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Filmstill The Farewell: asiatische Familie vor Regenbogen

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Teigtaschen gefüllt mit Familienlügen im Weihnachtsfilm „The Farewell“

Regisseurin Lulu Wang zimmert ihre eigene Familienlüge zu einem komischen Familiendrama zusammen und thematisiert die Zerrissenheit zwischen verschiedenen Lebensrealitäten der sinoamerikanischen Protagonist*innen. Das Ergebnis ist ein Weihnachtsfilm, durch den man seine eigene Familie ein kleines bisschen lieber haben wird.

Von Philipp Emberger

Während hierzulande illegale Teigtascherlfabriken ausgehoben werden, mangelt es im Film „The Farewell“ von Regisseurin Lulu Wang nicht an Essen. Salate, Teigtaschen und Fleischgerichte türmen sich in vielen Szenen vor der Familie Wang. Dabei könnte die Familie von einer Zutat einen Nachschlag benötigen: Ehrlichkeit. Die Großmutter Nai Nai leidet an Krebs und hat nur noch wenige Monate zu leben. Anstatt ihr diese Wahrheit zu sagen, wird kurzerhand eine Hochzeit in der chinesischen Heimat auf die Beine gestellt, um der im Ausland lebenden Familie die Möglichkeit zu geben, sich von ihrer geliebten Großmutter unbemerkt zu verabschieden.

Begreifbar wird die Familiendynamik der Wangs durch Hauptdarstellerin Awkwafina, die in die Rolle von Nai Nais Enkelin Billi schlüpft. Nach „Ocean’s 8“ und „Crazy Rich Asians“ ist „The Farewell“ ihr nächster Schritt auf der Hollywoodkarriereleiter. Für die Erarbeitung der Rolle dürfte ihre eigene Familiengeschichte hilfreich gewesen sein. Nach dem Tod ihrer Mutter entwickelt Awkwafina eine enge Bindung zur Großmutter. Dieser Parallelismus zwischen Rolle und Schauspielerin wird im Film besonders sichtbar, wenn Billi kurz davorsteht, die Großmutter über ihre unheilbare Krankheit aufzuklären und sichtlich mit der Familienlüge hadert.

Filmstill The Farewell: Asiatische Familie sitzt vor gedecktem Tisch

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Das Lügenkonstrukt von „The Farewell“ erinnert an den deutschen Film „Good Bye, Lenin!“. Anstelle von Spreewaldgurken gibt es Wan Tan. Statt Berlin heißt der Handlungsort Changchun. Beide Filme basieren auf realen Gegebenheiten und zeigen die Auswirkungen auf eine einzelne Familie. Eine Familienlüge bildet die komische Grundprämisse und aus dieser Situation heraus entstehen in „The Farewell“ lustige Momente. Gegen Ende des Films verstummt der komödiantische Ton aber und wirft die Frage auf, ob es in Ordnung ist, mit guten Absichten zu lügen. Diese ruhige Note kombiniert mit einer ausgefuchsten Kamera-Choreografie verleihen dem Film mehr Kraft als jedes polternde Hochzeitsritual.

In „The Farewell“ arbeitet Regisseurin Lulu Wang die Unterschiede zwischen den Lebensrealitäten der sinoamerikanischen-Protagonist*innen heraus. Während die in den USA lebende Billi die Familienlüge hinterfragt, will ihre Familie die Last der Krankheit anstelle der Großmutter tragen. Sichtlich zerrissen zwischen ihren chinesischen Wurzeln und ihrer amerikanischen Erziehung hadert Billi mit dieser Situation. Diese Zerrissenheit wird dann sichtbar, wenn Billis Onkel ihr erklärt, dass es Aufgabe der Gesellschaft ist, das Leid als Kollektiv zu tragen.

Im Doppelspiel mit ihrer Film-Großmutter, dem chinesischen Leinwandstar Zhao Shuzhen, verleihen die beiden dem Film einen nachdenklichen Ton. Dabei täuschen die lustigen Momente nicht darüber hinweg, dass in manchen Szenen die Komik konstruiert wirkt und sich allzu sehr auf die vorgegebene komische Situation verlässt. Diese Momente sind aber verzeihbar, denn „The Farewell“ ist ein unterhaltsamer Film, der es schafft, die eigene europäische Sichtweise zu hinterfragen. Gerade jetzt in der Weihnachtszeit ist „The Farewell“ ist ein guter Film, weil man nach dem Ansehen die eigene Familie ein bisschen stärker ins Herz schließen wird. Immerhin basiert der Film auf einer wahren Familienlüge.

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