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Maryam Zaree mit Helm, kopfüber in der Luft. Filmstill aus "Born in Evin"

Tondowski Films

FILMFESTIVAL

This human world ist ganz schön komplex

Außergewöhnliche Geschichten, die jedoch universelle Fragen auf die Kinoleinwände werfen, zeigt das This human world Filmfestival.

Von Maria Motter

Instagram und Menschenrechte, wie geht sich das aus? Das „this human world“ Filmfestival in Wien bezieht sich auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1948 und zeigt Filme, die in diesem Kontext überraschen.

In einhundert Filmen aus zig Staaten bringt uns „this human world“ Persönlichkeiten näher, die auf den ersten Blick in unterschiedlichen, wenn nicht konträren Gesellschaften leben. Doch eines haben alle gemeinsam: Sie setzen sich für Menschenrechte ein.

Hier kommen Filmtipps für das „This Human World“ Festival!

Das „this human world“ Filmfestival in Wien zeigt vom 28.11. bis 10.12. hundert Filme im Gartenbaukino, im Stadkino, im Schikaneder und im Top Kino.

„Born in Evin“

„1991: Meine Mama Nargess war 26 Jahre alt und lebte allein mit mir in Deutschland. Ich habe auch einen Vater, aber er konnte nicht bei uns sein - aus irgendeinem Grund. Darum haben wir ihm diese Videoaufnahme in den Iran geschickt. Iran war das Land, aus dem wir kamen.“
Die Home-Video-Aufnahmen sind heute untermalt mit „Learning“ von Parfume Genius und Maryam Zaree ist mittlerweile 36. Sie ist Schauspielerin, im Berliner „Tatort“ spielte sie bis vor kurzem die Gerichtsmedizinerin. Ihr beeindruckendes Regiedebüt „Born in Evin“ wird das Festival This Human World eröffnen.

Maryam Zaree unter Wasser mit geschlossenen Augen.

Tondowski Films

Die deutsche Schauspielerin macht in ihrem Regiedebüt „Born in Evin“ ihre Familiengeschichte zu einem Thema, das alle angeht

Der Dokumentarfilm glänzt durch seine Dynamik: Maryam Zaree erzählt ihre so persönliche wie politische Geschichte. Ihre Mutter musste Maryam in einem Gefängnis auf die Welt bringen, doch über die Umstände zu sprechen, scheint unmöglich. „Born in Evin“ berichtet von Diktatur und Verfolgung, zugleich ist der Film geprägt von einer unbändigen Liebe zum Leben und zu Menschen.

Angehörige von Folteropfern halte deren Bilder hoch. Filmstill aus "Born in Evin".

Tondowski Films

„Reconstructing Utøya“

Traumata stehen auch im Zentrum der Dokumentation „Reconstructing Utøya“. Der Terror des schwer bewaffneten Rechtsextremen, der binnen 72 Minuten 69 Teenager auf der norwegischen Insel Utøya nahe Oslo ermordet hat, wird darin wortwörtlich bearbeitet. Fünfhundert Jugendliche waren 2011 für ein Sommercamp der norwegischen Labour Party zusammengekommen.

Vier der Überlebenden treffen sich für „Reconstructing Utøya“ mit anderen Jugendlichen in einem Filmstudio. Mit Klebeband und einer Mischung aus Familienaufstellung und Schilderung des Tathergangs teilen Rakel, Mohammed, Jenny and Torje ihre Erinnerungen - dabei werden sie gefilmt. Die Überlebenden werden dabei auch zu den RegisseurInnen ihrer Erinnerungen.

Jugendliche bringen Klebebänder in einem Bühnenraum an.

Henrik Bohn Ipsen

„Reconstructing Utøya“

Regisseur Carl Javér und sein Produzent Fredrik Lange hatten die Idee zu diesem Experiment, das von einem Psychologen begleitet wurde. Dass die Black-Box-Situation des Studios zwischendurch immer wieder verlassen wird und man die Jugendlichen auch im Freien, in der Natur sieht, nimmt einigen Momenten, die den Eindruck von Voyeurismus hervorrufen könnten, die Kritik.

„One day in history“: Die Fotografin Andrea Gjestvang hat Überlebende des rechtsextremen Terrors eines Einzelnen auf Utøya 2011 porträtiert.

„Reconstructing Utøya“ ist auch ein Film für all jene, die sich nicht wagen, Erik Poppes Spielfilm „Utøya 22. Juli“ anzuschauen (Anm. „Utøya 22. Juli“ läuft nicht am This human world, der Spielfilm ist on demand erhältlich): In einer Laufzeit von 72 Minuten - so lange wie der rechtsextreme Massenmord andauerte - und ohne Schnitt inszeniert der norwegische Regisseur das Massaker aus der Perspektive der Opfer. Auch in diese Filmproduktion waren Überlebende stark eingebunden.

Ein Jugendlicher lacht inmitten anderer Jugendlicher. Er hat den Massenmord auf Utøya 2011 überlebt.

Henrik Bohn Ipsen

Torje war 14, als er um sein Leben von einer Klippe springen musste, um einem rechtsextremen, schwer bewaffneten Terroristen zu entkommen.]

„Searching Eva“

Im Film „Searching Eva“ wird das Publikum mit einer jungen Italienerin in Berlin konfrontiert, die versucht, sich als Anarchistin im Kapitalismus und im Patriarchat mit selbst erklärter Sexarbeit und der ärztlichen Diagnose Borderline zu behaupten. Sie stellt sich als Eva Collé vor, hat kein Problem mit Sexszenen vor der Kamera und für tumblr-Bilder weist sie auch ihre Mutter als Smartphone-Fotografin ein.

Regisseurin Pia Hellenthal war und ist beeindruckt davon, dass Eva Collé frei von Moral über ihr Leben erzählt. Im Film führt Eva als Off-Stimme Tagebuch und hält Ideen fest.

Eva Collé steht auf einer Terrasse und fotografiert sich mit dem Smartphone. Filmstill aus "Searching Eva".

Corso Film

„Searching Eva“ porträtiert die Anarchistin Eva Collé

Eva Collé ist Selbstdarstellerin, sie wirkt unaufgeregt und sympathisch. Der Film „Searching Eva“ setzt sie in ihrem Alltag wie für Fotoshootings in Szene. Collé führe ein ach so krasses Online-Leben und sei Influencer, heißt es zum Film. Doch man muss regelrecht nach diesen Accounts suchen, der Instagram-Account huldigt einer Ästhetik, die von den größten Kindheitsfrisuren und -modestilen der 80er und 90er Jahre, allzeit gern teil-entblößter Körperstellen in Nahaufnahmen und möglichst trashig-prekären Wohnsituationen geprägt ist.

Tumblr sei das bevorzugte Medium gewesen, sagte der Protagonist diese Woche in einem Interview im Programmmagazin „tipBerlin“. „Instagram ist jetzt das große Ding, aber als es auftauchte, war ich eher verwundert: Die Bilder kamen mir so klein vor. Und alle sind seltsam, wollen etwas verkaufen.“

Drei junge Frauen in der Badewanne. Filmstill aus "Searching Eva".

Corso Film

„Searching Eva“ oder die Inszenierung von Intimität

Die Eva aus dem Film „Searching for Eva“ ist heute Adam, identifiziert sich als Mann und sagt: Identität ist ein Mittel. Der Film wiederholt sich in seiner Aneinanderreihung von Bettszenen und Ausflügen in illustrer Gesellschaft. Ernüchterung ist ein Motiv und ansteckend wie Gähnen. Und doch verlässt man das Kino nicht ohne neue Gedanken. Etwa, wenn Eva im Film ein Brettspiel entwirft: „A board game that depicts the life of a woman in our century. There is a track with numbered steps, and you throw the dice and end up on stuff like ‚Manipulated boyfriend, spent 2000 on therapy after breaking up‘ or ‚Sexual assault - Go five steps back!‘, ‚Eating disorder - Lose three life points‘. You win, if you make it alive to the end.“

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