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APA/ANGELIKA KREINER

Wie sich die Entwicklungszusammenarbeit verändert hat

Seit knapp 60 Jahren gibt es die Entwicklungszusammenarbeit in Afrika. Wie sie sich verändert hat, wieso sie kritisiert wird und was aktuell passiert.

Von Felix Diewald

In den 1960er-Jahren werden viele Länder in Afrika unabhängig. In dieser Zeit ensteht die globale Entwicklungszusammenarbeit für den Kontinent. Das Ziel: den Staaten in ihrer neuen Unabhängigkeit helfen. Damals ist das Geld dafür vor allem in Großprojekte geflossen, in Kraftwerke, Straßen, Industrieanlagen. Oft kamen die Mittel für den Bau aufgrund von Korruption aber gar nicht an. Und wenn doch, waren die daraus entstandenen Produkte weder rentabel noch international konkurrenzfähig, sagt Erwin Künzi von der Austrian Development Agency, kurz ADA. "Viele dieser Betriebe wurden geschlossen und stehen heute als Ruinen, als sogenannte „weiße Elefanten" in der Landschaft herum.“

Großer Plan statt kleinen Lösungen

Die Herangehensweise an Entwicklungszusammenarbeit hat sich geändert, sagt der Ökonom Klaus Friesenbichler vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. „Die Zeiten, in denen man einfach Geld in Entwicklungsländer geschickt hat, die dann in korrupten Regimen versickerten, sind hoffentlich vorbei.“ Mittlerweile gebe es Kontroll-Systeme, die sicherstellen sollen, dass Projekte auch tatsächlich umgesetzt werden.

Es geht darum, strukturelle Schwächen zu verbessern.

In den letzten Jahren sei man sich in der Entwicklungszusammenarbeit bewusst geworden, wie wenig kleinteilige Lösungen am großen Ganzen ändern, sagt Erwin Künzi von der ADA. Statt zum Beispiel einzelne Brunnen zu bauen, setzen NGOs und Industrieländer jetzt öfter auf Finanzierungen für einen ganzen Sektor, wie etwa die Wasserversorgung eines Landes. Oder man unterstützt gleich das Budget des zuständigen Ministeriums direkt. „Es geht darum, strukturelle Schwächen zu verbessern. Nur so kann es zu einer nachhaltigen, über ein ganzes Land oder eine ganze Region hinausgehende Entwicklung kommen.“ Die Geldgeber kontrollieren zwar noch, wie die Mittel verwendet werden, die konkrete Umsetzung des landesweiten Brunnenbaus aber managen die lokalen Behörden.

Doch auch, wenn diese Programmfinanzierungen und Budgethilfen einigermaßen funktioniert haben, ist in den letzten Jahren Ernüchterung eingetreten. Oft waren an diese nämlich große politische Erwartungen geknüpft. Die Hoffnung: dass sich durch Investitionen auch die staatlichen Institutionen vor Ort verbessern und etwa die Demokratisierung gestärkt wird. Oft wurde man dabei leider enttäuscht.

Cash aus privater Hand

Parallel zur offiziellen Entwicklungsarbeit gewinnen auch private Investitionen von Unternehmen an Bedeutung. Dieser Schub wurde vor allem durch China ausgelöst, das sich verstärkt in Afrika engagiert, sagt Wifo-Ökonom Klaus Friesenbichler. Auch andere Länder wie die USA haben mittlerweile nachgezogen. Die Motivation dahinter: Man möchte den politischen Einfluss in Afrika wahren und sich den Marktzugang sichern. Gelder aus der Wirtschaft sind aber auch wichtig, um die globalen Entwicklungsziele zu erreichen, die sich die United Nations bis 2030 gesetzt haben.

Diese Hilfe ist eine Katastrophe für den Kontinent.

Das Konzept der Entwicklungszusammenarbeit als solcher steht immer wieder in der Kritik. Simon Inou ist Journalist und Herausgeber des Wiener „fresh Magazin“ und beschäftigt sich schon lange mit dem Thema. Er schlägt ein Experiment vor: „Pausieren wir die globale Entwicklungszusammenarbeit in Afrika für ein Jahr. Dann sehen wir, was passiert.“ Die Staaten würden dann selbst lokale Lösungen schaffen, glaubt Inou.

Seit fast 60 Jahren werde schon Entwicklungsarbeit geleistet - und trotzdem gäbe es keine Veränderung, so Inou. „Mittlerweile wissen wir: Diese Hilfe ist eine Katastrophe für den Kontinent. Dieses Geld hat Abhängigkeiten geschaffen. Und die sind verbunden mit Unterwürfigkeit. Der Weiße, der immer hilft. Das ist nicht das Bild, das wir in Europa von Afrika brauchen.“ Inou findet es paradox, dass sich trotz der Entwicklungszusammenarbeit kein Land wirklich entwickelt hat. Diesen Vorwurf kennt Erich Künzi von der ADA. Er findet, das reicht nicht als Argument: „Ohne die Entwicklungszusammenarbeit wären diese Länder womöglich noch weiter in die Armut abgerutscht.“

Klaus Friesenbichler vom Wifo betont, dass man die Entwicklungszusammenarbeit nicht alleine für die Armut in Entwicklungsländern verantwortlich machen kann. „Sie ist durchaus dazu imstande, einzelne Projekte gut umzusetzen. Ein großer, systemischer Wandel muss allerdings von innen kommen.“

Es hat noch nie so wenig arme Menschen auf der Welt gegeben wie heute.

Abhijit Banerjee, Esther Duflo and Michael Kremer

Illustration: Niklas Elmehed/Nobel Media

Wirtschaftsnobelpreis 2019: Abhijit Banerjee, Esther Duflo and Michael Kremer

Kritiker Simon Inou fordert, dass die afrikanischen Staaten auch bestimmen können, wie sie die Hilfe einsetzen. Das sei aktuell nicht der Fall. „Die Entwicklungszusammenarbeit ist veraltet. Sie ist nicht angepasst an die aktuellen Lebensbedingungen der Menschen in Afrika.“ Wie die Entwicklungszusammenarbeit treffsicherer werden kann, ist eine Frage, mit der sich die Armutsforschung gerade intensiv beschäftigt. Ein Beispiel sind die diesjährigen Gewinner des Wirtschafts-Nobelpreises, Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer. Diese haben die Methode der randomisierten Feldexperimente zur Bewertung von Projekten in der Entwicklungszusammenarbeit weiterentwickelt. Dabei teilt man Menschen zufällig in mehrere Gruppen ein. Jede lebt unter etwas anderen Bedingungen, führt aber ansonsten weiter ihr normales Leben. Nach einiger Zeit vergleicht man die Gruppen und sieht, welcher Ansatz welche Folgen hat.

Bei der Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit darf man deren Erfolge nicht vergessen, sagt Erwin Künzi von der Austrian Development Agency. „Es hat noch nie so wenig arme Menschen auf der Welt gegeben wie heute. Und das hat die Entwicklungszusammenarbeit zumindest mitverantwortet.“

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