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Aretha Franklin singt

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Die unfassbare Anmut der Aretha Franklin

Mit 47 Jahren Verspätung kommt ein sensationelles Zeitdokument doch noch in die Kinos: Soul-Königin Aretha Franklin bei ihrer mitreißenden Rückkehr zu den Gospel-Roots.

Von Stefan „Trishes“ Trischler

Wer bei diesem Einsatz nicht wenigstens ein bisschen Feuchtigkeit im Augenwinkel spürt, ist kein Mensch. Aretha Franklin hatte ja ohnehin eine Jahrhundert-Stimme, aber auf dem Amazing Grace Album klingt sie besonders „beseelt“. Kein Wunder, war die Platte für die Queen Of Soul doch eine Rückkehr zu den musikalischen und familiären Wurzeln. Ihre ersten Töne hatte Aretha schon als Kind in der Baptisten-Kirche ihres Vaters Reverend C.L. Franklin in Detroit gesungen.

Die Soul-Musik, wie wir sie kennen, entstand ebenfalls zu dieser Zeit. Künstler wie Ray Charles oder Sam Cooke sattelten damals höchst erfolgreich vom Gospel auf weltliche Themen um - teilweise bei direkter Übernahme der Melodien. Auch Aretha Franklin hatte mit 18 ihre erste sekuläre Single veröffentlicht und in der folgenden Dekade einiges erreicht: Fünf Grammies und elf Nummer-Eins-Hits hintereinander etwa. Dann beschloss die Soul-Königin 1972 ein Doppelalbum mit Gospel-Traditionals aufzunehmen. Amazing Grace, ist bis heute das meistverkaufte Gospel-Album aller Zeiten, und auch die erfolgreichste LP von Aretha selbst.

Aretha und der Gospelchor

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Der Weg der gleichnamigen Dokumentation ist wesentlich verschlungener: Der damals bereits Oscar-nominierte Regisseur Sydney Pollack wurde gebeten, den vorhersehbaren musikalischen Zauber auch bildlich festzuhalten. Ohne die damals üblichen Filmklappen erwies es sich im Nachhinein aber als zu aufwändig, die zwanzig Stunden Bild- und Tonmaterial zu synchronisieren. Sie wanderten ins Archiv.

Erst 35 Jahre später begann der Produzent Alan Elliott damit, das Material wieder zu bearbeiten. Dank neuer digitaler Methoden war die Synchronisation ungleich einfacher und 2010 war der Film dann fertig. Zu diesem Zeitpunkt wehrte sich aber Aretha Franklin rechtlich gegen einen Filmstart – ob es dabei um finanzielle oder inhaltliche Differenzen ging, ist nicht öffentlich bekannt. Erst nach dem Tod der Soul-Königin konnte Elliott eine Vereinbarung mit ihrer Familie treffen und den Film endlich auf die Leinwand bringen.

Für uns als Publikum eindeutig ein Gewinn: Wenn der Ausnahmekünstlerin während des Singens die Tränen kommen, wir die Begeisterung des perfekt gestylten Publikums ebenso sehen wie den Stolz in den Gesichtern des grandiosen Southern California Community Choir, dann sind diese sehr speziellen zwei Abende in ganz neuen Dimensionen eingefangen.

Da lässt auch darüber hinwegsehen, dass die Synchronisation offenbar nicht die einzige Schwierigkeit des Film Teams war: Gar oft sind die Kameraleute oder Sydney Pollack selbst gestikulierend im Bild. Und auch, dass Mick Jagger am zweiten Abend mit in der Kirche war, wird ein bisschen zu oft gezeigt. Das sind aber vergleichsweise kleine Kritikpunkte angesichts des wichtigen popgeschichtlichen Moments, den Amazing Grace mit genügend 70er Jahre Patina sehr schön einfängt.

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