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Mit Voodoo Jürgens durch Tulln

Florian Wörgötter

fm4 artist of the week

Voodoo Jürgens spielt wieder

Voodoo Jürgens spielt wieder - Gitarre, Karten, das Leben. Auf seinem zweiten Album „’S klane Glücksspiel“ versammelt er 15 neue, zum Teil autobiografische, zum Teil hörspielartige Songs, in denen es ums Kartenspielen, Angst, zerrüttete Liebschaften, die Eislaufdisco in Tulln, tote Fliegen als Haustiere und die Schuljause geht. Es sind atmosphärische Miniaturen vom Rand der Gesellschaft, denen die „Ansa Panier“ mit viel Einfühlungsvermögen die nötige Farbe verleiht. Voodoo Jürgens ist der FM4 Artist of the Week.

Von Daniela Derntl

Vor drei Jahren gelang Voodoo Jürgens mit seinem Debütalbum „Ansa Woa“ ein Überraschungserfolg. Die Platte stieg direkt auf Platz eins der österreichischen Albumcharts ein und wurde kurze Zeit später mit Gold ausgezeichnet. Dass es ein Szenenhit wird, war klar, aber dass das morbide Mundart-Poesiealbum der unteren Zehntausend so breitenwirksam – auch in Deutschland - ankommt, war eine kleine Sensation. Denn ein Liedermacher wie Voodoo Jürgens ist eine rare Spezies aus dem halbseidenen Wiener Tschocherl-Biotop, das viele – wenn überhaupt – nur noch aus generationenprägenden Serien wie „Ein echter Wiener geht nicht unter“, „Kottan ermittelt“, und „Kaisermühlenblues“ kennen.

Der kettenrauchende Vagabund

Die Kunstfigur von David Öllerer wirkt trotz – oder gerade wegen seiner verbalen Grobschlächtigkeit - wie ein fein geschliffenes Relikt vergangener Zeiten. Er ist der kettenrauchende Vagabund mit Vokuhila, Peitscherlbua-Patina und Gossen-Glamour, gut durchgehangen und vergilbt wie ein Hemd aus den 70er Jahren. In seiner Welt geht’s noch ums tachinieren, und nicht ums selbstoptimieren – von dem er auch in seinem neuen Song „Ollas Nimma Deins“ erzählt.

Mit Voodoo Jürgens durch Tulln

Florian Wörgötter

Er singt von den Verlierern, Außenseitern, und Randständigen, bei denen sich ein Happy End oft nicht mehr ausgeht. Und dass sich seine eigene Karriere als Musiker, der davon leben kann, ausgeht, war auch nicht immer klar, denn jahrelang ist Öllerer in weniger bekannten Bands wie „Die Eternias“ und „K.U.N.T.Z“ durch die Lande getingelt, und hat sein Geld - biografisch wertvoll - als Friedhofgärtner, Model, Sexspielzeugverkäufer und Konditorlehrling verdient, bevor ihm der Durchbruch als Voodoo Jürgens im Alter von 32 Jahren gelang.

Doch wie sollte es nach dem unerwarteten, großen Ruhm des Debütalbums weitergehen?

Zuerst mit ausgedehnten Touren, vielen Konzerten, einem Ludwig-Hirsch-Tribute und dem von Facebook-Edelfeder Stefanie Sargnagel geschriebenen und ihm untermalten Theaterstück „Ja EH. Beisl, Bier und Bachmannpreis“, das 2020 in die dritte Saison geht. Die Krux des schwierigen, zweiten Albums hat er vor sich hergeschoben, bis der Erwartungsdruck schwächer wurde und er wieder was zu sagen hatte.

„’S klane Glücksspiel“

Und das sind 15 neue Geschichten, die er auf dem Album „’S klane Glücksspiel“ versammelt hat. Ein Titel, der etwas irreführend ist, denn es spielen nur die ersten beiden Nummern im schwindligen Zockermilieu, wie Voodoo Jürgens erklärt: „Man darf den Titel nicht zu genau nehmen. Es geht nur in zwei Songs ums Kartendübeln. Es ist auch das Musizieren damit gemeint. Das Glück, das man hat, wenn man unterwegs ist und spielen kann.“

In dem Opener und Titelsong „’S klane Glücksspiel“ hat sich Voodoo Jürgens eine echte „Gitti“ - nämlich die Jazz-Gitti eingeladen – und mit ihr schlägt er die Brücke zu dem Hit „Gitti“ von Album Nummer eins. Der schwungvolle und atmosphärisch dichte (Flipperkugeln! Automatengeräusche!) Song deckt auf, warum Gitti’s Freund, der Schnorrer-Rickerl, immer soviel Geld braucht: Er verspielt’s!

Des gibt’s jo ned, des gibt’s jo ned.
Ollas dahin.

Auch im zweiten Song steht Voodoo Jürgens kein Unbekannter zur Seite. Es ist der elegante Bar-Crooner und Jazz-Pianist Louie Austen, der ungewohnt dialektsicher mit Voodoo Jürgens ein Bummerl schnapst. Die am Punkt orchestrierte, fast schon hymnenhafte Anti-Folk-Nummer „Kumma Ned“ hat wieder diesen hörspielartigen Charakter, den man schon von seinem ersten Album „Ansa Woa“ kennt: „Ich lasse mich nicht in diesem klassischen Refrain-Strophe-Refrain-Format festnageln“, so Voodoo Jürgens im Interview, „In erster Linie geht’s darum, eine Geschichte gut zu erzählen. Und da ist man dann schnell beim Hörspielartigen, vor allem wenn man verschiedene Charaktere mit reinnimmt. Und das ist dann eh immer ein Spagat. Ist es zu hörspielartig oder nicht? Ich habe das für mich entdeckt bei der ersten Platte, und mir taugt’s. Und im Optimalfall ist es ausgeglichen.“

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Voodoo Jürgens & Die Ansa Panier spielen eine FM4 Acoustic Session

Drei Songs haben Voodoo Jürgens & Die Ansa Panier uns in einer FM4 Acoustic Session bei uns im Studio eingespielt. Hier gibt’s die Videos!

Der Taxler Onkel

Ausgeglichen scheint auch das Verhältnis von autobiografischen und fiktiven Geschichten. Das langsam in der Tragik einer Nacht kulminierende „Taxler“ wurde inspiriert von Voodoo Jürgens’ Onkel, einem Taxifahrer. In „Wem ghert des Mensch?“ erinnert er sich an die lästigen Fragen und bösen Kommentare, die Erwachsene herumstreunenden Kinder an den Kopf werfen, und widmet es deshalb auch seiner kleinen Tochter.

Das FM4 Im Viertel mit Voodoo Jürgens in seiner Heimatstadt Tulln

In dem gefühlvollen Kontrabass-Klarinetten-Schmurgler „Eislaufplotz“ geht’s um die jugendliche Aufrisszone in der Tullner Eisdisco, die von mäßigem Erfolg gekrönt war und in dem sanften „2L Eistee“ gelingt Voodoo Jürgens einer der berührendsten Songs auf dem neuen Album. Er reist dabei zurück in seine Schulzeit und singt, die feinen Unterschiede ganz genau beobachtend, über die Jause seiner Kameraden (Eistee und Chips), von der er die Familienverhältnisse ablesen konnte: „Es hat viele Kinder gegeben, die als Jause ein Packerl Chips gehabt haben. Eine Zeit lang hat man sie beneidet, aber irgendwo ist es auch ein Symbol dafür, dass diesen Kindern keiner ein Jausenbrot gemacht hat. Eigentlich geht’s darum.“

Andere Songs sind nicht autobiografisch, aber ebenfalls scharf beobachtet, wie „Angst haums“, ein Kommentar über die aufgeheizte gesellschaftspolitische Lage, oder das Lied mit dem schönen Titel „Scheidungsleichn“: „Eine Scheidungsleiche ist ein Bau, der nie wirklich bezogen worden ist. Meistens so Fertigteilhütten. Die stehen am Dorfrand, denn, wenn die Jungen bauen und nicht wegziehen, bauen sie am Dorfrand. Und dann gibt’s aber einen Wickel und die Scheidung schneller als du glaubst. Und dann ist nie jemand in dieses Haus eingezogen. Und dann steht da ein Rohbau ohne Fassade. Das ist eine Scheidungsleiche.“

Je länger das flott und forsch beginnende Album dauert, desto ruhiger, unheimlicher und skurriler wird es. In dem gespenstischen heulenden „Fenstabrettl“ geht’s um einen Mann, der sich zwei tote Fliegen als Haustiere hält, und in „Heast Do Hob I Scho Gnua“, geht’s ein weiteres Mal um eine gescheiterte Beziehung. Einzig und allein der „Ohrwaschlkräuler“ findet kein ganz so drastisches Ende: „Ohrenschlüpfer heißen bei uns Ohrwaschlkräuler, aber ich hab es mehr so wie einen Ohrwurm gemeint. Es gab auch mal die Idee, ein Album aufzunehmen mit dem Titel: Voodoo Jürgens singt seine zwölf schönsten Ohrwaschlkräuler – oder so. Davon ausgehend dachte ich mir, dass es vielleicht auch reicht, wenn ich nur eine solche Nummer mach. Die Nummer ist der Versuch gewesen, nicht immer alles so dramatisch enden zu lassen, sondern ein bisschen Hoffnung offen zu lassen.“

Eine Langspielplatte

Das Konzept, mit den schnelleren Nummern zu beginnen und mit Langsamen zu enden, kommt von der guten, alten Langspielplatte, denn Voodoo Jürgens genießt Musik ausschließlich in diesem Format: „Das Album hat zwei Seiten. Die Anzahrer-Nummern, die ein bisschen mehr Gas geben, sind auf der ersten Seite drauf, und auf der zweiten Seite wird es dann ruhiger und folkiger.
Das ist als Platte gedacht, je nachdem, wie man Lust hat. Wenn man speediger drauf ist, kann man die eine Seite hören, und wenn man gemütlicher ist, die andere. Ich hab das immer ganz gern, wenn man je nach Stimmung auch nur eine Seite hören kann.“

Mit Voodoo Jürgens durch Tulln

Florian Wörgötter

Entstanden ist „’S klane Glücksspiel“ in Wien und in der Steiermark, unter der Ägide der Produzenten von Album Nummer eins: Herwig „Fuzzmann“ Zamernik und Stefan Deisenberger (Ex-Mitglied von Naked Lunch), Wolfgang Möstl von Mile Me Deaf, Sex Jams usw. Auffallend und höchst gelungen ist, dass „’S klane Glücksspiel“ viel mehr ein Bandalbum geworden ist, als die Vorgängerplatte, die Voodoo Jürgens in bester Singer/Songwriter-Manier hauptsächlich alleine an der Gitarre geschrieben hat. Dieses Mal war die Band von Anfang an dabei: „Wir sind als Band gewachsen. Man versteht jetzt mehr, was man von jedem haben kann. Die ganze Dynamik fühlt sich jetzt anders an. Was beim ersten Album noch eher so zart verziert war, ist jetzt schon eindeutig eine Band. Das ist schon der große Unterschied.“

Voodoo Jürgens & die „Ansa Panier“ Live:
2. Dezember – Arena, Wien (Ausverkauft)
3. Dezember – Arena, Wien
4. Dezember – Rockhouse, Salzburg
5. Dezember – Treibhaus, Innsbruck
6. Dezember – Treibhaus, Innsbruck
7. Dezember – Bergfestival, Saalbach
11. Dezember – Posthof, Linz
12. Dezember – Cinema Paradiso, St. Pölten
13. Dezember – Orpheum, Graz
20. Dezember – Kino Ebensee, Ebensee
14. Februar – Kufo, Obermarkersdorf

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