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Memory Banda

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Der Sammelband „Wonder Girls“ porträtiert junge Alltags-Heldinnen

Es gibt sie auf der ganzen Welt: Junge Frauen, die für ihre Rechte aufstehen, laut sind und Schritt für Schritt Veränderung herbeiführen. „Wonder Girls“ gibt einigen davon zwischen zwei Buchdeckeln eine Plattform – zum Beispiel der Aktivistin Memory Banda aus Malawi.

von Michaela Pichler

Wenn man das Jahr 2019 nach einflussreichen Personen absucht, kommt einem schnell der Name Greta Thunberg in den Sinn. Mit ihren 16 Jahren hat sie es geschafft, der westlichen Welt einen Spiegel in Sachen Klimaschutz vorzuhalten und unzählige junge Menschen auf die Straße zu bewegen. Es gibt aber noch viel mehr solcher Alltagsheldinnen wie Greta, wir kennen nur ihre Namen nicht. Ein Buch möchte dieses Versäumnis nun nachholen: „Wonder Girls“ ist ein Sammelband von der US-amerikanischen Dokumentarfotografin Paola Gianturco und ihrer Enkelin Alex Sangster. Gemeinsam bereisten sie etliche Länder auf der Suche nach Aktivistinnen, Organisationen, Kampagnen und Einzelkämpferinnen – und sie sind fündig geworden: In Indonesien, Deutschland, Israel und Palästina, in Uganda, Indien, Tonga, Kenia, Malawi, in den USA, Myanmar, Neuseeland, Kirgistan, Tansania und Mexico.

„Die Revolution wird angeführt werden von einem 12-jährigen Mädchen!“

Dieses Zitat ist eines der ersten Dinge, die einem beim Blättern gleich mehrmals im Buch ins Auge springt. Es stammt von der indischen Feministin und Dichterin Jameela Nishat. Glaubt man dem Sammelband „Wonder Girls“, gibt es nicht nur etliche Revolutionen zu starten, sondern auch mindestens genauso viele Revolutionärinnen. Sie setzen sich ein für Gleichberechtigung, Umweltschutz, für ein Recht auf Frieden und für ein selbstbestimmtes Leben.

Das Cover von "Wonder Girls"

Elisabeth Sandmann Verlag

„Wonder Girls – Unsere Reise zu den mutigsten Mädchen der Welt“ von Paola Gianturco und Alex Sangster. Die deutsche Ausgabe wurde von Maria Zettner übersetzt und ist im Elisabeth Sandmann Verlag erschienen.

Das wichtigste ist „Nein!“ zu sagen

Eine der porträtierten Wonder Girls ist Memory Banda. Sie ist eine junge Menschenrechtsaktivistin, die sich in Malawi gegen die Kinderehe einsetzt und für gleichberechtigte Bildung von jungen Mädchen kämpft. Memory ist Teil der Organisation „Girl Empowerment Network“ (GENET) und durfte bereits einen TED Talk über die aktuelle Situation für junge Frauen in Malawi halten. Nach jahrelanger Kampagnenarbeit hat GENET 2017 eines ihrer Hauptziele in Malawi erreicht: Kinderehen wurden auf nationaler Ebene verboten und das heiratsfähige Alter von 15 auf 18 Jahre erhöht. Aber nicht nur Gesetzesänderungen sind für Memory Banda ein wichtiger Schritt in Richtung positiver Veränderung: „Am aller wichtigsten ist es für mich, die Mädchen selbst zu ermächtigen - damit sie selbst sagen können „Nein! Ich muss das nicht aushalten!“ Sich bei GENET zu engagieren war für mich anfangs eine Herausforderung, weil ich noch sehr jung war. Aber durch das Erzählen meiner eigenen Geschichte wurde meine Stimme mächtig und stark.

Der Kampf um Gleichberechtigung ist für die Organisation und Memory mit dem Heiratsverbot aber noch lange nicht zu Ende. Für Mädchen in Malawi ist es nach wie vor schwer, bis zur Volljährigkeit im Schulsystem zu bleiben und einen Abschluss zu bekommen. „Es ist ein Teufelskreis, der durch fehlende Bildung immer mehr Armut unter Frauen in Malawi produziert.“, erklärt die Aktivistin. Trotz Gesetzesänderung werden immer noch junge Frauen unter 18 verheiratet, werden schwanger und müssen zu Hause bleiben. Oder sie werden von ihren Eltern in ein Initiations-Camp geschickt. Das Ziel dieser Camps ist es, Mädchen in der Pubertät auf die Ehe vorzubereiten. Am Ende jedes Camps werden die Teilnehmerinnen von einem ausgewählten Mann vergewaltigt, um ihnen beizubringen, wie sie ihren späteren Ehemann sexuell befriedigen sollen. Die Folge von diesen Lagern sind Traumata, Geschlechtskrankheiten und in vielen Fällen auch Schwangerschaften. Ähnliches ist auch Memory Bandas Schwester passiert. „Meine Schwester war erst elf, als sie schwanger wurde und schließlich heiraten musste.“ Mittlerweile ist Memorys Schwester 16 Jahre alt, dreifache Mutter und geschieden. Und sie besucht wieder die Schule. Damit das möglich ist, gibt Memory ihrer Schwester einen Teil ihres eigenen Stipendiums ab.

Empowerment durch Aktualität

Mittlerweile werden Bücherregale mit ähnlichen Sammelbänden immer voller, Bücher wie zum Beispiel „Bedtime Stories for Rebel Girls“: Schön illustrierte Bände, die oft weit in die Geschichte zurück greifen und auf wichtige Pionierinnen verweisen, manchmal fehlen aber aktuelle Geschichten. Der Einband und das Layout von „Wonder Girls“ sieht auf dem ersten Blick zwar aus wie ein DIY-Handcraft-Book á la „Wie du deinen ersten Pulli selber strickst“ oder „Wie dir dein Sukkulenten-Urban-Jungle in der Wohnung nicht abstirbt“. Inhaltlich geht es bei „Wonder Girls“ allerdings genau um Mädchen aus unterschiedlichen geografischen Gebieten, die in der Gegenwart, im Hier und Jetzt, für Veränderung einstehen. Die unterschiedlichen Geschichten und Perspektiven in sehr zugänglicher Sprache verschieben auch den eigenen Blick. Es gibt junge Frauen, die noch nicht erwachsen sind, aber für grundlegendste Rechte kämpfen. Frei nach dem Motto: Greta Thunberg ist nicht die einzige und auch nicht alleine.

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