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Kele

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Kele am Höhepunkt seines Schaffens

Der Brite Kele Okereke wurde als Frontmann der Gitarrenpop-Band Bloc Party international bekannt. Inzwischen ist er bei seinem bereits vierten Solo-Album angekommen: „2042“ ist das bisher ambitionierteste Werk von Kele.

Von Eva Umbauer

Es ist ein wenig so, als ob es gerade gestern gewesen wäre, dass Kele Okereke mit seiner Band Bloc Party das Debütalbum „Silent Alarm“ veröffentlicht hat - cleverer, schneller, britischer Indierock, dem die britischen Charts seinen Platz nicht verwehren konnten. Bis Platz 3 kletterte „Silent Alarm“.

Dennoch sind die 00er Jahre ja schon wieder ewig her, sodass man Kele vielleicht als Bloc-Party-Sänger gar nicht mehr kennt, sondern eben als Kele, der Solo-Platten macht, die durchaus etwas erratisch sein können - leicht sprunghaft, rastlos, unstet und launisch, aber letztlich immer mehr oder weniger charmant.

Kele

KOLA Records

„2042“ von Kele ist bei KOLA Records/!K7 erschienen.

„I think, it´s just a case of bringing ideas from disparate worlds together.“

Charme alleine ist Kele Okereke - so Keles voller Name - aber als Künstler natürlich zuwenig, und so packt der Brite mit den nigerianischen Wurzeln, auf seinem neuen Album ordentlich viel rein, ganz Unterschiedliches, das letztlich von seiner warmen, sehnsuchtsvollen Stimme zusammengehalten wird, auch wenn es in den Songs um keine simplen Themen geht, von Rassismus bis Brexit.

Ein politisches Album

Das neue Album von Kele, „2042“, ist wohl sein bisher politischstes, mit Songs wie etwa „Let England Burn“, wo es unter anderem um die Toten des Grenfell-Hochhausbrandes geht. Der Album-Titel bezieht sich auf das Jahr 2042, in dem Schätzungen zufolge in den USA die jetzigen Minderheiten die Bevölkerungsmehrheit stellen werden. Kele lebte in New York und ist mit US-Themen vertraut, inzwischen ist er aber wieder zurück in London, wo er zusammen mit seinem Partner und den beiden Kindern lebt, die von Leihmüttern ausgetragen wurden.

Das letzte Kele-Album, vor zwei Jahren, hieß dann auch „Fatherland“. Da war gerade seine Tochter Savannah geboren worden. „Fatherland“ wurde ein wunderschönes Akustik-Album, ein Singer/Songwriter-Album, mit Songs wie „Streets Been Talking“, die von London erzählen. Trotz US-Aufenthalts blieben Keles englische Wurzeln tief verfestigt.

Ode an schwarze Frauen

Und so geht es in einem der neuen Songs, „Guava Rubicon“, um die schwarzen Frauen von London. Kele erschuf mit diesem Stück eine Ode an all die schwarzen Frauen in der britischen Hauptstadt, die es meist nicht leicht haben, auf die herabgeblickt wird, wie Kele meint, und die oft in schlechtem Licht dargestellt werden, trotz ihres Humors und ihrer Liebenswürdigkeit.

„I named this song ‚Guava Rubicon‘ after my favourite soft drink but this song is a love letter to my favourite type of girls in the world; the black girls of London. The black woman is the most maligned figure in today’s society and I wanted to make something that celebrated her smarts, her sexiness, and her magic.“

Überhaupt, so Kele in Interviews zu seinem neuen Album, ist Rassismus etwas, das wohl niemals aufhören wird. Egal, wie erfolgreich schwarze Menschen in der sogenannten westlichen Welt sind, sie werden ihr Leben lang mit Rassismus konfrontiert sein. Den Electro-Disco-Song zu diesem Thema am neuen Album nennt Kele „Jungle Bunny“. Der Track hat einen tollen Hook und einen ebenso tollen Groove.

„I feel that as an artist you are in a privileged position, you know, your voice isn´t subject to the same rigours and rules that everybody else is. I get to travel the world and I get to speak to people and air my concerns, I have a voice, I have people that are listening to what I´m saying.“

Kele über die Verantwortung, die er, wie er findet, als Künstler hat, auch politische und soziale Themen anzusprechen. Aber Kele lässt auch schon mal locker und die Herzen vor Freude höher hüpfen, wenn er sich bei einem der neuen Songs, „Between Me And My Maker“, mit verzerrter Gitarre fast ein wenig wie ein Glamrock-Star präsentiert. Die Lyrics in diesem Stück sind jedoch zart: Ein Schmetterling landet auf Keles Hand und beginnt mit ihm zu sprechen...

„The boy you knew is different now. He’s on another plane.“ - Kele, „Between Me And My Maker“

In „Between Me And My Maker“ sinniert Kele auf poetische Weise - trotz Glamrock Vibe - über Gott und den Tod: „It’s a voice I recognize, as a child he spoke to me, he whispered softly through my toys, and sang into my dreams. Into the light is where I’ll go, my body is not my soul, when I die my spirit rise upon a cloud of gold.“

Traum und Realität

Kele zieht auf seinem neuen Album viele Register - es ist hibbelig und zappelig, nachdenklich und zornig, aber eben auch sehr poetisch und persönlich. Und ja, manchmal greift Kele vom Vibe her auch auf Bloc Party zurück, etwa bei „Between Me And My Maker“.

Ein Song wie „Ceiling Games“ ist schlichtweg betörend, „Natural Hair“ ist wunderschön sehnsuchtsvoll, „Ocean View“ hat ein tolles Piano und tolle Beats und wieder diese warme Schönheit in der Stimme von Kele.

Aber auch der amerikanische Football-Superstar Colin Kaepernick kommt am neuen Album von Kele vor: „St Kaepernick Wept“ heißt der Song, samt Textzeile „I don´t believe in heaven, but I believe in you“. Der Heilige Kaepernick weinte. Colin Kaepernick, der rebellische Quarterback, der nun schon seit drei Jahren auf ein neues Team wartet. Er kniete damals während der US-Nationalhymne vor den NFL-Spielen, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren, die sich vornehmlich gegen Schwarze richtet. Nach der Saison wurde er entlassen - und bis heute von keinem Teambesitzer mehr eingestellt.

Auf „Back Burner“ rappt Kele zart und singt „sometimes it feels like we´re dreaming.“ Das Träumen und die Realität. Provokation und Unterhaltung. Das Göttliche und das Weltliche. Leben, Tod - und Wiedergeburt, und die Metamorphose des Schmetterlings. Das alles und noch viel mehr findet sich in den neuen Songs von Kele Okereke. „2042“ ist eine richtig gute, intensive Platte geworden, der bisherige Höhepunkt in der Solo-Laufbahn des Kele Okereke, und vielleicht, ja vielleicht, macht Kele dann irgendwann ja auch wieder einmal ein Bloc Party Album.

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