„Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin“
Von Boris Jordan
Thomas Meyer aus Zürich ist Schriftsteller, Drehbuchautor, Ratgeber und Aktionist. Thomas Meyer ist der Erfinder der Figur Motti Wolkenbruch, eines intelligenten, folgsamen und schüchternen jungen Schweizers, der mit seiner orthodoxen jüdischen Familie bricht, weil er sich in eine „Schickse“, ein nicht-jüdisches Mädchen verliebt.
Die erste Geschichte von Motti Wolkenbruch „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ war der große Schweizer Überraschungserfolg der letzten Jahre, Thomas Meyers Durchbruch und ist seit sieben Jahren ein Bestseller. Die Verfilmung war die erfolgreichste Schweizer Produktion des Jahres 2018 und Schweizer Kandidat für den Auslandsoscar. Und das obwohl – darüber freut sich Thomas Meyer sehr – eine große Zahl der Dialoge in Jiddisch gehalten sind.
Am Ende des Erste Wolkenbruch Buchs steht Motti wohl vor den Trümmern seines familiären Zusammenhalts - seine Mutter hat sogar eine Todesanzeige aufgegeben – als auch vor jenen der Beziehung mit der „Schickse“ Laura, die sich anderswo umgeschaut hat.
Jetzt ist das zweite „Motti Wolkenbruch“- Buch erschienen - „Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin“ heißt dieser skurrile Nachfolger, bei dem Thomas Meyer wie gewohnt launig erzählt und lustvoll zuspitzt. Diesmal gerät der Protagonist nicht nur erneut in die Fänge einer schönen Frau, nein, nebenbei ist er noch in einen weltumspannenden Konflikt zwischen bizarren alten Nazis und einer seltsamen jüdischen Weltverschwörung verwickelt, bei dem es um Cyber War, Deep Fakes, Oralsex, Hummus und Matze geht.

Diogenes Verlag
„Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin“ von Thomas Meyer ist bei Diogenes erschienen.
Thomas Meyer liest am 6. November in der Seeseiten Buchhandlung in der Wiener Seestadt Aspern.
Die Verschwörung
Motti Wolkenbruch ist am Ende. Nach Seinem Verhältnis mit der „Schickse“ Laura redet niemand mehr mit ihm. Er sitzt deprimiert in einem Hotelzimmer in Zürich, als er von einem geheimnisvollen Mann besucht wird. Dieser scheint Mottis Geschichte zu kennen, er kennt Lauras Namen und nimmt den Verdutzten auf eine Flugreise mit. Beim Fremden handelt es sich um einen Abgesandten der „Verlorenen Söhne Israels“, einer Art Selbsthilfegruppe von jüdischen Männern, die sich vom orthodoxen Leben abgewandt haben.
Thomas Meyer: “Diese Art von Gruppierungen gibt es tatsächlich, in den USA und in Israel sind die gewachsen, weil gerade viele junge Leute sehen, dass diese Art zu Leben für sie so nicht funktioniert und sie tatsächlich Hilfe brachen in einem für sie so ganz anderen Alltag.“
Doch die „verlorenen Söhne Israels“ , die sich als ein kleiner fauler Haufen reizbarer und zerstrittener Nerds entpuppt, die in einem Kibbuz Orangen pflücken, haben noch ein dunkles Geheimnis: sie sind in Wirklichkeit das „Weltjudentum“, eine Gruppe Verschwörer, die ihm glaubwürdig versichern, dass die uralte antisemitische Wahnidee des alles unterwandernden Juden tatsächlich ihr Programm sei.
Thomas Meyer: „Die eine Idee die ich hatte, war, dass es diese berüchtigte Jüdische Weltverschwörung tatsächlich gibt, aber dass die überhaupt nicht erfolgreich ist, womit auch erklärt ist, warum die Welt noch nicht unter jüdischer Herrschaft steht – nämlich wegen Inkompetenz...“
In Alternierenden Kapiteln zu Mottis neuem Kibbuz-Verschwörer-Leben lernen wir auch die „neo-Germanen“ kennen - ja genau, Thomas Meyer erweckt nicht nur das antisemitische Phantasma der jüdischen Weltverschwörung zum Leben, sondern verhilft auch dem Klischee des effizienten, alles vernichtenden Revanche-Nazis zu Fleisch und Blut.
Diese Revanche-Nazis um ihren „neuesten Führer“ Wolf leben seit mehreren Generationen inzestuös in einem Berg in Bayern, essen nur Schweinswurst und sind voll des ihnen eigenen Hasses auf die Welt im Allgemeinen und die Juden im Besonderen. Kraft ihres Fleisch gewordenen Stereotyps der „deutschen Gründlichkeit“ gelingt es ihnen - in einer Art Umgekehrten Wernher-von-Braun-Aktion - einen jüdischen Wissenschaftler zu kidnappen, der ihnen nicht nur den lautlosen Antrieb für ihre Wundervergeltungswaffe konstruiert, sondern nebenbei auch noch das Perpetuum Mobile erfindet.
Natürlich sind auch sie zu verbohrt und zu vertrottelt, um all das nützen zu können und so wenden sie sich 30 Jahre später, immer noch den „Endsieg“ vor Augen, in der Jetztzeit dem Internet zu. Sie konstruieren eine so genannte „Hass Maschine“, einen Art Techno-Trump, einen Artifcial-Intelligence-Steve-Bannon-Automaten, der via Internet Zwietracht in die Welt trägt – und gleich noch viel böser als sie ist. Und dann muss noch den Juden das Handwerk gelegt werden.
Thomas Meyer: „Motti wird zum Anführer des Judentums, während die Neogermanen eine sehr schöne Agentin ins Rennen schicken, um Motti zu verführen und dann auszuschalten. Schon weder eine Schickse, für die Motti der erste echte Tötungsauftrag ist, was ihr große Mühe bereitet, weil Motti sich als talentierter Liebhaber entpuppt und die Israelische Küche sich als äußerst bekömmich, also sie ist da in einem großen Dilemma.“
Könnte also sein dass die Nazis auf dem Feld der Liebe und des Genusses nicht so leicht gewinnen. Aber was ist mit dem Cyberkrieg der „Hass Maschine“? Und welche Rolle spielt Shoshana, die von den Weltjudentum-Jungs aufs jüdische umprogrammierte „Alexa“, die so viele KonsumentInnen subtil zu allerlei Jüdischer Kultur und Kulinarik verführt – und auch ihre eigene Agenda zu haben scheint?
Thomas Meyer liest am 6. November in der Seeseiten Buchhandlung in der Wiener Seestadt Aspern.
Publiziert am 06.11.2019