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Ein Mensch und blaue digitale Linien

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Influencer, Wählerbeeinflussung, Streaming und vernetzte Sextoys: die Zehnerjahre im Netz

Wenn wir heuer Silvester feiern, dann geht nicht nur ein Jahr zu Ende, sondern ein Jahrzehnt. Eine Dekade, in der sich die Welt nicht zuletzt aufgrund von Technologie und Vernetzung stark verändert hat.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Die Zahl der Internetnutzer*innen hat sich in diesem Jahrzehnt verdoppelt: von zwei auf vier Milliarden Menschen. Unter anderem liegt das an den Einstiegspreisen für Smartphones, die - insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern - auf umgerechnet weniger als 100 Euro gesunken sind. Mit der gestiegenen Popularität der Smartphones ging eine Flut an neuen Social Media einher: Instagram, Whatsapp, Snapchat, TikTok etc. Einige schon in den Nullerjahren existierende Plattformen wie Facebook und Twitter wuchsen weiter.

Mit dem rasanten Aufstieg von Social Media wurde das Influencer-Marketing gewichtiger denn je: Personen mit starker Präsenz in sozialen Netzwerken veränderten die Art, wie Produkte vermarktet werden. Die Grundfesten der Werbung, die Jahrzehnte lang gleich geblieben waren, wurden durcheinandergewirbelt. Werbende geben heute mehr Geld in Social Media als in traditionellen Medien aus. Das blieb nicht ohne Folgen für Politik und Gesellschaft.

Social Media Icons auf einem Smartphone

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Wahlmanipulation

Datenanalyse-Unternehmen wie Cambridge Analytica saugten in großem Stil über Sicherheitslücken Daten von Social Media ab und analysierten sie, mit dem Ziel, durch individuell zugeschnittene Botschaften das Wählerverhalten zu beeinflussen.

Dass so auch die Ergebnisse des Brexit-Referendums und der US-Präsidentschaftswahl beeinflusst wurden, darf spätestens angenommen werden, seitdem der Whistleblower Christopher Wylie, früher Director of Research bei Cambridge Analytica, gesprochen hat: Ihm sei der Einfluss seiner Technologie gar nicht bewusst gewesen, gab er bei einem Hearing im britischen Parlament zu: „2016 begann ich mir anzusehen, was die Firma in den USA genau tat. Und ich begann zu erkennen, dass die Projekte, an denen ich arbeitete, einen weit größeren Einfluss hatten, als ich erwartet hatte.“

In der Endphase des US-Wahlkampfes 2016 wurden die 20 erfolgreichsten Falschmeldungen öfter geteilt, geliked und kommentiert als die 20 erfolgreichsten Berichte seriöser Medien. Studien zeigen, dass Fake News sich im Netz weit schneller verbreiten als echte Nachrichten. Viele Aktivitäten führten zur „Internet Forschungsagentur“, einer Troll-Fabrik in Sankt Petersburg. 100 Millionen Facebook-User erhielten Falschnachrichten aus Russland, von Fake-Konten wurden 100.000 US-Dollar für Anzeigen gezahlt. Die Social-Media-Konzerne gerieten zunehmend unter Druck und mussten reagieren. Sie stellen mehr Personal ein, um Falschmeldungen und Hasspostings zu löschen. Bis aber eine Falschmeldung enttarnt wird, haben oft schon Millionen Menschen die Nachricht konsumiert.

Jahrzehnt der Streamingdienste

Im Jahr 2012 überholte das Marktvolumen digitaler Musikverkäufe das der CD-Verkäufe. Streamingdienste wie SoundCloud und Spotify wurden im Lauf des Jahrzehnts zum beliebtesten Vertriebssystem bei den Musikliebhaber*innen. Analog dazu nahm auch hinsichtlich von Filmen und Fernsehserien die Bedeutung von Streaming-Plattformen wie Netflix zu.

Einen völlig neuen Sektor im Entertainment-Bereich eröffneten preisgünstgige Virtual-Reality-Headsets: zuerst das Oculus Rift, gefolgt von HTC Vive, PlayStationVR und Valve Index. VR drang noch nicht in den Mainstream vor, doch ihre Bedeutung wird im nächsten Jahrzehnt zunehmen.

Programmcode

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Stark gewachsen ist in den Zehnerjahren das sogenannte Internet der Dinge. Vernetze Kaffeemaschine im Büro, online gesteuerte Heizung zuhause, kontaktloses Bezahlen mit dem Smartphone im Supermarkt: aktuell befinden sich rund 30 Milliarden Geräte im Internet of Things - teilweise mit absurden Folgen, wie voriges Jahr der Sicherheitsforscher Werner Schober in seiner Studie The Internet of Dildos gezeigt hat. Darin geht es um die schwerwiegenden Sicherheitslücken von Sextoys mit Internetverbindung und deren integrierten Social Networks: Die meisten der von ihm untersuchten Geräte hätten „wahnsinnig viel nach Hause telefoniert“. Sie schickten Daten – oftmals unverschlüsselt – an zentrale Server, darunter Fotos, Videos, Nachrichten, Chats und Postadressen der Userinnen und User. Die Studie ist ein Lehrstück dafür, wie IoT-Anwendungen besser nicht implementiert werden sollten.

Vernetzung nimmt zu

Dass die Vernetzung im nächsten Jahrzehnt dennoch zunehmen wird, ist aufgrund einiger Zukunftstechnologien erkennbar: 5G wird das mobile Internet nicht nur um das hundertfache beschleunigen, sondern auch viel mehr Verbindungen gleichzeitig mit stark verringerter Latenz ermöglichen. Damit werden etwa auch selbstfahrende Autos, die seit diesem Jahrzehnt auch keine Science Fiction mehr sind, besser kontrollier- und ansteuerbar. Mit der ebenfalls in dieser Dekade herangewachsenen Blockchain-Technologie, federführend dabei Bitcoin und Ethereum, können bald winzigste Bruchteile eines Eurocent Millionen mal pro Sekunde automatisiert gesendet und empfangen werden. Das heißt: das Internet der Dinge verbindet sich mit einem Internet der Wertübertragung. Dessen Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft sind heute so schwer vorstellbar, wie vor zehn Jahren die Folgen von Smartphones und Social Media.

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