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Juice Magazin

Keinen Saft mehr

Das wichtigste deutschsprachige HipHop-Magazin JUICE stellt seine Print-Ausgabe ein.

von Johann Voigt

Vor einigen Monaten fuhr der Rapper Fler in das Berliner Büro des HipHop-Magazins JUICE und bedrohte die Redakteure. Er war mal wieder sauer auf die Redaktion. Vermutlich vor allem darüber, dass er nie auf dem Cover des Magazins war und dass er ab und zu eine negative Rezension über eines seiner Alben lesen musste. Diese unmögliche Aktion zeigt zum einen, was für Problemen HipHop-Journalisten auch im Jahr 2019 ausgesetzt sind, denn Redaktionsbesuche, Drohanrufe und Drohmails waren in der Geschichte der JUICE keine Seltenheit. Und sie zeigt auch, dass die JUICE über 20 Jahre nach Veröffentlichung der ersten Ausgabe im Jahr 1997 noch eine Relevanz hat. Sonst würde sich ein Rapper nicht extra in sein Auto setzt und hinfahren, weil ihm die Berichterstattung nicht gefällt, anstatt wie viel anderen Kolleg*innen einfach bei Instagram zu pöbeln oder sie zu ignorieren.

Das JUICE-Magazin war lange Zeit das relevanteste HipHop-Medium im deutschsprachigen Raum. Vor allem aus drei Gründen: Cover-Wahl, Kronen-Bewertungen über den Rezensionen, Journalistische Unabhängigkeit. Trotzdem erscheint am 28. November 2019 mit dem Heft Nr. 195 die letzte Printausgabe. Danach soll es ab März 2020 als reines Onlinemagazin weitergehen.

„Ökonomisch gesehen gleicht eine weitgehend unabhängige Produktion eines Printprodukts angesichts der aktuellen Marktlage auf lange Sicht einem langsamen, aber sicheren Selbstmord“, schreibt die Redaktion als Begründung unter anderem auf ihrer Website. Damit verschwindet das letzte deutschsprachige reine HipHop-Medium, in dem lange Essays über Nischenthemen, gut recherchierte und gut geschriebene Texte über die Szene einen Platz haben - für die Autor*innen auch ein Honorar bekommen. Bei Medien wie dem österreichischen HipHop-Magazin The Message schreiben Autor*innen ehrenamtlich.

Fast alle anderen HipHop-Medien setzten vor allem auf Videocontent bei YouTube und neuerdings auch auf Podcasts. Dass das JUICE Magazin online ein Nischendasein geführt hat und die Redakteure fast ihre ganze Energie in die Printausgabe gesteckt haben, war ökonomisch gesehen vermutlich die falsche Strategie. Dem Heft aber hat es gut getan. Es ist selbst zu einem essentiellen Teil der HipHop-Kultur geworden.

Ausschnitt aus dem letzten Juice Magazin Cover

Juice Magazin

„Was für ein Gefühl mich in der Juice zu sehen/ Ich brauch’ nur ein Blatt Papier Um in der Juice zu stehen“ rappte Bushido 2004 auf seinem Song „Nie Wieder“. Das Cover des JUICE Magazins zu bekommen war damals das Maß aller Dinge, war es für viele Rapper auch zuletzt noch, obwohl die JUICE sich nur noch sehr schlecht verkaufte. Teils unter 5000 mal am Kiosk. Miami Yacine von der KMN Gang, einer der großen neuen Deutschrapstars, rappte noch in diesem Jahr auf seinem Song „Intro“: „Millen mit Shows nach dem Riesenhype per Scheck/ KMN auf der Juice-Titelseite, check!“ Das JUICE-Cover wird seit zwei Jahrzehnten in Deutschraptracks erwähnt. Genauso die sogenannten Kronen-Bewertungen, die über den Rezensionen im Heft zu lesen waren. Sechs Kronen waren das Maximum. Es gab Jahre, da wurde kein einziges Album mit sechs Kronen ausgezeichnet. Zuletzt bekam Trettmanns „DIY“-Album die Höchstwertung. Früher kauften Leser*innen Alben nur anhand der Kronen-Bewertungen. Weil man sich weder aufs JUICE-Cover kaufen konnte noch die Kronen-Wertungen der Redaktion beeinflussen konnte, weder mit Geld, noch mit Drohungen, wurde das Magazin als Geschmacksinstanz immer ernst genommen, von Rapper*innen geliebt und gehasst.

Doch 2019 haben die meisten Künstler*innen keine Lust mehr darauf Interviews zu geben. Sie haben längst ihre eigenen Social Media-Kanäle mit höherer Reichweite und ohne die lästigen kritischen Fragen von Journalist*innen. Rezensionen sind nichtig geworden, weil Musik vor allem über Streaminganbieter und Playlists konsumiert wird, sich junge Leute lieber ihre eigene Meinung bilden, als von einem Magazin diktiert zu bekommen, was gut und was schlecht ist.

Was der JUICE bleibt ist die journalistische Unabhängigkeit und ein renommierter Autor*innenstamm. Ob es möglich ist, das Magazin auch online zu etablieren hängt davon ab, ob der Verlag Piranha Media Geld investiert. Zuletzt kümmerten sich nur noch drei freie Mitarbeiter um das Heft. Das reicht nicht. Gerade jetzt ist es an der Zeit für ein finanziell unabhängiges, kritisches HipHop-Magazin.

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