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Rapid Präsident Bruckner hält eine Rede

APA/HERBERT PFARRHOFER

Blumenaus Fußball-Journal

Der letzte Präsident alten Stils

Stillstand, Unzufriedenheit und die neue Macht der Investoren: die dieswöchige Wahl eines neuen Präsidenten von Rapid Wien spiegelt anschaulich die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen des Landes.

Von Martin Blumenau

Zuerst war es überraschend, dass es erstmals in der jüngeren Geschichte von Rapid zu so etwas wie eine Kampfabstimmung über den Vorsitz in diesem größten Mitgliederverein des Landes gekommen war. Bis dato hatten sich die bestimmenden Kräfte im Vorfeld zusammengesetzt und sich gemeinschaftlich, quasi sozialpartnerschaftlich geeinigt. Soll noch einer behaupten, dass eine direktere Demokratisierung und Transparenz nicht auch „unten“ angekommen wären. Denn auch der Bestellungsprozess wurde von den Hinterzimmern in ein recht gläsernes Komitee verlagert. Und weil zwei Listen inhaltlich eben nicht kompatibel waren, kam es zur Richtungsentscheidung.

Die zweite Überraschung war dann die Tatsache, wie knapp das Ergebnis ausfiel. Die Liste Bruckner (moderat-leichte Kurs-Korrekturen, aber more of the same, für Peschek-Barisic-Kühbauer, mit Rückendeckung der Ultras, Distanz zu meckernden Legenden der Preisklasse Krankl-Konsel, aber vor allem klar gegen den Typus „Investor“ engagiert) hatte nur geringen Vorsprung auf die Liste Schmid (Kritik an der letzten Präsidentschaft, obwohl letztlich natürlich auch im more-of-the-same-Rahmen, Unterstützung der Mecker-Legenden, aber eher gegen die Ultras, gegen Peschek und auch gegen Kühbauer und sogar Barisic, mit Herzog in der Hinterhand und einem Investor, dem stadtbekannten Michael Tojner im Rückraum) - hier die genauere Wahlkabine-Analyse.

Muppet-Logen und starke Männer

Es ist vorstellbar, dass einzelne Mitglieder tatsächlich auf Basis der Sympathie für einzelne selbsternannte Legenden (deren Zurufe auf Muppet-Logen-Niveau diesen Status aber de facto längst zur Lächerlichkeit hin zerstört haben) abgestimmt haben - die beiden zentralen Kriterien, anhand derer die Entscheidung gefällt wurde, waren andere: zum einen die Frage nach der kurzfristigen Zufriedenheit mit dem aktuellen Personal, zum anderen die Frage der langfristigen Einflußnahme von Investoren, also „starken Männern“. Beides sind hochemotionale Punkte, die kurzfristige Personalfrage ist noch dazu eine, wo Fakten fast gar keine Rolle spielen. Die Furcht vor dem Investoren-Präsident (egal ob offen oder einen Strohmann) hat auch mit der Ablehnung von bei der Konkurrenz erlebten Mateschitz-, Stronach- oder Kartnig-Situationen zu tun. Selbst starke Präsidenten wie Benya oder Edlinger waren von dieser kontrollelosen Machtfülle weit entfernt.

Dass nun fast die Hälfte der Mitglieder bereit waren sich einen in der Vergangenheit verfemten „starken Mann“ an Bord zu holen, ist überraschend.

Die Gründe dafür sind vielfältig - und haben ebenso mit Rapid als auch mit Österreich in seiner Gesamtheit zu tun: die Entscheidungen spiegeln wesentliche gesellschaftliche Prozesse wider.

1)
Die Unzufriedenheit ist ein stärkerer Motor als je zuvor. Früher war (egal ob bei Rapid, in der Politik oder sonstwo) sudern, motschkern, deppert-daherreden genauso angesagt wie jetzt, wo die Social-Media-Hallräume die Stammtische ergänzen. Der Unterschied ist der Wille zur Handlung. Wurde früher davor zurückgescheut Zustände, die mehr recht als schlecht vor sich hinröchelten, zu ändern (eine landestypische Extremsituation, weil die gelernten Österreicher wussten, dass nix Besseres nachkommt), sagt das aktuelle Bewusstsein: auch schon wurscht. Die digitale Flüchtigkeit führt zur anderen Extremsituation: dem vorschnellen, auf Fatalismus fußenden Handeln.

Für Rapid heisst das: das Gefühl der Machtlosigkeit (gegenüber dem Salzburger Vorsprung) und das Mißtrauen gegenüber den Verantwortungsträgern (die es mit ihrem Kurs nicht schaffen die Lücke zu schliessen und von Linz und Wolfsberg locker überholt werden) führen nicht zu Analyse und entsprechenden Maßnahmen, sondern zu hektischem Aktionismus.

2)
Alle langfristig ausgelegten Umfragen/Studien zeigen: die Tendenz zum „kleinen Hitler“, der „herghört“, also die Herr-Karl-mäßige Duldung eines starken, mit Mandat zum Autoritären ausgestatteten Führers, ist seit Jahren im Steigen begriffen. Die Angst vor Mißbrauch dieser Machtfülle sinkt entsprechend, die Lust sich auszuliefern steigt - auch weil man sich zunehmend nicht mehr selber mit komplexer werdenden Problemen beschäftigen will und froh ist, wenn ein lächelnder Volkstribun mit dem Angebot sich der Sache anzunehmen daherkommt.

Für Rapid heisst das: wer über keine ideologisch begründete Vorsicht gegenüber dem mächtigen Investor verfügt, findet nichts Schlimmes dabei sich auszuliefern; und das lieber einem konkret faßbaren Diktator als einer schwammig zu greifenden „Elite“.

Einschub: zum problematischen Thema „Elite“ bzw der völlig gewandelten Begriffsdefinition kommt demnächst ein eigener Journal-Eintrag.

3)
Diese selbst bei Rapid, dem historischen Wiener Kraftfeld spürbare Aushöhlung von Kollektivismus und Gemeinschaftssinn ist Resultat der zahllosen öffentlichen Predigten und Handlungsanleitungen, der medial und socialmedial verbreiteten Erfolgsgeschichten von Eigenverantwortung, Egoismus und des implizit gutgheissenen Nach-Unten-Tretens, der Verachtung des Schwächeren, kurz: des seit den 80ern global dominierenden Neoliberalismus.

Für Rapid heisst das: wenn nicht mehr Kontinuität, Entwicklung und Spiel-Philosophie, sondern nur noch Gewinn, Mitteleinsatz und der kurzfristige Erfolg relevant sind, dann ist es völlig egal, ob jemand mit finanziellen oder auch nur persönlichen Partikular-Interessen an der Spitze steht oder jemand, der die Befindlichkeiten der Mitglieder managt.

der unterlegene Roland Schmid gratuliert dem neuen Rapid Präsidenten Martin Bruckner

APA/HERBERT PFARRHOFER

Roland Schmid (links) gratuliert dem neuen Präsidenten Martin Bruckner.

Der Preis für den Fortbestand des kollektiven Gedankens

Das Wahl-Ergebnis hat eine solche Entwicklung nun (wohl das letztemal) verhindert. Der Preis dafür ist hoch: inhaltlicher Stillstand. Geschäftsführer Peschek wird weiter die Ultras (deren Emo-Unterstützung bzw Geschäftsschädigungs-Beiträge ein unendlich kräftezehrendes Nullsummenspiel ergeben) streicheln, Coach Kühbauer weiter Ausreden für Mißerfolge wegen seines Nicht-Coaching erfinden. VIelleicht schafft es die sportliche Leitung den Nachwuchs/Unterbau so aufzusetzen, dass er es wieder in die erste Reihe schafft und das A-Team mitzieht.

Die Parallelen zur (planlosen, analyseresistenten und handlungsarmen) Sozialdemokratie und der alten Koalitionsregierung sind jedenfalls deutlich, die Lust einer (selbst beim gesellschaftspolitisch selbstbewussten Arbeiterverein Rapid) größer werdenden Gruppe nach neuen, bereits leise autoritären Strukturen und populistischen Ansagen überdeutlich.

Groteskerweise wurde diese kommende Mehrheit von jenen overrult, die sich einem verdummenden Wagenburg-Populismus verschrieben haben, der alles, was Rapid mit nur genug Emotion unternimmt, glorifiziert (bis hin zu „Hoit die Pappn“) und jede analytische Kritik von außen als Majestätsbeleidigung zurückweist, sich also Bayern-München-artigen Zuständen nähert. Überlebensfähig ist eine solche selbstgefällige Kartenhaus-Philosophie aber nur bei entsprechender finanzieller Potenz - über die Rapid nicht verfügt, die aber die nämliche Investorenriege in Aussicht stellt. Andererseits: wenn der Verein aber weiter nur auf Platz 4 oder 5 vor sich hin dümpelt, wird der Veränderungswille noch größer werden und der nächste Präsident dann ohnedies Schmid oder Tojner (oder jemand dieser Preisklasse) sein.

Ohne eine inhaltliche und selbstkritische Selbstbesinnung dieses großen Mitglieder-Vereins war diese Niederlage der neuen Typologie an Vereinsführer also ohnehin die letzte ihrer Art - und somit ein Wendepunkt der heimischen Fußball-Geschichte.

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