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Musik-Streaming in den 2010er Jahren

In den letzten zehn Jahren haben Musik-Streamingdienste wie Spotify, Amazon Music und Co. den Musikmarkt umgekrempelt und CDs und Downloads abgelöst. Die zwei Musikwirtschaftsexperten Hannes Tschürtz und Dietmar Lienbacher erklären im Interview, was das bedeutet und wie österreichische Artists damit umgehen.

von Michaela Pichler

Vor zehn Jahren waren Plattformen wie Spotify noch in den Kinderschuhen. In Österreich spielten Musik-Streamingdienste im Vergleich zu anderen Musikformaten eine untergeordnete Rolle: „Damals konnte man in etwa von einem jährlichen Streaming-Umsatz von 500.000 Euro sprechen“, erklärt Dietmar Lienbacher, Präsident des Verbandes für österreichische Musikwirtschaft (IFPI). 2018 hat sich der Umsatz auf ganze 50 Millionen Euro erhöht. Heute sind Streamingdienste eine der lukrativsten Einnahmequellen, meint Dietmar Lienbacher: „Im Jahr 2019 ist es mittlerweile so, dass Streaming das beliebteste Format des Österreichers ist für den Musikkonsum. Und mittlerweile in der ersten Hälfte 2019 für über 50 Prozent der Recorded-Music-Umsätze verantwortlich ist.“

Auch im aktuellen Music Listening Report 2019, den der IFPI im November veröffentlicht hat, sprechen die Zahlen für sich: 89 Prozent der international Befragten nutzen Musikstreaming-Dienste zum täglichen Gebrauch. In den österreichischen Haushalten sei allerdings noch Luft nach oben: „Wenn wir von Paid-Accounts – also bezahlten Streaming-Abos - sprechen, dann liegt dieser Wert im Moment in Österreich ungefähr bei 15 Prozent. In Nordeuropa, in Ländern wie Schweden oder Norwegen, liegt das schon jenseits der 50-Prozent-Marke“, so Lienbacher.

Streaming-Wunderwuzzis

Auf dem Weg zum Streaming-Erfolg gibt es laut Lienbacher untern den Bands und Artists Gewinnende und Verlierende. Einer der international ganz großen Gewinner ist Drake: Er war im letzten Jahr der meist-gestreamte Künstler auf Spotify, gefolgt von Post Malone, XXXTentacion, J Balvin und Ed Sheeran. Eine ausschließliche Würstel-Party also. Die erfolgreichste weibliche Künstlerin auf Spotify war Ariana Grande.

In Österreich ist Deutschrap hoch im Kurs. Allen voran RAF Camora. „Der hat ja wirklich schon mal die österreichischen Charts auf den Kopf gestellt!“, meint IFPI-Präsident Dietmar Lienbacher. Es gibt aber außerhalb von Deutschrap auch noch andere Streaming-Wunderwuzzis in Österreich, die wissen, wie man das Internet für sich gewinnt. Das weiß auch Labelgründer Hannes Tschürtz von Ink Music: „Da fallen mir viele Beispiele ein, die die österreichischen Grenzen damit gut überschritten haben. Wir haben selber im Haus mit Leyya ein gutes Beispiel, wo man einfach deutlich leichter in Mexiko Erfolg haben kann, als das vor 15-20 Jahren noch möglich gewesen wäre.“ Aber auch bei Mavi Phoenix ist beispielsweise die komplette Release-Strategie auf Streamingdienste wie Spotify ausgelegt.

Klicks und Cash

Die unsichtbare Musik-Cloud, die sich aus allen Streamingdiensten ergibt, bildet eine riesige Musikbibliothek: Über 50 Millionen Songs sind gleichzeitig Segen und Fluch - letzteres vor allem für Artists, die versuchen, im Überangebot nicht unterzugehen. Jedes Lied ist sofort überall verfügbar und kann schnell viral gehen – und dann entscheiden mittlerweile auch noch oft Algorithmen, welches Lied als nächstes „passt“. Eine Entwicklung, die sich vor allem in den letzten Jahren immer mehr durchgesetzt hat, sind ganz bestimmte Playlists: Beim Bigplayer Spotify gibt es in Deutschland beispielsweise eigene Playlist-Redaktionen, die entscheiden, wer rein darf und wer nicht. Eine neue Art von Gatekeeper also im Musikbusiness.

Mehr zu den 2010ern gibt es am Sonntag, den 1. Dezember, in einer Sondersendung zu hören: Mit „Sound of a Decade“ blickt FM4 auf die fünfzig wichtigsten Songs des Jahrzehnts zurück!

Hannes Tschürtz steht dem Playlist-Modell kritisch gegenüber: "Auch wenn ein Titel gut in einer Playlist funktioniert, heißt das noch gar nichts. Es heißt noch nicht einmal, dass sich jemand deinen Namen gemerkt hat. Man muss nicht in den „New Music Friday" kommen - es ist natürlich angenehm, wenn man einen Push bekommt wie diesen, aber die komplette Strategie darauf auszulegen, dass du von einem Spotify-Redakteur in Berlin gemocht wirst, ist hoch riskant.“

Die Antwort auf die Gretchenfrage nach dem Rubel, der für Artists durch Streaming-Klicks rollt, ist auch nicht eindeutig. Im Internet finden sich zwar die angeblichen Tarife, bei denen Spotify pro Klick zwischen 0,03 Cent und 0,04 Cent liegt. Vor pauschalisierenden Faustregeln warnt IFPI-Präsident Dietmar Lienbacher allerdings: „Das wird jedes Mal wirklich individuell vereinbart, nach Nutzung und nach Vertragsarten.“ Eine Erfolgs-Garantie für Künstlerinnen und Künstler gibt es auf jeden Fall nicht, wie Hannes Tschürtz meint: „Das Spannende und das Schöne an der Musik ist, dass es keine goldene Regel gibt, wie’s funktioniert. Die pure Zahl – „auf Spotify hab‘ ich jetzt eine Million Plays“ – heißt noch gar nichts.“

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