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Manifold Garden

William Chyr

„Manifold Garden“ ist außergewöhnliche Kunst zum Spielen

Das ästhetisch umwerfende Puzzle-Game „Manifold Garden“ verlangt uns Schwindelfreiheit und Intelligenz ab.

Von Rainer Sigl

So etwas habe ich noch nie gesehen. Die Welt besteht aus klaren Linien wie bei einem Architekturplan, in der Luft schwebt unendlich oft dasselbe riesige Bauwerk und endlose Treppen führen in alle Himmelsrichtungen. Im Videospiel „Manifold Garden“ kommt man sich vor wie in einem besonders komplizierten Bild des Grafikers M.C. Escher. Zur Erinnerung: Das ist der mit den unmöglichen Architekturen, in denen sich die normalen Regeln von Orientierung und Realität auflösen.

Sieben Jahre lang hat der Chicagoer Künstler William Chyr an diesem Spiel gearbeitet. Er sehe sich an der Grenze zwischen Kunst und Wissenschaft, hat er mir in einem Interview vor vier Jahren gesagt. Jetzt ist sein Debütspiel fertig und eins kann man absolut sagen: „Manifold Garden“ ist ein interaktives Kunstwerk geworden.

Desorientierung und Staunen

Oben und unten verlieren schnell an Bedeutung, denn auf Knopfdruck dreht sich die Welt: Die Wand wird dann zum Fußboden, noch ein Klick und ich spaziere an der Decke entlang. Damit nicht genug: Wenn ich von einem Gebäudevorsprung ins Leere stürze, lande ich unter mir wieder auf demselben Gebäude, aus dem ich soeben gesprungen bin. Es ist ein alter Videospieltrick, bekannt schon aus Games-Oldies wie „Pac-Man“ und „Asteroids“ - nur diesmal in einem atemberaubend großen Raum, mit einer Fernsicht, die diese potenzielle Unendlichkeit aus der First-Person-Perspektive schwindelerregend werden lässt.

Schon die Orientierung in diesem absurden Universum ist herausfordernd, dazu kommen Rätsel, die gelöst werden wollen. Die bunten Blöcke, die als Werkzeuge und Schlüssel zum Einsatz kommen, gehorchen nämlich im Unterschied zu mir stets einer einzigen, jeweils eigenen Schwerkraft und können nur auf einer Ebene bewegt werden. Ich muss schon hin und wieder um die Ecke denken und darf vor allem nicht leicht schwindlig werden. Wer sich schon in normalen First-Person-Spielen nicht gut orientieren kann, ist hier absolut verloren.

Manifold Garden

William Chyr

Kein Spiel zum Entspannen

„Manifold Garden“ ist ein ganz besonderes Spiel, das sieht man schon auf den ersten Blick. Immer wieder möchte man sich am liebsten Screenshots ausdrucken und an die Wand hängen. Trotz des ätherischen Soundtracks ist es allerdings nicht unbedingt entspannend geraten, denn schon bei den einfacheren Rätseln kommt man ins Grübeln.

In dieser Hinsicht erinnert es eher an die psychedelische Kopfnuss „Antichamber“ und weniger an das mindestens ebenso großartige „NaissanceE“ und die brutalistischen Meditationen Moshe Linkes, in denen eher entspanntes Spazierengehen im Zentrum standen. Wer sich in die faszinierende Welt von „Manifold Garden“ begibt, muss durchaus etwas leisten.

„Manifold Garden“ ist für Apple Arcade und Windows erschienen.

Wenn es dann einmal zu viel, zu verwirrend oder zu schwer wird, heißt es am besten eine Pause einlegen und in die Realität zurückkehren, in der die Orientierung zum Glück leichter fällt. „Manifold Garden“ ist außergewöhnliche Kunst zum Spielen.

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