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Justin Vivian Bond & Ari Ban

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„Language creates reality“: Zwei Trans*-Momentaufnahmen 2019

Transgender Awareness Month: Am 20. November wird weltweit den Opfern transphober Gewalt gedacht. Die Sängerin* Justin Vivian Bond und der Künstler Ari Ban erzählen uns von ihrer Community.

Von Christian Pausch

Das Internet hat vieles verändert für die Trans*-Community. Einerseits zum Besseren, weil es plötzlich eine Menge an Informationen gab, die es sonst nirgends gab und natürlich auch, weil man sich mit anderen Trans*-Personen austauschen konnte. Das Web ist andererseits aber auch ein Ort voller Hass. Und den bekommen vor allem Minderheiten zu spüren.

„Es gibt auf Youtube schon seit den Nuller-Jahren eine ganz, ganz, ganz große Trans*-Community. Das war ewig lang die Number-One-Plattform zum Infos weitergeben“, erzählt Ari Ban, der in Kärnten aufgewachsen ist. Youtube hat aber systematisch damit begonnen, viele dieser Videos als „über 18“ zu raten, weil es von Youtube als „pornografisch“ eingestuft wird, wenn es z.B. auch um Körperlichkeiten und Genitalien geht. „Das heißt auch der Platz im Internet ist nicht ‚für uns‘, ist nicht einfach da.“

Ari Ban

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Ari Ban ist Student und Künstler in Wien.

Es muss gekämpft werden, um sichtbar zu sein und zu bleiben: im Internet, aber vor allem auch im realen, täglichen Leben. Vor Transphobie ist selbst die LGBTIQ-Gemeinschaft nicht gefeit. „Gerade wenn es so um mainstream-queere Kultur geht, also schwule Kultur, habe ich oft das Gefühl, dass es da auch kein Interesse gibt, sich mit Trans*-Personen auseinanderzusetzen.“

Auch auf Dating-Apps und wenn es ums Begehren geht, hat Ari Ban transphobe Erfahrungen gemacht. Schwule Partner, die Trans*-Männer nicht als echten (sic!) Mann wahrnehmen, lesbische Partnerinnen, die Trans*-Männer als super butch Lesben verstehen. „Aber es gibt sehr wohl Begehren gegenüber Trans*-Personen, wir erfahren Liebe. Also man ist nicht raus aus dem Game, nur weil man trans* ist.“

Nicht binär, gender-fluid, gender-nonconforming

Die Begriffe haben sich in den letzten Jahren erweitert und vervielfältigt. Trans* wird auch deshalb gerne mit Sternchen geschrieben, weil sich in diesem Begriff viele verschiedene Identitäten zu Hause fühlen können.

„Trans* fängt da an, wo das Geschlecht, das einem zugewiesen wurde, nicht passt, aus welchen Gründen auch immer“, sagt Ari Ban. Viele möchten heutzutage auch mit ihrem Trans*-Sein nicht mehr einer binären Kategorie zugeordnet werden. „Das ist aber etwas, wo ich glaube, dass es auch für Cis-Personen sehr befreiend sein kann.“

„Language creates reality“

Sprache erschafft Realität. Das weiß auch Performerin* Justin Vivian Bond. Schon in den 90ern, lange bevor es z.B. „they/them“ als inklusive Pronomen für trans* und gender-nonbinary Personen gab, hat Justin Vivian Bond ein ganz eigenes Pronomen für sich erschaffen: v, so wie der Anfangsbuchstabe von v’s zweitem Namen Vivian, mit dem v sich meistens vorstellt. „The actual look of that letter ’V’ symbolizes, what I consider myself to be: something from both sides that meet in the middle.“

Einer breiten Öffentlichkeit wurde Vivian bekannt, als v in „Shortbus“, dem Meilenstein der LGBTIQ-Filmgeschichte, die stimmgewaltige Hostess* spielte und das wunderschöne Abschluss-Lied sang. Vivian war Teil des bahnbrechenden Stage-Duos Kiki and Herb, hat eine Biografie über v’s Kindheit als Trans*-Kind mit dem Titel „Tango - My childhood, backwards and in high heels“ veröffentlicht und ist vor allem für die Interpretationen von Songs der modernen Musikgeschichte bei einer großen Fanbase beliebt.

„I am playing this nonbinary queer person on the stage of the Vienna Staatsoper, which as far as I know nobody has ever done before.“

Zur Zeit ist Justin Vivian Bond in Wien, um an der Wiener Staatsoper für die Oper „Orlando“ zu proben. In der Adaption dieser queeren Geschichte von Virginia Wolf spielt v das Kind der Titelfigur. Bühnenpräsenz sieht Vivian auch immer als eine Form von Aktivismus: „I am playing this nonbinary queer person on the stage of the Vienna Staatsoper, which as far as I know nobody has ever done before and I’ll be able to be very out and very queer and very visible, so I am excited. So yes: that’s my activism.“

Justin Vivian Bond

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Justin Vivian Bond ist Chanteuse* und Autorin* aus New York.

Dabei kennt v auch viel direktere Formen von Aktionismus: vor kurzem wurde Vivian bei einem Protest für die Rechte von Trans*-Personen vor dem US Supreme Court in Washington DC verhaftet. „I always stand on stage telling people to protest and fight, so this was one of these times, where I thought, you know, I have to put my money where my mouth is and walk the walk.“

Für Vivian und ihre Freund*innen ging die Inhaftierung glimpflich aus, sie wurden nach ein paar Stunden wieder entlassen. Doch für viele Trans*-Personen stellt die Möglichkeit einer Haftstrafe eine existentielle Bedrohung dar. Denn Gefängnisse sind Orte, in denen das binäre Geschlechter-System hart durchgreift: Sollten die Papiere einer Person nicht dem sozialen Geschlecht entsprechen, wird nicht zwei Mal gefragt und schon sitzt man z.B. als Trans*-Frau im Männerblock. „And your safety is completely taken away.“

FM4 Update Spezial

Ari und Vivian sind sich einig: Sichtbarkeit ist wichtig für die Trans*-Community, aber nur dann, wenn sie nicht zu lebensbedrohlichen Situationen führt. „The most important thing is to stay alive.“

Am Transgender Day of Rememberance erinnern wir uns an die ermordeten Opfer von Transphobie weltweit. Der ganze Monat November allerdings ist dazu da, um auf alle Aspekte der Trans*-Community ein Spotlight zu richten.

Das tun wir am Samstag 16.11. in FM4 Update um 12 Uhr mit unseren Gästen* Ari Ban und Justin Vivian Bond.

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