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Katharina Mader, Assistenz-Professorin der WU-Wien für Feministische Ökonomie

Gersin-Livia Paya

auf laut

FM4 Auf Laut: Frauen und Geld

Wir sehen in Österreich einen ziemlich großen Gender-Pay-Gap, aber wir haben einen noch viel größeren Vermögens-Gap. Doch jetzt gibt es einen Trend hin zum Investieren. Als Frau. Ist da was dran? Werden vermehrt junge Frauen an der Börse aktiv? Eine feministische Wirtschaftsforscherin im Interview.

Von Gersin Livia Paya

Die Ökonomie ist ein stark männlich geprägtes Feld, vor allem ein von Männern geprägtes Feld. So erklärt es Katharina Mader, sie ist Volkswirtin und am Institut für Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien und forscht zu feministischer Ökonomie.

Weiters beschreibt die Wirtschaftsforscherin eine immer wiederkehrende Veränderung der Kultur. Historisch gesehen war einmal das Ideal der nicht arbeitenden Hausfrau erstrebenswert, mit dem Blick auf den Großbürger und den Adel. Der Zustand hat sich im Zweiten Weltkrieg aber wieder verändert als Männer an die Front und Frauen erwerbstätig sein mussten. Mader lässt dabei auch die 1970er nicht aus, als Frauen in die höhere Bildung drängten. Wie sieht es aber heute aus? Podcasts darüber wie die Frau investieren kann, Bücher über Frauen und Geld, Seminare darüber wie man als Frau in den Finanzmarkt einsteigt scheinen zu boomen. Aber ist an dieser Beobachtung etwas dran? Und wieviel davon spielt sich nur in einer Mittelstandsblase ab? Katharina Mader dazu im Interview.

Wie sehen Sie den Trend, dass Frauen vermehrt am Finanzmarkt investieren?

Wir sehen in Österreich einen ziemlich großen Gender-Pay-Gap, aber wir haben einen noch viel größeren Gap bei den Vermögen. Insofern ist Investieren für Frauen eine Variante, Vermögen aufzubauen. Aber wir haben in Österreich eine starke Kultur von vererbten Vermögen, daher wird Investieren nur ein kleiner Teil der Lösung sein. In jedem Fall aber einer, der eine Umverteilung bringen kann.

Ist der Trend mit Blogs, Podcasts wie beispielsweise Investorella, u.v.m. zum Thema „Frauen am Finanzmarkt“ also nur eine Blase oder wirklich eine gesellschaftliche Entwicklung die stattfindet?

Wenn ich böse bin, sage ich, alles was am Finanzmarkt passiert, ist eine Blase. Wir beobachten aber insgesamt, über die letzten 40 Jahre, eine Entwicklung zur Individualisierung. Die Verantwortung wird immer mehr aufs Individuum geschoben:

„Wenn Altersarmut ein Thema wird, dann war es deine Verantwortung. Wenn du kein Vermögen hast, dann war es deine Verantwortung. Deshalb tu doch was dagegen.“

Wir nehmen den Staat ganz raus und sagen: „Schau, dass du dir selber dein Leben so gestaltest, dass du mal nicht davon abhängig bist, was du vom Staat kriegst“. Diese Tendenz befördert das Investieren am Finanzmarkt. Und weil Frauen auch dort hinschauen und die Problematiken sehen, ist das vermehrt ein Grund dafür, warum Frauen am Finanzmarkt tätig werden.

Wie hat sich die Ökonomie aus Ihrer Sicht in Österreich in den letzten 10 Jahren entwickelt?

Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/9 hat im ersten Schritt eine Retraditionalisierung gebracht, mit einer deutlich konservativen Einstellung im Hinblick auf Arbeitssicherung und Konjunkturprogramme, um vor allem Männerbereiche zu stützen. Die Idee dahinter war, dass zumindest eine Person in der Familie erwerbstätig sein und Lohn einbringen kann. Das war also per se nicht schlecht, aber dabei ist das Bild mittransportiert worden, dass es primär wichtig ist, die Männer-Jobs zu stützen und nicht so sehr dorthin zu schauen wo seit Jahrzehnten schlecht bezahlte Frauen-Jobs sind.

Die Wirtschaftskrise hat auch deutliche Einschnitte für viele Familien und Einzelpersonen gebracht. Wenn Einkommen sinken, sinkt auch die Inanspruchnahme von öffentlichen Dienstleistungen. Auch dann passiert eine Retraditionalisierung. Unbezahlte Arbeit kommt wieder in die Familien, weil man sich beispielsweise kein Altersheim leisten kann oder die Beiträge für die Kinderbetreuung nicht bezahlen kann. Und diese Aufgaben übernehmen dann oft Frauen. Das haben wir im Zuge der Wirtschaftskrise eindeutig beobachtet. Da ist es massiv zur Verschlechterung für die ökonomische Situation von Frauen gekommen.

„Wir sehen auch den grundsätzlichen Backlash den rechte und konservative Regierungen, nicht nur in Österreich aber gerade in Österreich, bringen.“

Die letzte Legislaturperiode hat ganz massive Einschnitte für die Gleichstellungspolitik gebracht, massive Kürzungen bei Fraueneinrichtungen und Sozialpolitik. Wenn ich Pflegegeld streiche, dann bedeutet das, dass es unleistbar wird, zu Pflegende außerhäuslich zu betreuen, das bedeutet, dass Frauen das wieder übernehmen.

Umfrage: Frauen und Geld

Wir haben Menschen auf der Straße nach ihrer Meinung zu dem Thema gefragt:

Sprechen wir von einem nachhaltigen Trend?

Nur, wenn er auch die Kultur verändert. Der Finanzmarkt ist eine männlich geprägte Kultur. Es gibt Untersuchungen die zeigen, dass Trader, während sie handeln, ähnliche Adrenalinausstöße haben wie Psychopaten. Das wirkt ganz massiv auf den Körper und bildet eine Kultur. Wenn Frauen sich dort einmischen, könnte es sein, dass diese aufgebrochen wird. In Studien und der Literatur zur Finanzkrise sehen wir, dass das nicht der Fall war. Frauen in hohen Positionen in der Finanzbranche haben sich ganz brav an die Strukturen angepasst und deshalb wurde es ihnen ermöglicht, aufzusteigen. Die Nachhaltigkeit würde ich also nur danach messen, ob sich die Branche verändert.

Heute in Auf Laut

In FM4 Auf Laut diskutieren wir am 29.10.2019 ab 21 Uhr zum Thema Frauen und Geld. Denn Emanzipation ist auch eine Frage des Geldes, soviel ist klar! Wie gelangt man also an das große Wissen, um als Frau Investitionen zu tätigen? Welche Voraussetzungen braucht es, damit junge Frauen ebenso wie Männer an der Börse aktiv werden? Wie seht ihr das Thema „Frauen und Geld“ und findet ihr, dass Männer und Frauen da unterschiedlich an dieses Thema herangehen? Und wenn ja: Wie lässt sich das ändern? Ruft an und diskutiert mit! Die Nummer ins Studio ist 0800 226996.

Oft wird das Argument angeführt, dass Frauen vorsichtiger seien also nicht risikofreudig genug für den Finanzmarkt.

Tatsächlich gab es immer wieder Studien, die versucht haben zu belegen, dass Frauen weniger risikofreudig wären als Männer. All diese Studien wurden von einer amerikanischen Professorin zusammengetragen, und das Ergebnis zeigt, dass das überhaupt nicht der Fall ist. Frauen können genauso schnelllebig und risikofreudig investieren wie Männer und tun es auch. Die Frage ist tatsächlich, ob sie das Geld dafür haben, ob sie das Einkommen dafür haben und das haben die meisten Frauen nicht. Insofern bedingt sich die Risikofreudigkeit darin, ob ich 100 Euro im Monat auf ein Sparbuch mit wenige Zinsen lege oder ob ich damit gamble.

Investieren Frauen anders als Männer?

Nein, sie investieren mit deutlich geringeren Beträgen und sie investieren seltener aber sie investieren nicht typisch weiblich. Falls es das überhaupt gibt.

Braucht es mehr Vorbilder?

Auf jeden Fall, in jeder Hinsicht und überall. Dort wo es eine kritische Masse an Frauen gibt und wo es Möglichkeiten gibt, für Mädchen zu sehen, dass Frauen das überhaupt können, dort passieren Veränderungen. Die zwei oder drei Frauen, zu denen man aufschauen kann, die sind zwar schön als Vorbilder aber wirkliche Veränderungen passieren dann, wenn ungefähr ein Drittel von Frauen als Investorinnen auftreten. Es braucht beides, zum einen die paar an der Front, aber dann vor allem die Frauen, die in der Masse investieren oder in den Finanzmarkt treten.

Im Zuge der Recherche bin ich auf einen Gründer in der Finanzbranche gestoßen. Er hat sich darüber beklagt dass es zu wenige Frauen gibt, die sich für Finanz-Berufe bewerben.

Ein wesentlicher Faktor ist die Frage, will man sich das antun. Viele Frauen kommen darauf, dass sie in so einem Macho-Bereich nicht arbeiten wollen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, es gibt in ganz hohen Positionen, international anerkannte Frauen in dem Bereich. Es ist nur die Frage, ob man sich das vorstellen kann, obwohl man weiß, dass man als „Die Eine“ die Welt nicht verändern kann. Da kann man eher nur mitspielen und am Ende nur ausbrechen und wohin gehen wo es zumindest keinen offenen Sexismus gibt.

In der Masterarbeit einer Studentin, die der Frage nachgeht, warum Startups und Unternehmen von Frauen anders finanziert werden als die von Männern, zeigt sich, dass es massive Vorurteile gibt. Startups von Frauen bringen weniger Erträge. Zugrunde liegende Vorurteile und Rollenbilder, die wir alle irgendwie in uns haben, haben auch Investor*innen in sich. Und deshalb werden Entscheidungen diskriminierend getroffen.

In Studien zu Banken sehen wir, dass etwa Kredite anders vergeben werden. Kreditrückzahlungen sind bei Frauen meist besser und trotzdem bekommen Frauen weniger und geringere Kredite. Solche Vorurteile und diskriminierende Strukturen gibt es also auch am Finanzmarkt und das beeinflusst und schafft Strukturen.

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