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APA/HANS PUNZ

Die AIDS-Hilfe Wien will ihr Angebot ausweiten

Die medizinischen Fortschritte bei der Behandlung HIV-positiver Menschen sind beachtlich. Doch die Zahl der Neuinfektionen mit HIV beibt konstant, und die Ansteckungen mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten steigen sogar. Die AIDS-Hilfe Wien reagiert darauf.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Seit 2010 wissen wir, dass eine HIV-positive Person, die optimal therapiert wird, das Virus nicht mehr weitergeben kann. Seit 2016 ist in Österreich die PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe) zugelassen, eine Pille, die gesunde Menschen einnehmen können um sich vor einer Ansteckung durch HIV zu schützen. Das sind große medizinische Fortschritte - die aber vielleicht auch ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln.

Wolfgang Wilhelm, Obmann der AIDS-Hilfe Wien, spricht von „Kondom-Müdigkeit“. Sie führe dazu, dass die Zahl an HIV-Neuinfektionen in Österreich konstant bleibt. Noch drastischer ist die Entwicklung bei den Krankheiten Syphilis, Tripper, Chlamydien und der viralen Hepatitis, die wieder auf dem Vormarsch sind - in Österreich und auch weltweit. Zusammen mit HIV spricht Wolfgang Wilhelm von den „Big Five“: weltweit stecken sich pro Jahr 376 Millionen Menschen damit an - das sind mehr als eine Million Infektionen pro Tag.

Deshalb will die AIDS-Hilfe Wien in Zukunft Tests und Beratung für alle fünf Krankheiten anbieten. Wilhelm: „Es macht keinen Sinn, dass wir im AIDS-Hilfe-Haus den Menschen Blut abnehmen und sie auf HIV testen, dann aber nicht gleich die Chance nutzen, auf alle Big Five zu testen.“

Mobile Gesundheitschecks und Heimtest-System

Die AIDS-Hilfe Wien will außerdem mehr mobile Stationen für Gesundheitschecks anbieten, sowie das Heimtest-System S.A.M. nach Österreich bringen - in Deutschland und Großbritannien wird es bereits genutzt. Dabei wird nach einmaliger Registrierung in regelmäßigen Abständen ein Testkit nach Hause geschickt. Man entnimmt einen Tropfen Blut am Finger, schickt die Probe ans Labor und erhält dann das Ergebnis retour. Sinnvoll, sagt der Obmann, sei das vor allem für jene Menschen, die der Weg zur AIDS-Hilfe Wien mehrere Stunden kosten würde.

HIV Heimtest

APA/dpa/Jörg Carstensen

Außerdem möchte Wolfgang Wilhelm die AIDS-Hilfe Wien vom Test- und Beratungszentrum zum medizinischen Behandlungszentrum ausbauen: „Wenn wir die Menschen jetzt schon testen, dann gehen sie vielleicht mit einer positiven Diagnose hinaus und müssen sich dann einen Arzt oder eine Ärztin suchen. Dabei existiert eine weitere Hemmschwelle. Wir wollen daher Behandlungsmöglichkeiten bei uns im Haus aufbauen.“

Diskriminierungsfreie Therapie

Die Therapie soll unmittelbar und diskrimnierungsfrei erfolgen - gerade letzteres ist auch 2019 noch nicht selbstverständlich. Die Ärztin Brigitte Schmied hört in Zuge ihrer Beratungstätigkeit oft von haarsträubenden Fällen: „Ein Patient wird spät und mit einer schweren Pneumonie diagostiziert - und es erfolgt der Vermerk: HIV-positiv, daher keine intensivmedizinische Intervention indiziert. Das ist schrecklich, denn es stimmt einfach nicht. Im Gegensatz zu früher können sich diese Patienten von einer schweren Erkrankung wieder erholen.“

Die HIV-Therapie sei außerdem heute viel einfacher und verträglicher als früher. Patienten nehmen nur noch eine Tablette pro Tag ein, die wenige bis gar keine Nebenwirkungen habe. Allerdings sei das Leben mit einer HIV-Infektion trotzdem gekennzeichnet von Problemen und Schwierigkeiten, sagt Schmied. Diskriminierungen, Jobverlust und Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg ins Berufsleben würden zum Alltag vieler Patienten gehören.

Das trügerische Gefühl von Sicherheit, das durch bessere Therapien und Medikamente entstanden sei, führe jetzt auch dazu, dass das Durchschnittsalter der Menschen mit HIV-Neuinfektionen rapide sinke. „Es kommen mehr junge Menschen zu mir, die in den neunziger Jahren geboren sind, als früher.“ Der Ausbau des AIDS-Hilfe-Hauses vom Beratungs- zum Behandlungszentrum ist auch deshalb ein wichtiger Schritt. Die AIDS-Hilfe Wien versucht, ihn mit gleichbleibendem Budget zu stemmen, bittet aber um Spenden.

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