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Erich Moechel

Know-How der EU-Geheimdienste für Europol

Auf der Tagesordnung des EU-Ministerrats ab Dienstag steht auch ein Briefing der Minister durch Geheimdienstvertreter des sogenannten „Berner Clubs“ an. Zudem sollen auch Vertreter der nationalen Militärgeheimdienste als Berater beigezogen werden.

Von Erich Moechel

Die neue EU-Kommission ist im Amt und die neue Legislaturperiode beginnt so, wie die letzte geendet hat. Ab 2. Dezember tagt der Rat der Innen- und Justizminister in Brüssel, neben der Asylpolitik steht der grenzüberschreitende Datenzugriff in der EU aber auch für US-Strafverfolger im Zentrum. Ein diesbezügliches Abkommen wird gerade verhandelt, am 10. Dezember ist der nächste Termin dazu in Washington.

Auf der Tagesordnung in Brüssel ab Dienstag steht auch ein Briefing der Minister durch die „Counter Terrorist Group“ (CTG), einem Ableger des aus dem BVT-Skandal bekannten „Berner Clubs“. Wie auch aus mehreren anderen Passagen der Agenda hervorgeht, steht eine engere Zusammenarbeit dieser und anderer Geheimdienstgruppen mit Europol im Raum.

EU Ministerrat Agenda

EU Ministerrat

Das betreffende Dokument ist zwar offiziell als Pressemitteilung ausgewiesen, zu finden ist es derzeit allerdings nur über die Datenbank der britischen Bürgerrechtsorganisation Statewatch

Strafverfolger und „Intelligence Actors“

Die Terroranschläge in Europa hätten klar gezeigt, dass eine Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgern und „Intelligence Actors“ unerlässlich sei, heißt es im Text. Die Fachminister hätten ja bereits 2016 vereinbart, die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit in „Gebieten von gemeinsamen Interessen“ auszuloten. Das allerdings unter „genauer Beachtung der Alleinkompetenz der Mitgliedsstaaten für nationale Sicherheit“. Die CTG fällt allerdings weder unter die Kompetenz der Kommission, noch des Ministerrats, denn das ist ein informeller Zusammenschluss der Geheimdienste aller Mitgliedsstaaten, sowie Norwegen und der Schweiz.

Worin diese Zusammenarbeit von Geheimdiensten und Polizei bestehen könnte, findet sich direkt davor im Text. Unter den vier essentiellen Themen, die „in die aktuelle Legislaturperiode übernommen werden sollen“ steht „proaktiver Zugang zu neuen Technologien“ in der Punktation ganz oben (siehe Screenshot unten). Um den zu fördern, sei ein „gemeinsames Informationslabor bei Europol“ geplant, um europäischen Strafverfolgern neue Technologien nahezubringen. Das erinnert frappant an die transatlantischen „International Law Enforcement Seminars“ (ILETs), in denen Strafverfolger von Vortragenden aus dem nachrichtendienstlichen Bereich über neue Entwicklungen in der elektronischen Überwachung seit den späten 90er Jahren unterrichtet werden.

EU Ministerrat Agenda

EU Ministerrat

Diese Passage lässt nur die eine Schlussfolgerung zu.

Know-How von Militärgeheimdiensten

Die ILETs waren in den späten 90er Jahren erstmals in der Berichterstattung zu den ENFOPOL-Überwachungsplänen des EU-Ministerrats aufgefallen]]

Ganz offensichtlich ist ein ähnliches „Joint Venture“ nicht nur mit zivilen, sondern auch mit militärischen Geheimdiensten geplant. Unter den vier Hauptthemen, die nach Willen des Rats in die nächste Legislaturperiode übernommen werden sollen, findet sich auch „multi-disziplinäre grenzüberschreitende, Zusammenarbeit“. Durch die ständig steigende Gefahr durch „CBRN-Waffen und hybride Bedrohungen“, die über die „traditionelle grenzüberschreitende Zusammenarbeit hinausgehen“, sei es unerlässlich, auch „andere Entitäten und andere Agencies in der EU“ einzubeziehen.

Gemeint sind damit europäische Militärgeheimdienste, denn deren Aufgabe ist es „chemische, biologische, radiologische und nukleare“ sowie hybride Bedrohungen (CBRP) abzuwehren. Es wird also in dieser Legislaturperiode noch eine weitere, solche gemischte Arbeitsgruppe im Rahmen der EU-Kommission geben, in denen militärische Nachrichtenaufklärer den Ton angeben. Dazu muss freilich für jeden weiteren Schritt die Zustimmung aller daran beteiligten Mitgliedsstaaten eingeholt werden.

EU Kommission

EU Kommission

Das ist das Dokument über den Verhandlungsstand mit den USA nach den ersten beiden Runden. Mehr Details und Hintergründe über das Wirken der CTG und des „Berner Clubs“ gibt es in diesem englischsprachigen Artikel der deutschen Fachzeitschrift CILIP, die der „Linken“ nahesteht.

Datenzugriff für US-Behörden in Europa

Die EU-Verordnung zur Beweissicherung im Netz wurde im Frühjahr 2018 als Reaktion auf den „Cloud Act“ in den USA gestartet.

Ein weiteres Briefing erwartet die Minister über den Stand der Verhandlungen über den grenzüberschreitenden Datenzugriff „zur Sicherung von Beweismitteln“ mit den USA . Nach langem Hin- und Her hatte der Ministerrat dafür im Juni grünes Licht gegeben. Dem waren allerdings heftige Auseinandersetzungen im Rat vorausgegangen, Deutschland und mehrere andere EU-Staaten hatten eine aktive Rolle für die eigene Justiz verlangt, wenn ausländische Strafverfolger auf Daten und Telefonate auf ihrem Hoheitsgebiet zugreifen wollen.

Ein Durchsuchungsbefehl aus den USA würde auch die Provider und Telekom in Österreich zur Herausgabe von Benutzerprofilen und Metadaten verpflichten, ganz ohne Beteiligung der heimischen Justiz und Polizei. Genau das sieht die auch als „E-Evidence“ bekannte Verordnung zur grenzüberschreitenden „Sicherung von Beweismitteln“ vor, denn das gesamte Konvolut inklusive eines Abkommens mit den USA wurde ja nur dazu erstellt, grenzüberschreitende Datenzugriffe zu beschleunigen. Dafür ist dem Ministerrat nichts anderes eingefallen, als die Umgehung der jeweiligen nationalen Justizsysteme.

Wie es weitergeht

Die Verordnung ist erst im November im zuständigen Parlamentsausschuss angekommen, Berichterstatterin ist die Abgeordnete Birgit Sippel (SPE). Die ist gerade dabei, eine erste Version des Parlaments zu erstellen. Von der lässt sich bis jetzt nur sagen, dass sie sich in wichtigen Punkten von der Ratsversion unterscheiden wird. Auch im Rat bestehen die grundsätzlichen Bedenken vieler Regierungen gegen solche Regulation, die tief in die bestehenden, nationalen Gesetze eingreift, auch weiterhin. Sie werden spätestens dann wieder aufleben, wenn die erste Parlamentsversion des Textes im Ministerrat zur Diskussion gestellt wird.

Was die CGT bzw. den übergeordneten „Berner Club“ betrifft, von dessen Informationsflüssen das österreichische BVT nach der Skandalserie teilweise abgeschnitten ist, so dürfte es diesem Fall keine Probleme geben, solange es nur um islamistischen und nicht um rechtsextremen Terrorismus geht.

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