehmen und eine kritische Distanz zu wahren. Im Fall von Computerspielen trifft das in einem erhöhten Ausmaß zu, denn Games fordern von uns im Durchschnitt wesentlich mehr Zeit ein als andere Medien und Kulturformen wie etwa Film, Theater oder Literatur. Wer über Jahre hinweg jede Woche über 30 Stunden digitale Spiele spielt, identifiziert sich in der Regel besonders stark damit und hat oft eine dementsprechend hohe Meinung von seinem Hobby. Wenn dann Politik und Medien das Gegenteil behaupten, evoziert das bei vielen sofort eine automatisierte Abwehrhaltung.

Die Rolle der Nichtspieler*innen

Eine nicht unwesentliche Rolle in dieser Debatte nehmen auch Wenig- und Nichtspieler*innen ein. Einige davon sind nämlich nicht nur desinteressiert, sondern tragen ihre Inkompetenz und Ignoranz dem Medium Games gegenüber vor sich her. Leider ist es weiterhin so, dass es dem eigenen gesellschaftlichen Ruf nicht schadet, wenn man behauptet, noch nie ein Computerspiel gespielt zu haben oder sich damit einfach gar nicht beschäftigen zu wollen. Es wäre wohl an der Zeit, dass sich daran langsam etwas ändert. Immerhin: Viele, die in ihrer Jugend und während ihrer Lebenszeit als junge*r Erwachsene*r Games gegenüber skeptisch waren, haben heute Kinder, die spielen wollen. Doch selbst dann öffnen sich manche Menschen Spielen gegenüber nicht, sondern versuchen, ihre Kinder davon möglichst fernzuhalten. So wird eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit digitaler Spielkultur ein weiteres Mal verschleppt.

Ein FM4 Extraleben über Games und Gesellschaft

Conny Lee, Rainer Sigl und ich sprechen diesmal im FM4 Extraleben über Games und Gesellschaft, konkret über die öffentliche Debatte um die Wirkungsforschung in Bezug auf Computerspiele. Die Erstausstrahlung findet am Montag, 28. Oktober, von 21-22 Uhr statt, anschließend kann man das aktuelle Extraleben im FM4 Player sowie im FM4 Spielkultur-Podcast hören.

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